Formel 1:Verstappen trifft Vettels wunden Punkt

F1 Grand Prix of Mexico - Qualifying

Sebastian Vettel: Schwierige Saison mit Ferrari

(Foto: AFP)
  • Sebastian Vettel und Max Verstappen geraten im Großen Preis von Mexiko aneinander, im Rennen und danach.
  • Während Verstappen erneut als Rowdy auffällt, wird Vettel ausfallend.
  • Der Deutsche wirkt ungewohnt angegriffen in dieser schwierigen Saison.

Von Saskia Aleythe

Sebastian Vettel hob den Finger. Es war der Zeigefinger der rechten Hand, den er beim Überqueren der Ziellinie aus dem Cockpit hielt, und wer das Rennen in Mexiko-Stadt verfolgt hatte, der wusste auch, was der Finger zu bedeuten hatte: ein großväterliches "so nicht" in Richtung seines Kollegen Max Verstappen, der direkt neben ihm fuhr. Der 19-jährige Niederländer, der Vettel gerade scheinbar Platz drei weggeschnappt hatte, konterte mit einer eigenen Geste: Er reckte die Faust nach oben. Bedeutung ungefähr: Dir habe ich es gezeigt.

Es ist eine leidenschaftliche Beziehung, die sich im Laufe der Saison zwischen dem vierfachen Formel-1-Weltmeister und dem Rookie entwickelt hat, in Mexiko endete die Begegnung mit zwei enttäuschten Piloten und einem lachenden Dritten: Sowohl Vettel als auch Verstappen wurden für unerlaubte Manöver mit Zeitstrafen belegt und rutschten vom Podest, am Ende bekam Daniel Ricciardo die Punkte hinter Sieger Lewis Hamilton und dem WM-Führenden Nico Rosberg. Verstappen schärfte sein Profil als rücksichtsloser Rowdy, sagte über Vettel aber die prägenden Sätze: "Sebastian hat vor niemand Respekt. Er ist ein sehr frustrierter Typ und sollte nochmal zur Schule gehen und sich eine andere Ausdrucksweise zulegen." Derlei Äußerungen werden Verstappen gerne als Majestätsbeleidigungen ausgelegt, nun war es aber auch so: Ausgerechnet dieser ungestüme Verstappen traf damit Vettels wunden Punkt.

Sebastian Vettel vermittelt zu diesem Zeitpunkt der Saison einen angegriffenen Eindruck; er könnte damit so mancher Diva Konkurrenz machen. Am Rennwochenende in Mexiko-Stadt, wo es eigentlich um den Titelkampf zwischen Rosberg und Hamilton gehen sollte, verteilte er allerlei Beleidigungen an diverse Personen. Dass der Boxenfunk seine Ausbrüche im Auto dokumentiert, ist für Vettel freilich kein Neuland, bremsen kann er sich in seiner Wut dennoch nicht. "Was für ein Idiot", stieß er über Fernando Alonso aus, der ihm im Training zu spät Platz gemacht hatte. "Er ist dumm", entfuhr es ihm über eine Aktion von Felipe Massa. Und auch vor Renndirektor Charlie Whiting machte er nicht halt. Als die Strafe für ein Manöver von Verstappen zunächst ausblieb, sagte Vettel: "Hier ist eine Nachricht an Charlie: Fuck off! Fuck off!"

Für seine Entgleisung gegenüber dem Rennobersten Whiting entschuldigte sich Vettel im Anschluss, ach ja, da seien halt so viele Emotionen und Adrenalin im Spiel gewesen. Eine Diskussion darüber fand er überflüssig, gegenüber TV-Reportern sagte Vettel: "Ich verstehe nicht, warum Sie darum so einen Wirbel machen." Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko, der Vettel einst als Förderer zur Seite stand, meinte: "Vettels Verhalten ist eines viermaligen Weltmeisters nicht würdig."

Verstappen könnte Vettel eines Tages beerben

Es gibt eine Vorgeschichte, die aus dem Strahlemann Vettel das launische Nervenbündel gemacht hat. Mit Ferrari hatte Vettel in dieser Saison Großes vor, und Ferrari mit Vettel ebenso. Doch kein einziger Sieg steht in den Rennhistorien, was offensichtlich zu einiger Anspannung führt. In der Fahrerwertung liegt Vettel hinter den Mercedespiloten und Ricciardo nur auf Rang vier. Ende kommenden Jahres läuft Vettels Vertrag bei Ferrari aus, der Druck auf ihn ist enorm. Teamchef Maurizio Arrivabene ließ Anfang Oktober erstmals durchblicken, dass Vettel um seinen Platz bei den Roten wird kämpfen müssen.

Und dieser Verstappen, der als die neue große Nummer im Rennsport gehandelt wird, könnte ihn eines Tages beerben. Provoziert er Vettel deshalb, wo er nur kann? Noch steht der zehn Jahre jüngere Verstappen für reichlich Aufruhr in der Formel 1: Es gibt kaum einen Fahrer, der seine riskanten Bremsmanöver und Abdrängversuche noch nicht zu spüren bekommen hat. Weil die nicht nur unsportlich, sondern auch höchst gefährlich sind, wurde sogar schon eine Regel zum Spurwechsel verschärft. Auch im eigenen Team schafft Verstappen Überraschungsmomente, wenn er sich über Anweisungen hinwegsetzt oder einfach mal so an die Box kommt wie in Austin. Dafür kassiert er allerorts Rüffel. Niki Lauda, Aufsichtsratschef bei Mercedes, sagte nach einem Start-Gerempel in Belgien über Verstappen: "Der Junge gehört in die Psychiatrie." Nun in Mexiko nannte er den Teenager "einen Wiederholungstäter".

Einen reifen Moment gab es nach all der Aufregung doch noch von Vettel. "Er ist ein großartiger Junge, er ist schnell, er macht Druck, er definiert ein wenig die Grenzen neu", sagte der 29-Jährige fast schon versöhnlich über Verstappen, "aber mit einigen Aktionen schadet er sich mehr, als dass es ihm nützt." Wobei das in langfristiger Betrachtung noch zu beweisen wäre.

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