Formel 1: Stress vor Saisonstart:Jeder gegen jeden - Ärger im Kreisverkehr

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Der Streit über den WM-Modus erhöht bei den Formel-1-Teams den Verdruss über den Automobil-Weltverband.

René Hofmann

An diesem Montag ist Mercedes-Sportchef Norbert Haug zum Großen Preis von Australien aufgebrochen, mit dem am Sonntag die Formel-1-Saison beginnt. Kurz vor dem Abflug hat er sich noch einer Telefonrunde gestellt. Um die Form des eigenen Teams - McLaren-Mercedes - steht es im Moment nicht zum Besten.

Für Lewis Hamilton und die anderen Formel-1-Fahrer bleibt es jetzt doch bei der alten Punkteregelung. (Foto: Foto: AP)

"In der zweiten Hälfte des Feldes" dürften die Silberpfeile fliegen, glaubt Haug. In der Konferenzrunde provoziert das eine freche Frage: "Wem würden Sie den Titel denn dann eher gönnen: BMW oder Ferrari?" Antwort Haug: "Sie sind wohl falsch verbunden! Den Titel bekommt, wer den besten Job macht." Wenn es denn so einfach wäre.

Seit einer Woche tobt in der Rennserie ein Streit, wer Meister werden soll. Derjenige, der die meisten Punkte sammelt? So war es bisher. Oder doch besser derjenige, der die meisten Rennen gewinnt? So will es Vermarkter Bernie Ecclestone - und so beschloss es auch der Automobilweltverband FIA vergangene Woche. Nach einigen Tagen aber folgte die überraschende Abkehr von der überraschenden Regeländerung. Kurzfristig lassen sich die Vorschriften nur umschreiben, wenn keiner etwas dagegen hat. Gegen den Sieg-Modus hatten aber viele Teams etwas.

Das ließ den Plan wanken. Aktuell ist er auf 2010 verschoben. Ecclestone hatte seinen Weggefährten Max Mosley, den FIA-Präsidenten, offenbar genarrt. "Bernie hat mir gesagt, dass alle Teams mit unserem System glücklich sein würde", verriet Mosley dem Daily Telegraph. Die Rolle rückwärts ist nicht nur ein wenig peinlich für ihn - sie ist auch schlecht fürs Geschäft. Wieder einmal entsteht der Eindruck, dass es die Serie mit den Regeln nicht so genau nimmt, dass die nach Gutdünken geändert werden können - wenn es denn der Show oder den Interessen einzelner dient.

Mosley hat in den vergangenen Jahren einiges getan, was dieses Bild entstehen ließ. Sein Einfluss in allen maßgeblichen FIA-Gremien ist groß. Er hat die Macht, sein Wort Gesetz werden zu lassen - und den Mut, auch Kurioses auszusprechen. Als Michael Schumacher in seinem Ferrari alle Gegner in Grund und Boden fuhr, schlug Mosley einst vor, erfolgreiche Fahrer doch mit Zusatzgewicht zu bestrafen. Angedacht war ein Kilogramm pro WM-Punkt.

Ein anderer Vorschlag: Die Fahrer könnten die Autos tauschen. Original-Ton Mosley: "Dann würden wir wirklich sehen, wer die besten Rennfahrer und Teams wären." So weit kam es nicht. Als Schumacher 2002 der Titel nach dem elften von 17 Rennen schon nicht mehr zu nehmen war, wurde aber das Punktesystem geändert. Der Zweite eines Rennens bekam fortan nicht mehr sechs, sondern acht Punkte, was einen Sieg (zehn Punkte) entwertete.

Seitdem fiel die Titelentscheidung viermal im letzten Grand-Prix. Im vergangenen Jahr gewann Lewis Hamilton mit einem Punkt Vorsprung vor Felipe Massa. Der McLaren-Mercedes-Pilot hatte allerdings einen Großen Preis weniger gewonnen als der Ferrari-Fahrer: Hamilton fünf, Massa sechs. Dramatisch ungerecht kann die Entscheidung keiner nennen.

Selbst wenn - wie bei Olympia - bei allen Rennen bloß die ersten drei Medaillen oder Punkte bekommen hätten, wäre der Ausgang der WM in den vergangenen 20 Jahren bloß zweimal ein anderer gewesen: 1989 wäre dann Ayrton Senna statt Alain Prost Weltmeister geworden, im vergangenen Jahr Massa statt Hamilton.

Um die Meister-Frage geht es bei der Kontroverse also gar nicht wirklich. Es geht darum, wer die Macht hat in dem Zirkus. Die Teams nehmen es Mosley übel, dass er in den vergangenen Jahren viele Änderungen durchgesetzt hat. Und dass er dabei oft äußerst rücksichtslos vorging. Beispielsweise im Jahr 2006, als die Zehnzylinder-Motoren verboten wurden. Viele hätten an denen gerne festgehalten und lediglich die Maximaldrehzahl begrenzt. Doch Mosley peitschte Achtzylinder-Triebwerke durch, mit der Begründung: Diese seien günstiger. Auf lange Sicht stimmte das. Zunächst einmal entstanden aber hohe Entwicklungskosten.

Um derlei Entscheidungen künftig entgegenwirken zu können, schlossen sich alle Teams im vergangenen Jahr in der Formula One Teams Association (Fota) zusammen. An deren Spitze steht im Moment der charismatische Ferrari-Chef Luca di Montezemolo. Die Eintracht kann weder Mosley noch Ecclestone gefallen. Je zerstrittener die Teilnehmer sind, desto leichteres Spiel haben sie, ihre eigenen Interessen durchzusetzen. "Die Teams sind am stärksten, wenn sie sich einig sein", sagt Mercedes-Sportchef Norbert Haug, der auch im Führungsgremium des Rennstalls McLaren sitzt. Die Einheit der Teams, glaubt Haug, werde ständig bedroht bleiben.

Einflussmöglichkeiten hat die FIA viele. Reglementsstreitigkeiten gibt es immer wieder, und oft lassen die sich nutzen, um einen Keil zwischen die Teams zu treiben. Schon in Melbourne könnte es so weit kommen. Red Bull hat vor dem ersten Rennen Protest gegen drei Konkurrenten eingereicht. Toyota, Williams und das neue Brawn-Team sollen verbotene Diffusoren benutzen. Entscheiden muss den Streitfall: die FIA.

© SZ vom 24.03.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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