Formel-1-Technik im Alltag:So viel Rennsport steckt in unseren Autos

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In Formel-1-Wagen steckt einiges an feiner Technik. Auf die Straße kommt davon wenig. (Foto: dpa)

Bremsen aus Keramik, Karosserieteile aus Carbon und ausgetüftelte Aerodynamik: Errungenschaften aus dem Rennsport sollen Serienfahrzeuge besser machen. Doch Formel 1 und Straßenverkehr sind zwei Welten, die selten zusammenpassen.

Von Sascha Gorhau

Seit zwei Wochen fahren die Formel-1-Autos wieder im Kreis um die Wette, in zwei Monaten findet am Hockenheimring das erste Rennen der DTM-Serie statt. In Amerika dröhnen die Nascar-Motoren bereits seit Februar. Kritiker fragen seit Jahren: Muss das sein?

Eine beliebte Antwort auf diese Frage lautet, dass der Motorsport jene Autos sicherer und effizienter mache, in denen nicht Rennfahrer sitzen, sondern die Menschen, die morgens ihre Kinder in die Schule bringen, Einkäufe erledigen oder Freunde besuchen möchten. Aufgrund der Anstrengungen werden technische Neuerungen und vor allem Sicherheitskonzepte entwickelt, von denen die Serienproduktion profitiert. Nur: Stimmt das auch?

Viele Autohersteller beteiligen sich an teuren Rennställen und mischen mit im Motorsport. Das bringt Prestige, verleiht Glaubwürdigkeit und technische Kompetenz. Es kostet auch ein ganze Menge Geld. Doch der Normalkunde im Durchschnitts-PKW hat davon wenig. Das war früher anders. "Die Technologien sind inzwischen so verschieden, dass sich die Formel 1 immer mehr zu einer separaten Schiene entwickelt hat," sagt Markus Lienkamp von der TU München.

Ein Formel-1-Bolide und ein Serien-PKW teilen nichts miteinander - außer der Tatsache, dass Sie mindestens einen Menschen auf vier Rädern bewegen. Die Rennwagen müssen schnellstmöglich einen Rundkurs aus Beton bewältigen und die Teams intelligent innerhalb des aktuellen Reglements agieren.

Straßenfahrzeuge verfolgen einen anderen Zweck: Eine Anzahl von Passagieren soll sicher und möglichst ressourcenschonend ans Ziel gelangen. "Seit knapp 20 Jahren haben die beiden Reglements des Formel-1-Sports und des Straßenverkehrs kaum noch Berührungspunkte," sagt Lienkamp.

Das war vor einigen Jahren noch anders, viele wichtige Merkmale, die heute Fahrzeuge aus der Großserie prägen, haben ihren Ursprung im Rennsport: Die Scheibenbremse beispielsweise verzögert weit effektiver als die früher gebräuchlichen Trommelbremsen. Elektrische Einspritzanlagen sorgen für eine effektivere Verbrennung und kitzeln mehr Leistung aus den Motoren. Auch die Turbo-Technologie kommt ursprünglich aus dem Rennsport und findet sich heute in fast allen Verbrennungsmotoren - und kommende Saison auch wieder im Formel-1-Sport.

Reifenstapel und Bäume

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Gegenwärtig sind die beiden Welten jedoch fast unvereinbar, im Bereich der Sicherheit etwa - obwohl genau dieser Aspekt immer wieder von Befürwortern des Rennsports angemerkt wird. In der Formel 1 fahren die Autos hintereinander im Kreis. Sollte ein Wagen von der Strecke kommen, so trifft er auf eine Umgebung, die darauf vorbereitet ist. Der Bolide prallt auf einen weichen Reifenstapel, der in kurzer Zeit viel Aufprallenergie verpuffen lässt.

Zudem ist der Fahrer in einem starren Cockpit aus Carbon förmlich festgeschnallt. Ein Haltesystem namens Hans (Head and neck support; zu deutsch: Kopf- und Halsschutz) fixiert zusätzlich die Hals- und Nackenpartie und verhindert so schlimme Verletzungen. Im öffentlichen Straßenverkehr sind die Voraussetzungen allerdings völlig andere: Es gibt Gegenverkehr, die Hindernisse sind keine Reifenstapel, sondern Bäume, Felsen und andere Autos. Ein Rennwagen braucht also ein völlig anderes Sicherheitskozept als ein Serienauto - nur selten werden Entwicklungen übernommen.

Im Moment betreiben Formel-1-Rennställe und Serienhersteller einen hohen Entwicklungsaufwand in Fragen der Aerodynamik. Doch auch hier verfolgen beide völlig unterschiedliche Ziele. Auf der Piste geht es vordergründig um Abtrieb, im Straßenverkehr eher um die spritsparende Reduzierung des Luftwiderstands. Auch die Reifenentwicklung verläuft konträr: Während die Formel-Boliden maximale Haftung bei extrem hohen Betriebstemperaturen benötigen, werden Straßenreifen in Hinblick auf einen möglichst geringen Rollwiderstand optimiert.

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Kay Langendorff, Motorsport-Experte beim ADAC, wendet ein: "Features für die Rennstrecke finden nie eins zu eins ihre Umsetzung im Straßenverkehr. Aber der Rennsport ist Hochtechnologie und liefert wichtige Denkanstöße bei Entwicklungen für die Großserienproduktion."

Dem widerspricht TU-Professor Lienkamp. Doppelkupplungsgetriebe beispielsweise gebe es zwar auch in Serienfahrzeugen. Von einem Technologietransfer aus dem Rennsport könne jedoch nicht die Rede sein. Die Anforderungen und die technische Umsetzung würden sich zu stark unterscheiden.

Einige Technologien finden heutzutage den doch Weg in den Alltag. "Aluminium beispielsweise war lange kein Werkstoff für Serienfahrzeuge. Doch nach erfolgreicher Erprobung in der Formel 1 hat es seinen Weg auf die Straße gefunden," sagt ADAC-Mann Langendorff. Auch andere Materialien wie Karosserieteile aus Carbon oder Bremsen aus Keramik stammen ursprünglich aus dem Rennsport und finden sich nun in Serienfahrzeugen.

BMW i3 ist komplett aus CFK

Doch beide sind exotisch und werden eigentlich nur in Nischenfahrzeuge und Sportwagen mit Straßenzulassung verbaut. Das Dach des BMW M3 zum Beispiel ist aus Carbon und der kommende Elektrowagen BMW i3 wird das erste Fahrzeug sein, dessen Karosserie komplett aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff CFK bestehen wird. Keramikbremsen sind in Autos wie einem Aston Martin DBS, einem Bugatti Veyron 16.4 oder einem Ferrari 458 Italia verbaut - allesamt keine Fahrzeuge, die Massen mobilisieren.

Für den PKW-Käufer ist das kein Problem. "Gute Autos lassen sich auch ohne ein Engagement in der Formel 1 bauen. BMW ist aus dem Rennzirkus ausgestiegen, Audi und VW haben sich überhaupt nicht engagiert," sagt Markus Lienkamp. Die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Automobile stehe trotzdem außer Frage. Es ist also durchaus möglich, ein effizientes Serienfahrzeug bauen, ohne sich im Rennsport zu engagieren.

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