Formel 1:"Die Jammerei von Sebastian verstehe ich nicht"

F1 Grand Prix of Austria

Am Ende feiert Sebastian Vettel seinen zweiten Platz in Spielberg, auch wenn er mit dem Rückstand von einer halben Sekunde auf den Sieger hadert.

(Foto: Getty Images)
  • Sebastian Vettel verpasst in Spielberg den ersten Platz zwar knapp, baut aber den Vorsprung auf WM-Konkurrent Lewis Hamilton aus.
  • Der Brite kann mehrere Plätze aufholen und freut sich nun auf das Heimrennen in Silverstone.
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Von Philipp Schneider, Spielberg

Valtteri Bottas ist kein Großmeister der gespielten Emotion. Wenn er ein Formel-1-Rennen gewinnt, und sei es erst zum zweiten Mal in seinem Leben, ruft er schlicht ein knackiges "Yes" in sein Helmmikrofon. Dann parkt er seinen Dienstwagen, stellt sich ganz oben aufs Siegertreppchen in Spielberg und sagt im Prinzip nur "Thank you". Etwas weniger innerlich austariert ist da der Australier Daniel Ricciardo, der schon ob eines dritten Platzes für eine gefühlte Ewigkeit und mit so viel akustischem Druck zu Grunzen beginnt, dass sich seine Zuhörer sorgen, er werde seinen Helm zum Bersten bringen.

Irgendwas zwischen Ricciardos Glück und Bottas unwirklicher Ruhe empfand am Sonntag Sebastian Vettel, als er Zweiter geworden war. "Es war sehr knapp. Wie würdest du dich fühlen, wenn du nur eine halbe Sekunde hinter dem Sieger durchs Ziel fahren würdest?", fragte Vettel. "Ich wollte gewinnen, aber es war ein gutes Resultat." Das war es vor allem, weil er zwei Plätze vor seinem WM-Rivalen Lewis Hamilton durchs Ziel rollte und so seinen Vorsprung in der Gesamtwertung auf 20 Punkte ausbauen durfte.

In der Theorie hätten sich Vettel und Hamilton in Spielberg erstmals seit Vettels Wutrempler in Baku auf der Strecke begegnen können. Vor dem Rennstart hatte Motorsport-Weltverbandschef Jean Todt Vettel vor den Konsequenzen eines weiteren Ausrasters gewarnt. "Sebastian hat einige sehr starke Warnungen bekommen", sagte Todt - sechs Tage, nachdem er beschlossen hatte, Vettel ungestraft davonkommen zu lassen, was nicht überall gut ankam. Sollte sich Vettel Ähnliches leisten, das sagte Todt nun tatsächlich, wären die "Konsequenzen sehr hart". Gut, das klang ein bisschen nach "Dudududu! Das war jetzt aber wirklich das allerletzte Mal!" Todt klang ein bisschen wie ein nicht aus Überzeugung schimpfender Vater, der erst von der Mutter darauf hingewiesen werden musste, dass die Nichtahndung eines Keksdiebstahls der Tochter ein fataler Fahler gewesen sein könnte, der sich nachteilig auf deren Gesundheit auswirken könnte. Vettel, hatte Todt nun erkannt, sei manchmal "nicht in der Lage, sich selber so unter Kontrolle zu haben, wie er es tun sollte".

Dafür aber ist Vettel durchaus in der Lage, ein Rennen in Österreich so unter Kontrolle zu halten, dass er Hamilton nicht mehr an sich heran kommen lässt, wenn der sechs Plätze hinter ihm startet.

Von Startplatz acht, also fünf Positionen weiter hinten, als er es sportlich verdient hätte, musste Hamilton losrollen, nachdem das Getriebe an seinem Wagen hatte getauscht werden müssen. Die spannendste Frage vor dem Rennen war, wie sich Hamiltons Teamkollege Bottas verhalten würde, der von der Pole starten durfte, beziehungsweise: Wie die Taktik von Mercedes aussehen würde. Beim Grand-Prix in Barcelona hatte sich der Finne einen weniger ruhmreichen, gleichwohl altruistischen Namen als Bremsklotz gemacht, als er Vettel im Dienste Hamiltons mit seiner behäbigen Fahrweise an der Spitze aufgehalten hatte. Von einer Neuauflage dieser selbstlosen Strategie hielt aber in Österreich nicht einmal Hamilton etwas: "Es ergibt für Valtteri keinen Sinn, langsamer zu machen. Es macht Sinn für ihn, hart zu pushen und das Rennen zu gewinnen", sagte Hamilton.

Bottas spricht vom "perfektesten Start meines Lebens"

Als einziger Fahrer aus der Spitzengruppe ging Hamilton mit der zweitweichsten Reifenmischung ins Rennen. "Sie sind ein bisschen langsamer und halten dafür aber ein bisschen länger", erzählte Hamilton leidenschaftslos. Ein Vorteil könne nur entstehen, "wenn es zwischendrin mal regnet oder ein Safety Car kommt." Insofern war es für ihn etwas schade, dass es weder regnete, noch das Safety Car benötigt wurde.

Bottas startete so sensationell schnell, dass er kurz darauf unter dem Verdacht eines Fehlstarts stand. Das mutmaßten zumindest Vettel und Ricciardo, die diese These über Funk petzten. Gleichwohl hatte Bottas, der später vom "perfektesten Start meines Lebens" berichtete, nur eineinhalb Zehntelsekunden schneller reagiert als Vettel - zu diesem Ergebnis kam eine offizielle Untersuchung. Vettel allerdings war sogar nach der Zieleinfahrt noch davon überzeugt, dass "Bottas zu früh gezuckt" hatte. Die gemessene Reaktionszeit sei eine "übermenschliche". Mercedes-Aufsichtsrat Niki Lauda sagte: "Die Jammerei von Sebastian versteh ich nicht." Nun denn.

"Spaß hat es nicht gemacht", sagt Hamilton, "es ist gut, dass dieses Wochenende vorbei ist."

Vettel und Hamilton kamen unversehrt um die ersten Kurven. Im Gegensatz zu Max Verstappen, der in der ersten Biege von Fernando Alonso von der Piste geschoben wurde, der von Daniil Kvyat gedrückt wurde. Ausgerechnet direkt vor der von seinen Landsleuten bevölkerten holländischen Wand schied der 19-Jährige aus, es war sein fünfter Ausfall im neunten Rennen. Räikkönen, der als Dritter gestartet war, verlor seinen Platz an Ricciardo.

Und dann begann auch schon die Aufholjagd des Lewis Hamilton.

Nach sechs Umdrehungen lag er schon auf Platz sechs, nach acht Runden auf fünf. Dort hing er eine Weile fest hinter Räikkönen, obwohl er dem Finnen mehr als eine halbe Sekunde pro Runde von seinem Vorsprung nahm. Nach 17 Runden war Hamilton dran am Ferrari. Aber vorbei kam er nicht. Sein rechter Hinterreifen war geschunden von der Hitze, und auch die Bremse an seinem linken Vorderrad - Hamiltons Techniker forderten ihn auf, sie zu schonen. Die Reihenfolge blieb vor den ersten Stopps unverändert: Bottas vor Vettel, vor Ricciardo, vor Räikkönen, vor Hamilton. In Runde 32 von 71 kam der Brite als erster an die Box, obwohl er ja die mutmaßlich stabilsten Reifen aufgezogen hatte. Er ließ sich nun die weichste Mischung reichen - und fuhr gleich die bislang schnellste Zeit. Drei Umdrehungen später hielt Vettel bei seiner Versorgungsstation; und als er auf die Strecke zurückkehrte, lag er nur noch sieben Sekunden vor Hamilton. Die entscheidende Frage nun lautete: Würden Hamiltons Reifen auf der Berg- und Talsause in Spielberg bis zum Ende halten?

An der Spitze fuhr Bottas ein kontrolliertes Rennen, er hielt erst nach 42 Runden für einen Satz neuer Reifen und bog drei Sekunden vor Vettel auf die Strecke. Darauf überholte er auch Räikkönen, der nur deshalb noch nicht gehalten hatte, um seinen Landsmann etwas aufzuhalten. Hamilton war nun Vierter, allerdings schien sich sein früher Reifenwechsel nicht positiv auszuwirken. Auf Ricciardo machte er zunächst kaum Boden gut, erst zehn Runden vor Schluss drehte er die schnellste Runde und schloss auf zum Australier. In der vorletzten Runde probierte er ein Überholmanöver. Es blieb aber bei einem Versuch. "So richtig Spaß hat es nicht gemacht, es war ziemlich hart", sagte Hamilton. "Es ist gut, dass dieses Wochenende vorbei ist und ich nach Silverstone fahren kann."

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