Formel 1:Statt Grid Girls gibt's jetzt Grid Kids

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Zum Start der Formel-1-Saison in Melbourne gibt es wieder zahlreiche Neuerungen - im Kreis fahren bleibt aber. (Foto: dpa)
  • Vor Beginn der neuen Formel-1-Saison finden die Neuerungen der Rennserie nicht bei allen Anklang.
  • Über Halo, die fehlenden Grid Girls und die neuen Startzeiten wird besonders viel diskutiert.
  • Der neue Besitzer der Rennserie, Liberty Media, will "Innovation in eine Sportart hineintragen, die bereits großartig ist".

Von Philipp Schneider, Melbourne

Anfang 2017 hat der amerikanische Unterhaltungskonzern Liberty Media die Rechte an der Formel 1 erworben. Für 4,4 Milliarden Dollar. Seither erschließt die Dreierspitze Chase Carey, Sean Bratches und Ross Brawn nach und nach jene digitalen Geschäftsfelder, die unter Bernie Ecclestone vernachlässigt worden waren. Nachdem in der vergangenen Saison bereits zarte Veränderungen in der Außenwirkung der Rennserie sichtbar wurden, etwa der Boxring-Krächzer Michael Buffer auch beim Rennen in Austin brüllte, gibt es in dieser Saison gleich eine ganze Reihe von Neuerungen. Nicht für alle ist Liberty Media verantwortlich. Dennoch: In Zeiten der Digitalisierung und sozialer Netzwerke ist die Verwirrung groß in der Formel 1. Sie macht auch nicht vor dem Fahrerlager halt, wie ein Dialog zwischen Lewis Hamilton und Sebastian Vettel aus Melbourne verdeutlicht.

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Moderator: "Herr Vettel, Sie haben gesagt, dass Sie persönlich trotz des Einstiegs von Liberty Media den sozialen Medien nach wie vor nicht näherrücken wollen ..."

Hamilton (blickt zu Vettel): "Ich dachte, du bist bei den sozialen Medien?!"

Vettel: "Nein."

Hamilton: "Ich dachte, ich folge ... irgendjemand?!"

Vettel: "Wer auch immer das ist: Herzlichen Glückwunsch!"

Außer den von Liberty Media angestoßenen Änderungen, mit denen das Unternehmen die Rennserie in einen Unterhaltungskonzern verwandeln möchte, gibt es weitere Neuerungen - etwa den Kopfschutz Halo und eine größere Auswahl an Reifen. Ein Überblick vor dem Saisonstart an diesem Sonntag (7 Uhr) in Melbourne:

Der Halo

Für die Einführung des sieben Kilogramm schweren Schutzbügels aus Titan, der sich von dieser Saison an oberhalb und seitlich der Köpfe der Fahrer spannt, kann Liberty Media nichts. Er ist eine Antwort auf die Unfälle von Henry Surtees (Formel 2), Justin Wilson und Dan Wheldon (Indycar) sowie Jules Bianchi (Formel 1) und soll die Köpfe der Fahrer vor umherfliegenden Teilen schützen. Nach allem, was bekannt ist, hat der Halo weltweit noch keinen einzigen Fan. "Fürchterlich, der Halo ist der größte Rückschritt", sagt der dreimalige Weltmeister Niki Lauda: "Jeder soll sich entscheiden, ob er einen Kiosk aufmachen oder in der Formel 1 fahren will." Max Verstappen findet ihn "hässlich", Nico Hülkenberg "grässlich", und Toto Wolff, der Mercedes-Motorsportchef, sagt: "Wenn man mir eine Kettensäge gibt, schneide ich den Halo einfach ab." Wolff sagt aber auch: "Als Verantwortliche gegenüber dem Sport hätten wir schon längst eine Lösung finden müssen, bei der auch das geschützte Auto noch aussieht wie ein Rennauto." Es läuft wohl darauf hinaus, dass der Halo so lange am Auto bleiben wird, bis der Weltverband Fia, Liberty Media und die Teams eine Lösung präsentieren, bei der Lauda nicht denkt, jemand eröffne einen Kiosk.

