Formel-1-Talent Max Verstappen:Keine Zeit für Fahrstunden

Max Verstappen überrascht in seiner Debütsaison mit fehlerfreien Rennen und Rasanz. Sogar Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone ist begeistert vom Sohn des früheren Schumacher-Kollegen Jos Verstappen.

Von Elmar Brümmer, Spa-Francorchamps

Aus der Kollektion der harmlosen Rennfahrer-Aussagen ist es fast der banalste: "Ich freue mich auf meinen Heim-Grand-Prix." Wenn dieser Satz aber von Max Verstappen gesagt wird, und das vor dem Großen Preis von Belgien, dann wird aus der Feststellung ein Politikum, zumindest sorgt es für Familienstreit. Denn der 17-jährige Toro-Rosso-Pilot, der in seiner Debütsaison sportlich schon für viel Furore gesorgt hat, wird in nahezu allen Datenbanken als Niederländer geführt. Sein Vater Jos ist bis heute der Niederländer mit den meisten Einsätzen in der Formel 1. Doch Max' Mutter Sophie besteht darauf, dass ihr Sohn Belgier ist, zur Welt gekommen in Hasselt in der Provinz Limburg.

Der jüngste Pilot der Formel-1-Geschichte selbst pflegt seine eigene Interpretation: "Ich wurde als Niederländer aufgezogen und deswegen fühle ich mich dem Land zugehöriger." Entscheidend für die Wertung im Motorsport ist die Lizenz, und die stammt aus den Niederlanden. Sonst wäre der Mainzer Jochen Rindt 1970 auch als erster Deutscher Weltmeister geworden, doch sein Rennstrecken-Führerschein wurde damals in Österreich ausgestellt.

Vom "Kinder-Wahnsinn" spricht keiner mehr

Woher die (künftigen) Helden in der Königsklasse kommen, ist in der globalen Disziplin zweitrangig. Und auch, ob sie schon einen Führerschein haben. Den wollte Verstappen eigentlich in der Sommerpause - und in Belgien - absolvieren, doch ihm fehlte die Zeit. Nach dem letzten Rennen vor der Sommerpause hat der Trubel um ihn weiter zugenommen. Nur knapp schrammte er in Budapest am Podium vorbei, in seinem erst zehnten Rennen.

Als er sich vor Jahresfrist in Spa erstmals im Fahrerlager vorstellte, war die Skepsis groß. Die Formel 1 dürfe nicht zum Kindergarten verkommen, kritisierten ehemalige Rennfahrer, sprachen gar vom "Kinder-Wahnsinn", worauf der Automobilweltverband FIA flugs die Altersgrenze für den Einstieg in die Top-Kategorie auf 18 Jahre anhob.

F1 Grand Prix of Belgium - Practice

Talent für zwei: Toro-Rosso-Pilot Max Verstappen.

(Foto: Peter Fox/Getty Images)

Vater Jos ist sein Held

Dabei hat Max Verstappen sein Talent schon seit zehn Jahren in Nachwuchsklassen bewiesen, seine ganze Jugend war auf das Karriereziel Formel 1 ausgelegt. Sogar von der Schulpflicht wurde er zuletzt befreit. Papa Johannes Franciscus, genannt Jos, fuhr einst für das Benetton-Team, in einer Nebenrolle an der Seite von Michael Schumacher.

Dennoch sagt der Sohnemann, wenn er nach seinem Renn-Helden gefragt wird: "Mein Vater!" Der war in 107 Rennen zweimal Dritter geworden, und kam insgesamt auf 17 Punkte. Der Junior hat - nach neuer Rechnung - bereits 22 Zähler auf dem Konto.

Aus Kindern werden Racer

"Der vierte Platz in Budapest war ein etwas unerwartetes Ergebnis, aber du musst eben auch zur Stelle sein, wenn andere Leute Fehler machen oder Probleme haben", erklärt Max Verstappen in seiner unbefangen-professionellen Art, "ich bin sehr glücklich darüber, weil das Rennen so schwierig begonnen hatte. Ich denke, dass die erste Saisonhälfte ziemlich gut gelaufen ist."

Die zweite fängt mit einem Wermutstropfen an. Verstappen schaffte in der Qualifikation nur einen 15. Rang, wegen eines Motorenwechsels wird er in der Startaufstellung auf Rang 18 zurückgestuft. Spa wird trotzdem zur Reifeprüfung, gelten doch die sieben hügeligen Kilometer in den Ardennen als jene Strecke im Rennzirkus, auf der sich die Buben von den Männern scheiden.

Fehlerlose Konstanz überrascht

Doch generell macht der Rennstall Toro Rosso seinem Ruf als Talentschuppen von Red Bull alle Ehre, die ersten Vier von Ungarn hatten allesamt die harte Schule des unerbittlichen Ausbildungschefs Franz Tost durchlaufen: Sebastian Vettel, Daniil Kwjat, Daniel Ricciardo und eben Verstappen. Die Kronprinzen gehören nicht nur für Red-Bull-Teamchef Christian Horner "zu den positivsten Nachrichten" dieser Saison. Die fehlerlose Konstanz ist das, was bei Verstappen und seinem Kollegen Carlos Sainz jr., 20, am meisten überrascht.

Es spricht für die ganzheitliche Ausbildung jener Generation, die von den Traditionalisten so gern abwertend als "Computer Kids" bezeichnet wird. Nur einmal, in Monte Carlo, sorgte Verstappen für negative Schlagzeilen, als ihm ein Auffahrunfall unterlief. Die Rennkommissare versetzten ihn dafür zwar beim nächsten Rennen nach hinten, aber tapfer blieb er bei seiner Meinung, der andere habe zu früh gebremst. Mad Max.

Ferrari hat schon die Fühler ausgestreckt

Ein junger Mann nach dem Geschmack von Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone, 84, der dringend nach der nächsten Rennfahrer-Generation Ausschau halten muss. Die zielstrebige Frühreife gefällt dem Briten. "Als ich 17 war, hatte ich nichts Besseres zu tun als eine 18-jährige Freundin zu finden", ließ er wissen. Erfahrung, sagt Max Verstappen, sei das einzige, was ihm noch fehle momentan. Ein Problem? Ach, wo: "Ich habe in meinem Leben immer ziemlich große Sprünge unternommen."

Verstappen, derzeit Elfter in der WM, weiß, dass er noch auf Zeit spielen kann: "Ich bin 17 Jahre alt, während die anderen 21 oder 22 sind - ich kann nur besser und besser werden." Sogar Ferrari hat sich schon für Verstappen interessiert, und wird wieder bei Papa Jos vorsprechen, wenn es um den Kollegen von Sebastian Vettel für die Saison 2017 gehen wird.

Am 30. September wird Max Verstappen volljährig. Für voll genommen in der Formel 1 wird er längst.

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