Formel 1:Wenn in wenigen Wochen fast alles schief läuft

F1 Grand Prix of USA

Hat nach dem Rennen in Austin schon 66 Punkte Rückstand auf den WM-Führenden Lewis Hamilton: Formel-1-Pilot Sebastian Vettel.

(Foto: AFP)
  • Nach dem Sieg beim Großen Preis von Austin reicht Lewis Hamilton beim Rennen in Mexiko-Stadt bereits ein fünfter Platz zum Formel-1-Titel.
  • Bei Ferrari ist seit Ende der Sommerpause praktisch alles schiefgelaufen, aus einer knappen WM-Führung wurde ein enormer Rückstand.
  • Sebastian Vettel denkt schon an die kommende Saison und spricht über "massives Potenzial, das noch nicht entfesselt ist".

Von Elmar Brümmer, Austin

Teamchef Toto Wolff, gerade befasst mit einer Rede, warum seine Silberpfeile zum vierten Mal in Serie den Konstrukteurstitel gewinnen konnten, blickte irritiert zur Tür des Mercedes-Pavillons, dann hielt er inne, stand auf und empfing den unerwarteten Gast mit dem roten Hemd und der roten Hose. Ferraris Commendatore Maurizio Arrivabene, beim Rennen in Austin, Texas geschlagen wie sein Schützling Sebastian Vettel, marschierte vor allen Journalisten auf den Österreicher zu und streckte ihm die Hand zur Gratulation entgegen. Wolff war das zu viel Distanz. Er zog den Gegenspieler an sich, umarmte ihn. Arrivabene murmelte: "Großer Kampf!" Wolff entgegnete: "Nächstes Jahr!" Mit einem gequälten "Ciao" verabschiedete sich der Italiener. Nicht wissend, ob er im nächsten Jahr noch den Traditionsrennstall der Formel 1 befehligen wird.

Der Große Preis der USA war so etwas wie die Generalprobe für die Ansprachen, die nach der Vergabe des Fahrertitels anstehen, und das kann schon am kommenden Wochenende in Mexiko der Fall sein. Lewis Hamilton, der nach seinem neunten Sieg jetzt mit 66 Punkten Vorsprung auf Sebastian Vettel bei noch maximal zu gewinnenden 75 Zählern zum drittletzten Rennen reist, ließ sich von Sprinterlegende Usain Bolt schon mal dessen Markenzeichen, die Bogenschützengeste, beibringen. Der schnellste Mann auf Beinen hat dem schnellsten auf vier Rädern zum Abschied seine Spikes geschenkt, und unten auf dem Asphalt stand vor dem Rennen schon mal die WM-Trophäe, zum Greifen nah.

Vettel referiert, als ob das Titelrennen 2017 bereits Vergangenheit wäre

Ein fünfter Platz in Mexiko-Stadt reicht dem Briten schon zum vierten Titelgewinn. Mercedes hat in Austin noch keine Party für den Mannschaftstitel gefeiert, wenn Hamilton dann Champion ist, lassen sie es dafür doppelt krachen. "Drei Rennen noch, das sind drei, die es zu gewinnen gibt", verspricht Hamilton noch auf dem Podium. Sebastian Vettel dämmerte es dort oben auf der zweithöchsten Stufe, dass die Sache für ihn trotz theoretischer Chance gelaufen ist. Langsam überkam ihn diese Erkenntnis nach seinem zweiten Platz. Als die britische Hymne erklang, rieb er sich die Nase, als ob er gerade eine Portion Schnupftabak genommen hätte, bei der anschließenden Talkrunde hing er nur noch in seinem Stuhl, als sei alle Kraft aus ihm gewichen.

Tapfer probierte er dennoch, die Moral seiner Scuderia zu heben, nachdem es auf dem Circuit of the Americas weitere technische Rückschläge gegeben hatte. In Austin war es ein unfahrbares Chassis, das von Freitag auf Samstag gewechselt werden musste, die größtmögliche Notoperation an einer Rennstrecke. Es klappte in Rekordzeit, die Mechaniker von Ferrari sind ja in Übung. Vettel holte noch das Maximum heraus, ehrgeizig ist er ja. Aber mehr als ein cleveres Manöver nach dem Start war in den USA nicht drin, Hamilton hatte ihn schon nach sechs Runden wieder eingeholt.

Ein zweiter Boxenstopp war das Ende der Hoffnungen, mit Glück schaffte es der Deutsche zurück von Platz vier auf Rang zwei. Er referierte dann, als ob das Titelrennen 2017 bereits Vergangenheit wäre: "Es gibt viele Dinge, die mir Hoffnung machen, wenn ich in die Fabrik schaue, die Ideen, die da auf dem Tisch liegen." Das Rennen in Texas sei hingegen eine Enttäuschung gewesen: "Ich hatte anfangs das Gefühl, dass es klappen könnte. Aber dann hat es keinen Sinn gemacht, sich groß zu wehren, wir waren nicht schnell genug."

Fiat-Chef kündigt noch ein paar kleinere Umbauten an

Mag sein, dass Ferrari zu schnell zu große Schritte gemacht hat, aber anders geht es in diesem Sport nun mal nicht. Mercedes mehrfach ans Limit zu treiben, das ist schließlich keine Entspannungsübung. Mit Blick auf seine Vertragsverlängerung bis 2020 denkt der 30-Jährige nur noch an die Zukunft. "Wir wachsen immer noch, es gibt massives Potenzial, das noch nicht entfesselt ist", sagte er in Austin, "wir wollen größere Schritte machen. 2016 war ein hartes Jahr, aber auch sehr wichtig, weil wir intern viele Dinge zum Guten verändert haben."

Er benutzt ähnliche Worte wie Fiat-Chef Sergio Marchionne, wenn er sagt, dass nur noch ein paar kleinere Umbauten nötig seien, um den Serien-Meister Mercedes zu schlagen. Der Manager hat diesmal schon wieder von einer "Änderung in der Organisation" gesprochen, aber er will damit angeblich nicht den angezählten Arrivabene meinen. Nichts überstürzen will der mächtige Manager, der die Scuderia unter enormen Druck gesetzt hat: "Ich denke nicht, dass man alles auf einen Menschen reduzieren kann."

Seit Ende der Sommerpause ist bei Ferrari praktisch alles schiefgelaufen, aus einer knappen WM-Führung wurde ein enormer Rückstand. Zwei zu große Geschenke habe man dem Gegner zuletzt gemacht, meint Vettel über die Motorenpannen in Malaysia und Japan. Seinen Fahrfehler in Singapur nimmt er aus: "Wir sind noch nicht gut genug. Dass wir als Team insgesamt nicht die Ergebnisse einfahren konnten mit dem Auto, das wir hatten, ist bitter. Aber es ist auch extrem wichtig für uns, dass wir diese Lektionen sauber hinter uns bringen und die letzten Schritte konsequent gehen."

Es geht jetzt für Ferrari nur noch darum, diese Saison mit etwas verbliebener Würde zu Ende zu bringen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: