Formel 1:Verstappen erschreckt die Formel-1-Größen

F1 Grand Prix of Mexico - Previews

Max Verstappen: Kam mit Horror-Schminke nach Mexiko

(Foto: AFP)

Von Elmar Brümmer, Mexiko-Stadt

Die freundliche Bitte beim vergangenen Rennen, er möge doch seine Reifen schonen, konterte Max Verstappen mit einem giftigen Funkspruch: "Ich fahre doch nicht um Platz vier." Dann hätte er sich ja seinem Red-Bull-Teamkollegen Daniel Ricciardo geschlagen geben müssen. Aber mit 19 Jahren und in seiner zweiten Formel-1-Saison tut sich der Niederländer generell schwer, Gegner oder Autoritäten zu akzeptieren.

Bei der Fan-Abstimmung in Austin ist Verstappen zum "Mann des Tages" gewählt wurden, bereits zum siebten Mal in dieser Saison, häufiger als jeder andere Fahrer. Das bestätigt ihn, dennoch ist auch diese Abstimmung umstritten gewesen. Genauso, wie es Verstappen mag, der schon in seiner Rookie-Saison den Spitznamen "Mad Max" bekommen hat. Zum Großen Preis von Mexiko reiste er als Gruselclown geschminkt an, als Huldigung an den Tag der Toten, den Feiertag, den die Einheimischen Anfang nächster Woche begehen.

Wenn es besonders hart oder kurios wird in der Formel 1, ist Verstappen meist mit von der Partie, er scheint ein Talent dafür zu haben. In Austin kam er eigenmächtig an die Box, als seine Crew noch gar nicht bereit war. Er habe sich verhört, entschuldigte sich Verstappen später. Aber Verschwörungstheoretiker glauben: Da war Absicht im Spiel. Er wollte Tatsachen schaffen, seinen Willen durchsetzen. Belohnt wurde das nicht, ein Getriebeschaden warf den Revoluzzer nach 28 Runden aus dem Rennen. Natürlich sagte er brav "sorry" über Funk, und in seiner Gesprächsrunde versprach er, so was werde nicht mehr passieren. Offenbar hat ihm Teamchef Christian Horner die Befehlskette in einem Rennstall klargemacht.

Verstappen will schweigen

Beim Großen Preis von Mexiko an diesem Wochenende und den beiden anderen ausstehenden WM-Läufen kann Verstappen zum Zünglein an der Waage werden im Titelkampf zwischen Nico Rosberg und Lewis Hamilton, die 26 Punkte trennen. Denn er und sein Teamkollege Ricciardo sind immer dann zur Stelle, wenn die Silberpfeile schwächeln oder die Taktik einen Überlistungsversuch ermöglicht. Nur eins soll an diesem Wochenende anders werden - Max Verstappen will schweigen: "Wenn ich den Funkknopf gedrückt habe, spreche ich das aus, was ich gerade denke. Ich kann mich da nicht verstellen. Das kommt manchmal arrogant rüber. Deshalb sage ich lieber ein Weilchen nichts mehr außer ja, nein und okay."

Das Sprechverbot wird wohl keine lange Haltbarkeitsdauer haben. Max Verstappen sucht die Auseinandersetzung, lebt von ihr. Das vielleicht größte Talent des Jahrtausends polarisiert mehr als Lewis Hamilton und will sich um jeden Preis profilieren. In Texas saßen die anderen Fahrer im Driver-Briefing über ihn zu Gericht. Kimi Räikkönen, der große Schweiger, soll eine dreiminütige Anklagerede gehalten haben, das zeigt den Ernst der Lage. "Ich bin zehn Jahre in der Formel 1, und es gab stets das ungeschriebene Gesetz, dass man im Duell mit einem anderen Fahrer beim Bremsen die Spur nicht mehr wechselt", sagt Titelverteidiger Hamilton. Nur Verstappen hielt sich nie dran, führte sich auf wie bei der Kartbahn. Was bei Tempo 260 extrem gefährlich ist - und sehr unsportlich.

Treibt es da einer zu früh zu toll?

Die Kommissare schaute einige Male zu, weil diese Impulse die Rennen interessanter machten. Dann beschloss Renndirektor Charlie Whiting doch, jegliches "abnormale Verhalten" unter Strafe zu stellen. Seitdem nennt sich das im Fahrerlager nur "Anti-Verstappen-Regel". Der Teenager auf Zickzackkurs versteht das als Ehre: "Vielleicht schaffen sie es jetzt, mich zu überholen."

Es gibt zwei Voraussetzungen, um in der Königsklasse Karriere zu machen: Können oder Furchtlosigkeit. Da Verstappen mit beidem reichlich ausgestattet ist, potenziert sich das zur Rücksichtslosigkeit. Man könnte auch sagen: Übermut. Treibt es da einer zu früh zu toll? Michael Schumacher, Sebastian Vettel, Ayrton Senna haben es nicht viel anders gemacht. Erst mal das Establishment schocken und sich so einen Namen machen. Alles, was Verstappen bisher getan hat, folgte einem Plan - am Anfang noch von Vater Jos gesteuert, der Mitte der Neunziger eher ein Mitfahrer war. Der Sohn hat klare Ziele: Nummer eins bei Red Bull werden, Nummer eins der Formel 1, dann zu Ferrari. "Wir bräuchten ein halbes Dutzend von dieser Sorte", sagt Formel-1-Chef Bernie Ecclestone über den Provokateur.

Gestärkt wird der immer noch von seinem ersten Sieg gleich nach der Beförderung vom Talentschuppen Toro Rosso zu Red Bull Racing im Mai. Und aus jedem gewonnenen Zweikampf zieht er neue Energie. Je größer der Gegner, desto besser. Die Kameraleute haben ihn auch schon lieb gewonnen, auf den Tribünen mischt sich unter die Union-Jacks für Hamilton und das Finnen-Kreuz für Räikkönen immer mehr Oranje. Helmut Marko, 73, der Rennbeauftragte des österreichischen Getränkekonzerns, ist alles andere als ein gutmütiger Opa. Er sagt Verstappen nach jedem Rennen, was dieser noch lernen muss. Vor allem ist das: "Geduld".

Brav reflektiert der rasende Auszubildende: "Ich lerne immer noch, aber generell finde ich, ich bin in den meisten Rennen sehr konstant unterwegs gewesen." Marko, der als Scout ein sicheres Gespür hat (Vettel, Ricciardo), lässt auf den Pistenrowdie sonst auch wenig kommen, gegen die neue Regel hat er juristischen Protest angekündigt: "Sollen die anderen halt mal lernen, wie man auf der Bremse lenkt. Max kann es ja auch." Und wenn er sich dabei die Hörner abstößt. "Aufmerksamkeit", sagt der Niederländer, "macht mir nichts aus."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: