Formel 1:Zaungäste

Sebastian Vettel und Lewis Hamilton geben sich nach dem Saisonauftakt entzückt: Sie freuen sich auf ein spannendes Duell - Daniel Ricciardo und Fernando Alonso bleibt dagegen wieder nur die Zuschauerrolle.

Von Elmar Brümmer, Melbourne

Man fühle sich an die glorreichen Zeiten von Michael Schumacher erinnert, schreibt die Herald Sun am Tag nach dem Ferrari-Triumph zum Auftakt der Formel-1-Saison und titelt über zwei Seiten hinweg: "Die strahlende Gina färbt die ganze Stadt Rot." Neue Regeln, neuer Spitzname für Sebastian Vettels Dienstwagen, neuer Sieger. Aber die Formel 1 ist ein rasender Wanderzirkus, die Vergänglichkeit fängt meist schon in der Nacht nach den Rennen an. "Ich muss nur drüber schlafen, und im nächsten Rennen in China ist der Frust wieder weg", behauptete Daniel Ricciardo. Denn nicht Lewis Hamilton und Mercedes sind die großen Verlierer des Saisonauftaktes, es ist der Australier von Red Bull Racing - auf gleicher Höhe mit Fernando Alonso und McLaren.

Vor Red Bull hatten selbst Mercedes und Ferrari einen gehörigen Respekt. Präziser gesagt: vor der Interpretation des neuen technischen Formel-1-Reglements durch Adrian Newey, der als der talentierteste Rennwagenschneider gilt. Doch der RB13, der wegen seiner Typenbezeichnung mit einer "Das-ist-ein-gutes-Omen"-Kampagne eingeführt worden war, ist bislang nur ein eher gewöhnlicher Wurf. Weshalb auch die Ergebnisse unspektakulär sind: Platz fünf für den Niederländer Max Verstappen; und Ricciardo, der in seiner Heimat Australien im 22. Versuch endlich als erster Local Hero auf dem Podium stehen wollte, kam erst gar nicht richtig ins Rennen. Crash in der Qualifikation, Getriebewechsel, Sensordefekt in der Formationsrunde, Start von Platz zehn ins Rennen, zur Mitte des Großes Preis von Australien ausgeschieden und hinter die Schutzzäune geklettert. "Ein Wochenende in der Hölle", bilanzierte Teamchef Christian Horner.

Australia Formula One Grand Prix, Melbourne - 26 Mar 2017

Antriebslos: Vier Streckenposten schieben den defekten Rennwagen des Australiers Daniel Ricciardo von der Piste im Albert Park in Melbourne.

(Foto: JOE CASTRO/epa)

Schon ist das starke Comeback vom Vorjahr vergessen, schon fährt der Rennstall der Spitze hinterher. Was nützt die nach eigener Einschätzung beste Fahrerpaarung im Feld, wenn die Abstimmung des Autos nicht aufgeht? So schlicht der Wagen ist, so schwierig ist er zu verstehen - er ist empfindlich, wie es auch die extravaganteren Schöpfungen Neweys waren. Nach dem, was man in Melbourne alles lernen musste, kündigte Horner eine technische Aufholjagd an: "Wir haben uns für ein anderes Konzept entschieden als die anderen. Ich denke, da ist noch viel drin. Ferrari hat im Winter gut gearbeitet, aber die Saison besteht aus 20 Rennen." Schon Ende April soll ein general-überholtes Auto aus der Werkstatt in Milton Keynes kommen, im Juni ein neuer Renault-Motor.

Den Trostpreis forderte der Red-Bull-Regent dann vom strahlenden Sieger Vettel ein: "Sebastian schuldet Max heute ein Bier. Denn erst Max hat ihn in die Lage gebracht, das Rennen zu gewinnen. Es ist natürlich gut für den Sport, dass wir mal wieder einen anderen Sieger haben. Wir wollen aber so schnell wie möglich wieder selbst bei der Party sein", sagte Horner. Verstappen hatte Hamilton in einem wichtigen Moment des Rennens aufgehalten, das war die Entscheidung - ohne den mannschaftlich, technisch und strategisch fehlerlosen Ferrari-Auftritt schmälern zu wollen. Triumphator Vettel ahnt, dass es gegen die aufgeschreckten Titelverteidiger von Mercedes eng bleiben wird, doch er gibt sich wieder selbstsicher: "Das Auto schreit: mehr, mehr, mehr."

Formel 1: Antriebsarm: McLaren-Fahrer Fernando Alonso musste sieben Runden vor dem Ziel aufgeben.

Antriebsarm: McLaren-Fahrer Fernando Alonso musste sieben Runden vor dem Ziel aufgeben.

(Foto: Saeed Khan/AFP)

Wenn Alonso doch auch nur Ähnliches aus seinem McLaren-Honda heraushören könnte. Das Traditionsteam, das nun seit zwei Jahren hinterher fährt, war schon desillusioniert nach Australien gereist. Nach zahlreichen Motorschäden von Honda in der Testphase gilt es fast als Triumph, dass Alonso überhaupt dem Ziel nahe kam. Bis kurz vor Schluss war der Spanier sogar auf Punktekurs, dann rutschte er auf Rang 13 ab, ehe er sieben Runde vor dem Ziel mit einem gebrochenen Unterboden aufgeben musste. Der zweimalige Weltmeister behauptet trotzdem, dass es sich um sein vielleicht bestes Rennen gehandelt habe. Übersetzt heißt das: Ich musste alle Erfahrung aus 274 Grand Prix aufbringen, um dieses Auto überhaupt auf Trab zu bringen.

McLaren würde sich am liebsten sofort von Honda trennen und als Kunde für den Motorenkauf bei Mercedes andocken. Doch der Exklusivvertrag mit den Japanern läuft noch bis 2024. Honda sucht aber angeblich schon nach anderen Rennställen, im Gespräch soll das Schweizer Sauber-Team sein. Zunächst erhöht McLaren erst einmal den öffentlichen Druck. Bisher ist der Antriebstrang zuverlässig unzuverlässig - oder viel zu langsam. Im Top-Speed-Vergleich fehlten Alonso auf den Mercedes von Hamilton fast 30 km/h.

In einem normalen Rennen würde er damit Letzter werden, befand der inzwischen 35 Jahre alte Alonso nach dem kraftlosen Wochenende. "Ich erwarte jetzt eine weitere starke Reaktion des Teams", fordert der Ex-Champion, der glaubt: "Ich werde nicht die ganze Saison so weit hinten fahren." Andere sind sich da nicht so sicher. Nach dem Auftaktrennen schwärmte Titelkandidat Hamilton über den Kampf mit Vettel: "Sebastian wird noch viele Jahre eine Macht in der Formel 1 sein, ich bin wirklich dankbar für diesen Fight gegen ihn und Ferrari." Doch damit war Hamiltons Sehnsucht noch nicht ganz gestillt: "Dieses Jahr kämpfen die Besten der Besten an der Spitze gegeneinander", fuhr er fort, "es wäre klasse, Fernando auch noch dabeizuhaben - aber danach sieht es nicht unbedingt aus."

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