Formel 1:Weltmeister in der allerletzten Kurve

Lewis Hamilton hätte im letzten Rennen in São Paulo ein fünfter Platz genügt - und er wurde in einem hochdramatischen Finale: Fünfter.

René Hofmann

Lewis Hamilton hat es geschafft. Mit einer lange Zeit kontrollierten Fahrt und einem dramatischen Überholmanover in der letzten Kurve brachte es der McLaren-Mercedes-Pilot beim Großen Preis von Brasilien auf dem Autodromo in Interlagos zum fünften Rang. Dies reichte dem Briten, um mit 98 Punkten erstmals das Fahrerklassement der Formel 1 für sich zu entscheiden. Es ist erst Hamiltons zweites Jahr in der Rennserie. Mit 23 Jahren, zehn Monaten und 26 Tagen löst er Fernando Alonso als bislang jüngsten Titelträger ab. Für McLaren-Mercedes ist es der erste Fahrertitel seit Mika Häkkinens Triumph im Jahr 1999. Zweiter der Fahrerwertung ist mit 97 Punkten Felipe Massa. Für den Brasilianer ist es die beste Platzierung seiner Formel-1-Karriere. Die Konstrukteurs-WM geht an Ferrari.

Formel 1: Jüngster Formel 1-Weltmeister aller Zeiten: Lewis Hamilton

Jüngster Formel 1-Weltmeister aller Zeiten: Lewis Hamilton

(Foto: Foto: AP)

Regen am Anfang und am Ende

Das letzte Rennen der Saison gewann Felipe Massa vor Fernando Alonso (Renault) und Kimi Räikkönen (Ferrari). Die Wettfahrt war geprägt von der spannenden Frage, wie Massa und Hamilton das Duell angehen würden. Die Qualifikation am Samstag hatte folgende Ausgangslage gebracht: 1. Massa, 2. Jarno Trulli (Toyota), 3. Räikkönen (Ferrari). Lewis Hamilton durfte als Vierter an die Startampel, sein McLaren-Kollege Heikki Kovalainen stand als Fünfter als Geleitschutz bereit. Die Spekulation, dass einer von Hamiltons zahlreichen Feinden im Feld sich zu Massas Gunsten in den Zweikampf einmischen könnte, entpuppte sich als unbegründet. 71 Runden lang blieb alles fair.

Kurz vor dem Start ging ein Schauer nieder. Der Reifenwahl wuchs eine entscheidende Bedeutung zu. Sowohl Massa als auch Hamilton entschieden sich für die sichere Variante und begannen das Kräftemessen auf Allwetter-Pneus. Somit hatten beide die gleichen Voraussetzungen, was Massa nutzte, um seinen guten Startplatz in eine souveräne Führung umzumünzen. Dahinter ging es in der ersten Kurve enger zu. Nico Rosberg (Williams) schubste David Coulthard (Red Bull). Der drehte sich und berührte Kazuki Nakajima (Williams). Das Safety Car kam und sorgte erstmal für Ordnung.

Lewis Hamilton hatte die Schlüsselstelle da schon ohne Feindkontakt passiert und nahm das Rennen somit deutlich ruhiger auf als im vergangenen Jahr. Damals hatte Hamilton ebenfalls Titelchancen, legte sich nach einem mäßigen Start aber früh mit seinem Teamkollegen Fernando Alonso an. Wenig später setzte sein Getriebe 32 Sekunden lang aus, was Kimi Räikkönen zum Last-Minute-Champion kürte. Um ähnliches in diesem Jahr zu verhindern, hatte McLaren-Mercedes einiges unternommen.

Weltmeister in der allerletzten Kurve

Nach dem Motorschaden von Heikki Kovalainen in Schanghai bauten die Spezialisten in der Firmenzentrale in Woking ein Triebwerk aus identischen Teilen auf und ließen es 1500 Kilometer auf dem Prüfstand absolvieren, um eine Wiederholung zu vermeiden. Hamilton startete mit dem Nachteil ins Rennen, keinen neuen Motor benutzen zu dürfen. Sein Triebwerk hatte bereits 625 Kilometer hinter sich. Massas Ferrari-Aggregat hingegen war neu. Um den Nachteil wettzumachen, die erlaubten 19.000 Umdrehungen aus Sicherheitsgründen im Rennen nicht ganz auszuschöpfen, hatte McLaren noch eine Neuentwicklung ans Auto gebracht: einen umgestalteten Heckflügel, der mit Hochdruck entworfen worden war, und der pro Runde einen Zeitvorteil von eineinhalb Zehntelsekunden bringen sollte.

Lewis Hamilton zeigte in dem Rennen Übersicht und Entschlossenheit. Als er nach dem ersten Boxenstopp hinter den Force-India-Fahrer Giancarlo Fisichella auf den sechsten Rang zurückfiel und Felipe Massa wie der künftige Weltmeister aussah, setzte er alles daran, auf der rutschigen Piste an dem Italiener vorbeizukommen. Einige Runden lang beobachtete er den Kollegen im unterlegenen Auto - dann presste er sich am Ende der Start- und Zielgeraden an ihm vorbei.

Glock wird plötzlich langsamer

71 Runden müssen in São Paulo absolviert werden. Sieben Runden vor Schluss, lag Hamilton auf dem vierten Rang. In dem Moment begann es zu tröpfeln. Lewis Hamilton entschloss sich, erneut zu stoppen. Es war ein Poker, bei dem es um alles oder nichts ging. Felipe Massa tat es ihm gleich. Als sie beide gestoppt hatten, lag Massa immer noch in Führung, Hamilton war Fünfter. Sebastian Vettel im Toro Rosso lag unmittelbar hinter ihm. Der Deutsche spielte eine entscheidende Rolle in dem Duell: In der vorletzten Runde zog er an Hamilton vorbei, womit er Massa zum Weltmeister hätte machen können. Bis zur letzten Kurve sah es so aus, als würde Hamilton den Titel erneut verlieren. Er kam nicht an Vettel vorbei. Dann aber wurde Timo Glock, der noch auf Trockenreifen unterwegs war, kurz vor dem Ziel im Toyota plötzlich langsamer. Vettel und Hamilton zogen vorbei - was dem Briten den entscheidenden Punkt brachte. Alles ging am Ende so schnell, dass in der Ferrari-Box der WM-Titel gefeiert wurde - man hatte die letzte, dramatische Wendung gar nicht mitbekommen.

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