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Und ehe es soweit ist, hat zumindest die Flip-Flop-Industrie große Freude an dem Bügel, der von oben betrachtet aussieht wie eine dieser Open-Air-Fußschlappen zum Flanieren am Strand, in denen sich ein Steg spannt zwischen den Zehen. Force India gab nun als zweites Team eine Kooperation mit einem Flip-Flop-Hersteller bekannt. Der brasilianische Produzent Havaianas wird "bei ausgewählten Rennen" mit seinem Schriftzug auf dem Halo werben. Wenige Tage zuvor hatte McLaren einen Deal mit dem britischen Sandalenproduzenten "Gandys" abgeschlossen. Die Helm-Aussicht auf die Werbung muss Fernando Alonso also auch aushalten. Übrigens, es gab schon die wilde Überlegung, Werbung als Laufschrift über den Halo zu spielen. Wolff sagt: "Wenn es so weit kommt, dann sind wir mit der Formel 1 in Hollywood. Oder eher im Disneyland."

Warum gibt es eine Hymne?

Das weiß niemand so recht. Auch nicht Lewis Hamilton, der in Melbourne darauf angesprochen wurde. "Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll", sagte Hamilton, dann sagte er aber doch noch etwas zu der Melodie, die auf Wunsch von Liberty Media mit sofortiger Wirkung die Formel 1 beschallen wird. Insbesondere wohl auf der neuen TV-Plattform, auf der die Amerikaner einen eigenen Streaming-Dienst anbieten werden. "Ich habe mir die Hymne gerade angehört. Sie erinnert mich an Gladiators in England, das ich mir samstagabends angeschaut habe", erzählte Hamilton. Dann rief er mit gespielter Vorfreude: "Wir werden die neuen Gladiatoren sein!"

Nicht jedem Zuhörer war sofort klar, auf welche Gladiatorensendung Hamilton abhob. Er dachte wohl nicht an Ridley Scotts Kinofilm "Gladiator", für den Hans Zimmer die Titelmelodie komponierte, sondern an die britische Fernsehserie "Gladiators", in der sich um die Jahrtausendwende kurios behelmte Amateursportler mit Stangen prügelten, die aussahen und sich möglicherweise auch anfühlten wie überdimensionierte Ohrenstäbchen. Die Erkennungsmelodie der Serie klingt in der Tat ähnlich plump bombastisch wie das Formel-1-Thema, das der Amerikaner Brian Tyler erdachte. Aus Sicht der Manager von Liberty Media, die die Formel 1 in ihrer gegenwärtigen Form bekanntlich für leicht angestaubt halten, ist Tyler als Komponist die Idealbesetzung gewesen. Er hat schon den Soundtrack für "Die Mumie" komponiert.

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Warum gibt es ein neues Logo?

"Wir wollen den Sport nicht verändern, aber wir wollen Innovation in eine Sportart hineintragen, die bereits großartig ist", sagte Chase Carey, der Geschäftsführer von Liberty Media - dann präsentierte er ein neues Logo. Zwei rote Linien sind zu sehen, die die Zielkurve einer Rennstrecke symbolisieren sollen und dann später auf eine diagonale rote Ziellinie treffen, die Kombination ergibt ein stilisiertes F und eine 1. Gut, ein F und eine 1 ergab auch schon das alte Logo, das 23 Jahre im verdienten Einsatz war. "Ich finde das alte Logo besser", sagte Vettel. "Ich denke, wir hatten schon ein kultiges Logo, das neue ist es nicht", urteilte Hamilton. "Ferrari oder Mercedes ändern ihr Logo ja auch nicht." Man merkt: Da will einer eine großartige Sportart noch großartiger machen, und es wird nur gemeckert.

Wo sind die Grid Girls?

