Formel 1:Vettel macht eine schlechte Figur

Formel 1: Viel Rauch: Ferrari-Pilot Sebastian Vettel (rechts) zieht mit seinem Manöver den Mercedes-Rivalen Nico Rosberg in Mitleidenschaft.

Viel Rauch: Ferrari-Pilot Sebastian Vettel (rechts) zieht mit seinem Manöver den Mercedes-Rivalen Nico Rosberg in Mitleidenschaft.

(Foto: Eric To/AP)

Nach dem Unfall in Malaysia steht fest: Sebastian Vettel kann 2016 nicht mehr Weltmeister werden - in der Ferrari-Heimat werden ihm aber nicht nur die Resultate vorgeworfen.

Von René Hofmann

Wenn es kracht, wird die Formel 1 oft zu einem Wettkampf der Semantik. Eine der spannenden Fragen lautet dann: aktiv oder passiv? Wer war der Unfall-Verursacher und wer das unschuldige Opfer? Beim Großen Preis von Malaysia am Sonntag war das wieder einmal par excellence zu beobachten.

In der Hauptrolle bei dem Wer-war-schuld-Spielchen: Sebastian Vettel, inzwischen 29 und immer noch viermaliger Weltmeister. An der Zahl der Titel wird sich in diesem Jahr auch nichts mehr ändern. Nach dem 16. von geplant 21 Rennen ist Vettel raus aus dem Titelrennen. Mit 153 Punkten liegt er 135 hinter dem WM-Führenden Nico Rosberg von Mercedes. Da geht nichts mehr. Sein zweites Jahr mit Ferrari kann Vettel schon jetzt als Enttäuschung abhaken. Bei den ausstehenden fünf Rennen geht es nun vor allem darum, eine gute Figur abzugeben. Die nächste Gelegenheit bietet sich dazu bereits am kommenden Wochenende in Suzuka in Japan.

Bella figura - gerade den Italienern ist das wichtig. Mehr als die enttäuschenden Resultate wird Vettel in der Heimat seines Rennstalls deshalb aktuell sein Auftreten vorgehalten. "Nicht wiederzuerkennen" sei der einstige Strahlemann, findet La Repubblica, deren Formel-1-Gesandte beobachtet haben: "Sebastian lacht nicht mehr." Auch der Corriere dello Sport erteilt dem Tedesco keine guten Kür-Noten: "Es ist traurig zu sehen, dass er für seine Fehler keine Verantwortung übernimmt." Aktiv oder passiv - die Experten von den Sportfachzeitungen hatten bei den Unfallberichten ganz genau zugehört.

Nach 600 Metern das Aus

Auf der Rennstrecke in Sepang war Vettel im vergangenen Jahr sein erster Sieg für die Scuderia aus Maranello geglückt. Auch dieses Mal sah es zunächst verheißungsvoll aus. Vom fünften Startplatz aus ging es gut für ihn los. Ein paar hundert Meter weiter war dann aber abrupt Schluss. In der ersten Kurve kollidierte Vettel mit Rosberg, sein Ferrari kollabierte daraufhin. Wie es dazu kommen konnte? Auf der Suche nach einer Antwort fuhr Vettel wirklich bemerkenswerte Schlangenlinien, von einer Passiv-Konstruktion zur nächsten.

"Ich hätte die Kurve bekommen", gab er an, "ich habe nicht viel zu spät gebremst." Aber Max Verstappen im Red Bull neben ihm habe eben das Gleiche versucht - und: "Er bewegt sein Auto immer viel, jeder, der gegen ihn antritt, weiß das", so Vettel. Verstappen habe ihm den Platz zum Ausweichen versperrt, als Rosberg "reinzog und sein Ding gemacht hat, was absolut sein Recht ist". Vettel weiter: "Ich konnte den Kontakt dann nicht mehr vermeiden." Es knallte. Für Vettel aber war das Ganze nur "eine unglückliche Kettenreaktion".

Bei Rosberg, den die Aktion ans Ende des Feldes zurückwarf, von wo aus er am Ende Dritter wurde, entschuldigte Vettel sich nach dem Rennen am Telefon. Ein Schuldeingeständnis aber sollte daraus niemand konstruieren. "Es ärgert mich, dass ich nicht mehr im Rennen bin", hatte Vettel direkt an der Rennstrecke noch gesagt, "es gab mit Sicherheit irgendwas, was nicht richtig gelaufen ist." Irgendwas? So ein Ausweichmanöver muss einer erst einmal hinbekommen.

"Vettel ist verrückt"

Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene wählte in seinem Unfallbericht ebenfalls eine Passiv-Konstruktion ("nachdem, was Seb zugestoßen ist . . .") und verweigerte rundum jeden Kommentar zu dem Schuldspruch der Rennkommissare. Diese hatten entschieden: Vettel muss beim Start zum Rennen in Japan wegen der Aktion einen Strafaufschlag von drei Plätzen hinnehmen. Nico Rosberg und Max Verstappen durften sich damit bestätigt fühlen. Die beiden unmittelbaren Augenzeugen fanden, Vettels Rolle bei dem Crash sei durchaus eine recht aktive gewesen.

Wie ein "Torpedo" sei der viermalige Champion auf ihn zugeschossen, fand Rosberg, Verstappen wurde am Funk noch deutlicher: "Vettel ist verrückt. Er ist in Rosberg reingeknallt wie ein Idiot", schimpfte der 19-Jährige. Bei der Anklage dürfte allerdings auch Taktik mitgeschwungen sein. Beim Rennen in Belgien waren Vettel und Verstappen schon einmal aneinander geraten. Seitdem gehört der einstige Wunderknabe Vettel zu den schärfsten Kritikern der kompromisslosen Fahrweise des aktuellen Wunderknaben Verstappen. Dieser wird langfristig durchaus als Kandidat für einen Platz in den berühmten roten Autos gehandelt. Auf der Strecke wie vor den Mikrofonen geht es in der Formel 1 auch immer darum, seinen Platz zu markieren. Vettel und Verstappen wissen das beide.

2017 tritt Vettel für Ferrari noch einmal an der Seite von Kimi Räikkönen, 36, an. Dann läuft der zunächst verabredete Dreijahres-Kontrakt aus. Der Corriere della Serra fordert schon: "Ferrari braucht dringend einen erfolgreichen Piloten."

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