Formel 1:Überall Österreicher - nur nicht am Lenkrad

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Raumschiff auf saftiger Kuhwiese - nicht alle waren von der Übernahme der Spielberger Landschaft durch die Formel 1 begeistert. Doch Dietrich Mateschitz hatte gute Argumente, u.a. 250 Millionen Dollar. (Foto: Dominic Ebenbichler/Reuters)
  • Beim Großen Preis in Spielberg wird deutlich, wie viele wichtige Positionen in der Formel 1 mit Österreichern besetzt sind.
  • Nur ein eigener Fahrer fehlt auf der Rennbahn von Dietrich Mateschitz
  • Die Hoffnungen ruhen nun unter anderem auf einem Urenkel von Kaiser Karl I.

Von Philipp Schneider, Spielberg

Wie sehr die Österreicher die Formel 1 unterwandert haben, wird immer dann besonders deutlich, wenn einmal im Jahr ein Formel-1-Rennen in Österreich ausgetragen wird. Das liegt vor allem daran, dass die österreichische Presse dieses Wochenende sehr gerne zum Anlass nimmt, um gar nicht mal allzu dezent darauf hinzuweisen, dass ja nun "ein Heimspiel für die zehn wichtigsten Österreicher in der Formel 1" ansteht. Ohne nun jeden dieser Österreicher einzeln zu porträtieren, ist es ja so, dass einige Österreicher aus der Masse der Österreicher tatsächlich hervorstechen.

Da wäre natürlich Niki Lauda, mehr internationaler Botschafter als Aufsichtsrat, der in Spielberg immer von einer kleinen Traube österreichischer Journalisten umhüllt wird. Dann ist da der Mercedes-Boss Toto Wolff aus Wien. Bis vor kurzem gab es bei Sauber noch die Teamchefin Monisha Kaltenborn, die zwar in Indien als Monisha Narang geboren wurde, aber seit ihrem ersten Lebensjahr Österreicherin ist. Der Steirer Christoph Ammann ist weltweit zuständig für alle Sicherheitsfragen in der Formel 1 und Attila Dogudan, einst Besitzer eines kleinen Wiener Feinkostladens, bewirtet mit seiner Catering-Firma selbstredend nicht nur Laudas Airline, sondern gleich die ganze Rennserie.

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Dogudan wurde zwar in Istanbul geboren, aber wer in der Formel 1 etwas werden möchte, der muss halt irgendwann Österreicher werden. So. Und zwei bedeutende Österreicher fehlen noch: Der Grazer Helmut Marko hat 1971 das 24-Stunden-Rennen von Le Mans gewonnen, weshalb er nun als "Motorsportberater" des wichtigsten Österreichers arbeitet: Dietrich Mateschitz, 73, genannt "Didi", geboren in Sankt Marein im Mürztal, geschätztes Vermögen: fast 13 Milliarden US-Dollar, damit ungefähr der 64.-reichste Mensch der Welt und sicher der wohlhabendste Österreicher.

Mateschitz hat bekanntlich die Limonade "Red Bull" erfunden, weswegen er inzwischen nicht nur der Besitzer zweier Rennställe ist - ihm gehört auch eine ganze Rennbahn. In Spielberg in der Steiermark manifestiert sich seit ein paar Jahren die Marketing-Idee des Milliardärs. In der Nähe eines Militärflugplatzes, wo vor 48 Jahren der erste "Große Preis von Österreich" ausgetragen wurde, sieht es seit 2011 ein bisschen so aus, als sei das Raumschiff Enterprise auf einer Kuhweide gelandet. Nicht alle Kühe und Anwohner finden das gut.

Aber zumindest denjenigen Menschen, die Widerstand leisteten, machte Mateschitz ein Angebot, das kaum jemand ablehnen konnte. 250 Millionen Euro investierte der Unternehmer in seinen "Red Bull Ring" und die Region. Und die Hausbesitzer aus der Nachbarschaft durften, wenn sie ihre Fassade in Schuss brachten, beantragen, dass ihnen Mateschitz die Kosten für das Material ersetzt. (Bis heute halten sich hartnäckig Gerüchte, mitunter seien fingierte Baumarkt- Rechnungen eingereicht worden.)

Ricciardo und Verstappen - die Fans fiebern zwangsläufig mit Mateschitz' Piloten

Die Liebe mancher Österreicher zu ihrem Land geht so weit, dass ein österreichischer Fernsehreporter dem Briten Lewis Hamilton, der für das deutsche Mercedes-Team fährt, eine Woche vor dem Grand Prix in Silverstone die Frage stellte, ob sich das Rennen in der Steiermark nicht wie ein Heim-Grand-Prix anfühle? "Wieso das denn?", hat Hamilton natürlich erwidert. Nun ja, sagte der Reporter. Immerhin habe Hamilton ja in Wolff und Lauda zwei Österreicher als Chefs! Na ja, sagt also Hamilton. Wenn dieses Prinzip schon genüge, um bei ihm Gefühle auszulösen, dann wäre das Rennen in Malaysia ja ebenfalls ein Heimrennen: Schließlich komme ja der bedeutende Team-Sponsor Petronas aus dem Land in Südostasien. Dann haben Hamilton und der Reporter gelacht.

Nun haben die Österreicher allerdings das Problem, dass sie seit 2010, als Christian Klien zuletzt in der Rennserie mitrollte, keinen Landsmann mehr am Steuer eines Formel 1 Wagens sitzen hatten. Zwangsläufig fiebern sie also mit dem Australier Daniel Ricciardo und dem Holländer Max Verstappen. Die zwei fahren immerhin für Mateschitz' Team. Besonders erfreulich ist aus Sicht der Österreicher (und vor allem der Holländer, die in Heerscharen nach Spielberg reisen, um dort ihre orangenen Zelte aufzuschlagen) die Entwicklung, dass das Team von Christian Horner nach acht gefahrenen Rennen technisch aufgeschlossen haben könnte zu Ferrari und Mercedes.

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Neulich, beim Rennen in Baku, konnte Ricciardo das Chaos nutzen, um den fünften Sieg seiner Karriere einzufahren. Überhaupt ist der 28-Jährige und WM-Vierte zu bewundern. Er fährt für ein Team, in dem unaufhörlich der noch talentiertere und neun Jahre jüngere Verstappen auf den Schild gehoben wird. Und doch fuhr er in den vergangenen vier Rennen aufs Podium - wohingegen Verstappen in vier Rennen die Zielflagge nicht sah. Ricciardo ist selbstkritisch: "Ich habe vier Mal hintereinander das Trainingsduell gegen Max verloren", sagte er und floh in einen Scherz: "Ich glaube, Max fährt zu schnell. Das macht das Material nicht mit." Dann wurde er ernst und sagte: "Ich habe zuletzt in der Qualifikation viele kleine Fehler gemacht. Max war einfach schneller als ich."

Die Österreicher lieben gerade einen Australier und einen Holländer, doch bald vielleicht auch wieder einen Landsmann. In der DTM fährt Lucas Auer, 22, ein Neffe des ehemaligen Formel-1-Piloten Gerhard Berger aus Tirol. Und in der Formel 3 liegt gerade ein 20-jähriger Salzburger auf Platz zehn mit einem Punkt mehr als Mick Schumacher: Ferdinand Zvonimir Maria Balthus Keith Michael Otto Antal Bahnam Leonhard Habsburg-Lothringen ist immerhin ein Urenkel von Kaiser Karl I. von Österreich.

© SZ vom 08.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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