Die Grid Girls sind verschwunden, vertrieben, verbannt aus der Startaufstellung. Und das möglicherweise sogar gerade noch rechtzeitig, bevor die "#MeToo"-Debatte unweigerlich auch das Fahrerlager der Formel 1 erobert hätte. Stattdessen gibt es nun Grid Kids, also Kinder, die beim Abspielen der Nationhymne neben den Fahrern stehen dürfen. Die Idee hat weltweit vermutlich ein paar Fans mehr als der Halo, blöderweise geben die sich am Rande des Großen Preises von Australien aber nicht zu erkennen. "Ich bin Traditionalist, deshalb bin ich ein bisschen traurig, dass es die Grid Girls nicht mehr gibt", sagte Vettel.

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In Melbourne werden nun Gerüchte gestreut, wie die Idee dafür geboren wurde. Die Ehefrau eines Vorstands bei Liberty Media soll sich während des Rennens in Austin beim Anblick der Grid Girls erschrocken haben - und zack, waren sie verboten. Angeblich ohne dass Liberty Media zuvor Rücksprache mit den Teams gehalten hatte. "Ich fand, dass die Grid Girls zur Formel 1 gehört haben", sagte Toto Wolff. "Vielleicht hätte man auch einen Kompromiss finden können. Indem sie besser in die Show integriert worden wären, indem eine Aufgabe gefunden worden wäre, bei der sie mehr hätten machen können, als nur die Startnummern zu halten." Genau das dürfen nun die Grid Kids. Die Mädchen und Jungs, sieben bis zehn Jahre alt, sollen mit den Fahrern reden.

Was soll die Startzeit 15.10 Uhr?

Statt wie bisher um 14 Uhr starten die Rennen in Europa um 15.10 Uhr. Ausnahmen bilden die Veranstaltungen in England und Frankreich. In Silverstone geht das Rennen wegen der Zeitverschiebung um 14.10 Uhr los, in Le Castellet um 16.10 Uhr, damit es keine zeitliche Kollision mit einem Spiel der Fußball-WM in Russland gibt. Selbstredend haben zuvor Analysen von Liberty Media ergeben, dass später am Nachmittag das Publikum größer ist. Die Verschiebung aller Rennen auf zehn Minuten nach voller Stunde soll bewirken, dass die TV-Sender zu voller Stunde auf Sendung gehen können - und trotzdem noch Zeit haben für einen kurzes Vorprogramm. Was soll man sagen? Die Startzeit 15.27 Uhr hätten sich die Zuschauer sicher noch schlechter merken können. Und was sagt Vettel, der Traditionalist? "Ich bin ein bisschen verwirrt, dass die Rennen später starten."

Neue Strafen und Reifen

Pirelli stellt künftig sieben Reifenmischungen zur Verfügung, nicht länger nur fünf. Neu dazu kommt der pink gefärbte "Hypersoft" und der orange gefärbte "Superhard". Der Hypersoft ist noch weicher als der "Ultrasoft" und damit fortan die weichste und schnellste Mischung im Boxenregal. Der Superhard wiederum ist noch härter als der "Hard", also der härteste Reifen. Reformiert wurde auf Wunsch der Freunde sinnvoller Mathematik das Strafensystem. Teilweise mussten Fahrer in den zurückliegenden Jahren theoretisch 45 Plätze am Start zurück rücken - bei nur 20 zu vergebenen Plätzen. Wer dann noch wo stand, wurde zum Rechenspiel. Am Rande des Rennens im italienischen Monza hatten Witzbolde im Vorjahr Landkarten im Internet verbreitet, auf denen Fernando Alonso sein Auto wegen einer 35-Plätze-Strafe in Neapel parkte.

Damit ist nun Schluss. Jeder Fahrer, der 15 und mehr Positionen zurückversetzt wird, kommt nun ans Ende des Feldes. Betrifft das mehr als einen Fahrer, wird die Reihenfolge nach der zeitlichen Abfolge der verhängten Strafen festgelegt. Dafür dürfte es Strafen noch schneller geben als im Vorjahr: Nur noch drei Motoren dürfen über das Jahr hinweg eingesetzt werden. 2017 waren es vier. Bei 21 zu fahrenden Rennen muss ein Motor für je sieben WM-Läufe halten. Die Erfahrung lehrt, das wird knapp.

© SZ vom 24.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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