Formel 1-Testfahrer:Im Schatten der Show

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Die Testfahrer sind die unverzichtbaren Datensammler der Formel 1 - aber die meisten träumen von einer Karriere als Rennfahrer.

René Hofmann

Auf eine Frage hat keiner eine Antwort. Wie vermeiden, dass der Traum zur Falle wird? "Ich weiß es nicht", sagt Robert Kubica. "Ich hoffe, dass sich die Chance ergibt, sich in der Formel 1 zu etablieren", sagt Markus Winkelhock. "Ich habe irgendwann alles auf eine Karte gesetzt", sagt Alexander Wurz.

Alexander Wurz im McLaren: In der Falle. (Foto: Foto: AFP)

An diesem Freitag wird er auf dem Nürburgring wieder losziehen. Reifen testen, Flügeleinstellungen probieren, Kilometer sammeln, damit das Williams-Team am Abend sehen kann: Funktioniert der Motor, halten die Bremsen, welche Dämpfer und welche Federn sind die besten? Robert Kubica wird das Gleiche für BMW tun, und Markus Winkelhock hat es vor den ersten zwei Rennen für den unterlegenen Rennstall Midland erledigt.

Dieses Mal übernimmt ein anderer Deutscher dort die Aufgabe: Adrian Sutil aus Gräfelfing. Die vier haben einen Job, der zu den begehrtesten überhaupt gehört, und den doch keiner lange machen möchte: Testfahrer. Zwischen den Rennen und am Freitag davor sitzen sie in den Boliden, dürfen probieren, was sich mit ihnen alles anstellen lässt. Aber den größten Teil des Spaßes erleben sie nie: sich mit anderen zu messen. Wenn es ernst wird, sind sie meist schon zu Hause.

Alexander Wurz kennt die Situation am besten. Sechs Jahre lang lebt er schon im Schatten der schillernden Show. Für Benetton durfte er einst Rennen bestreiten. Gleich in seinem dritten wurde er Dritter. Er galt als Talent.

Plan gescheitert

Als das Angebot von McLaren kam, den dritten Fahrer zu geben, sagte er ja. Wenn er bei dem großen Team erst einmal den Fuß in der Türe hätte, dachte Wurz, stünde ihm der Weg zum WM-Titel schon halb offen. Welche Chancen ein mittelmäßiges Team bietet, hatte er bei Benetton erlebt.

In die Umgebung wollte er nicht zurück. Er sagte sich: Ich will Rennen fahren, aber ausschließlich für ein Top-Team. Die Rechnung ging nicht auf. Er fuhr schnell und zuverlässig, aber wenn die Plätze für den Sonntag vergeben wurden, war er nie dabei.

Irgendwann hatte die Falle zugeschnappt, doch der Österreicher rechtfertigt sich: "Für mich war immer klar: Ich gehe nicht ins Casino und setzte auf Rot oder Schwarz. Ich setzte auf Zahl."

Alexander Wurz redet klar, nüchtern, er setzt seine Worte, wie er auch mit dem Rennwagen umgeht: wohl bedacht. Er hat die technische Schule besucht. Systematisch hat er sich die Sprache und Denkweise der Ingenieure erarbeitet.

Ein Testfahrer muss präzise sagen können, was am Auto nicht stimmt. Alexander Wurz kann das. Er ist einer der Besten in dem Metier. Trotzdem wird er aus der Falle wohl nicht mehr herauskommen. Er ist 32 Jahre alt.

Frische Gesichter sind gefragt

Die Szene giert nach Talenten, frischen Gesichtern, billigen Überfliegern - Fahrern wie Robert Kubica. 21 Jahre ist er alt, aber er wirkt viel reifer. Robert Kubica stammt aus Krakau. Polen hat keine große Motorsport-Tradition, Sponsoren sind dort schwer zu finden.

Aber das hielt Robert Kubica nicht auf. Mit 14 Jahren zog er alleine nach Italien, um Kartrennen zu bestreiten. Ohne viel Geld fuhr er sich in vielen Nachwuchsserien nach oben und lernte nebenbei so gut wie jede Sprache, die er hörte. Renault entdeckte ihn und gewährte ihm den ersten Formel-1-Test. Dann schlug BMW zu.

Motorsportchef Mario Theissen gerät ungefragt ins Schwärmen, wenn er über Kubica spricht. Er nennt ihn "die Überraschung des Teams", lobt seine Arbeit als "schnell und fehlerfrei" und bezeichnet ihn als "bald rennfertig".

Schnell auf Tempo zu kommen ist wichtig. Jede Minute kostet, jeder Kilometer, den die hochgezüchteten Wagen absolvieren, schlägt sich mit etwa 1000 Dollar in der Bilanz nieder. Spazieren fahren - das gibt es nicht, Gelegenheiten, sich an die aberwitzige Geschwindigkeit zu gewöhnen, wenige. Nur eines ist noch teurer als Zeitverschwendung: Schrott.

Vor allem die Ersatzleute sollten deshalb tunlichst darauf achten, keinen zu produzieren. Setzen sie ihren Wagen am Freitag in die Leitplanken, sind alle Daten futsch. Andererseits bringt es auch wenig, das Auto bloß im zweiten Gang um die Kurven rollen zu lassen. Die filigranen Flitzer sind so sensibel, dass nur dann verlässliche Aussagen möglich sind, wenn sie wirklich gefordert werden. Die Hatz auf der Ideallinie ist wie ein Tanz auf dem Drahtseil: Ein paar Millimeter zu weit links oder rechts, und schon droht der Absturz.

Kandidaten wie Markus Winkelhock und Adrian Sutil wagen die Nummer sogar ohne Sicherheitsnetz. Winkelhock ist 25, Sutil 23 Jahre alt. Als besonders jugendlich fallen sie im Fahrerlager nicht auf. Der Wunsch, es dennoch in die Königsklasse zu schaffen, wurzelt tief. Markus Winkelhocks Onkel Joachim versuchte sich daran, sein Vater Manfred fuhr 47 Grand Prix'; 1985 starb er bei einem Sportwagenrennen. Selbst davon hat sich Markus Winkelhock nicht bremsen lassen.

Ganz am Ende hat er sich ins Fahrerlager geschlichen, bei Midland, einem Team, das schon Mühe hat, sein Motorhome aufzubauen. Bei den kleinen Rennställen brauchen Testfahrer eine zusätzliche Begabung: Sie sollen Geld oder Sponsoren mitbringen, am besten sogar beides.

Gefährliche Unsitte

Im Prinzip kann sich so einen Platz in der Formel 1 jeder kaufen. In Ungarn ging im vergangenen Jahr ein 42-jähriger Israeli an den Start. Er war so langsam, dass sich anschließend einige der Profis beschwerten, die Unsitte würde allmählich gefährlich. Je nachdem, wie wenig Talent einer mitbringt, richten sich die Preise. Für einen Tag werden mitunter sechsstellige Dollar-Beträge gefordert. Das Geld kann gut angelegt sein. "Am schwierigsten ist es, überhaupt in die Formel 1 zu kommen", sagt Adrian Sutil.

Wer eine Eintrittskarte löst, hat die Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen, ein Netzwerk zu weben. Das ist wichtig. Motorsport ist immer auch Politik und Marketing, ein Fahrer muss die richtige Zielgruppe und den richtigen Markt bedienen. Deutsche Talente haben es deshalb zurzeit eher schwer; es gibt zu viele von ihnen. Adrian Sutil hat trotzdem eine simple Hoffnung: "Einen zukünftigen Weltmeister will sich wohl keiner entgehen lassen."

© SZ vom 5.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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