Formel 1:Sein Motor treibt Alonso in den Wahnsinn

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"Nächstes Jahr wird ein glückliches Jahr": Für Fernando Alonso wird es schwierig sein Versprechen zu halten, das er Ende Juli gegeben hatte.

(Foto: dpa)
  • Zehn Punkte aus zwölf Rennen, Platz 15 in der Gesamtwertung: Der zweifache Weltmeister Fernando Alonso erlebt eine frustrierende Saison.
  • Der Motor seines McLaren-Honda ist unzuverlässig. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Alonso eine Scheidung von den Ingenieuren provoziert.
  • Denkbar wäre ein Wechsel Alonsos zum Williams-Team - oder dass McLarens Bosse Alonso davon überzeugen, dass Honda künftig bessere Motoren liefert.

Von Philipp Schneider, Spa-Francorchamps

Yusuke Hasegawa, 53, aus Tokio, ist ein freundlicher Mann. Wenn er auf die Bühne tritt, lächelt er. Wenn er auf der Bühne sitzt, lächelt er. Und das Letzte, was man von ihm sieht, bevor er den Raum wieder verlässt, das ist sein Lächeln. Dazu passt vorzüglich, dass der freundliche Yusuke Hasegawa, wie es in Japan, einem Land mit viel Sinn für Etikette, üblich ist, überall auf dem Planeten in der japanischen Höflichkeitssprache angesprochen wird - ganz gleich, wo er gerade mit der Formel 1 unterwegs ist: Hasegawa-san, was ist da nur los mit Ihrem Motor? Hasegawa-san, warum qualmt es denn ständig aus Ihren Rennwagen? Und dann windet sich Hasegawa-san mit dem Lächeln eines stolzen Mannes, für den es nur noch darum geht, halbwegs das Gesicht zu wahren.

Ihren komödiantischen Reiz erfahren Begegnungen mit dem Motorenchef von Honda dadurch, dass Yusuke Hasegawa aus Sicht aller japanischen Ingenieure seit geraumer Zeit sozusagen in einem Zustand der Schande lebt, die seine offen zur Schau getragene Freundlichkeit geradezu zu konterkarieren scheint. Er ist nämlich verantwortlich für den zugleich unzuverlässigen und schwächlichen Motor, der unter dem traditionell vorzüglichen Chassis von McLaren verbaut wurde - und der den zweimaligen Weltmeister Fernando Alonso in den Wahnsinn treibt.

Es gilt als gesichert, dass Honda Nachhilfe von Mario Illien erhält

Zehn Punkte aus zwölf Rennen, Platz 15 in der Gesamtwertung - und nun hat Alonso auch noch dieses erniedrigende Rennen in Spa erlebt, das er ja unstrittig bereichert hat mit seinem untrüglichen Gespür für lakonische Pointen. Von Platz zehn aus sauste er nach dem Start zunächst drei Positionen nach vorne, ehe er mangels Geschwindigkeit nach und nach durchgereicht wurde an das Ende des Feldes.

Und über jeden einzelnen Platz beschwerte er sich beim Personal in seiner Box. "Peinlich, wirklich peinlich" sei das, teilte Alonso zunächst mit. "Kein Gefunke mehr für den Rest des Rennens!", funkte er entnervt von Platz 15, meldete sich dann aber doch noch mal. Ihm sei alles egal, seine gegenwärtige trostlose Rennfahrerexistenz lediglich ein "Test". Schließlich fuhr Alonso an die Box und stieg zur Überraschung des Personals aus dem Auto. Er hatte ein Motorenproblem gewittert, das Hasegawa nicht verifizieren konnte. "Wir haben ihn vorsichtshalber reingeholt, ohne dass wir etwas in den Daten gesehen haben."

Es ist ja wahrlich nicht ausgeschlossen, dass der stolze Spanier seine Scheidung von den japanischen Ingenieuren provozieren könnte. Höchstwahrscheinlich hatte sein Motor in Spa keine besonderen Macken. Der Motor war einfach nur schlecht wie immer. Alonsos Teamkollege Stoffel Vandoorne, der immerhin die Zielflagge sah, klagte ebenfalls: "Wir hatten keine Chance, jemanden zu überholen, und keine Möglichkeiten uns dagegen zu wehren, überholt zu werden. Wir sind einfach auf der Geraden kleben geblieben." Nun klebt Alonso nicht gerne auf der Geraden. Er bekommt dann richtig miese Laune. Und an seine Gemütslage ist jene Kausalkette geknüpft, die festlegt, wer in der kommenden Saison in welchem Auto sitzen wird. Hasegawa und seine Ingenieure werden also zu Schlüsselfiguren in der Formel 1, in der alles mit allem zusammenhängt.

Seit klar ist, dass Sebastian Vettel bis Ende 2020 bei Ferrari bleiben wird, kann sich der Rest des Fahrermarktes sortieren. Bis zum Bekenntnis des viermaligen Weltmeisters hielten sich die Teams und Fahrer mit Entscheidungen zu ihrer Zukunft zurück. Vorher gab es ja noch die unwahrscheinliche Möglichkeit, dass bei der Scuderia ein Cockpit frei werden würde. Kimi Räikkönen hat verlängert, Lewis Hamilton hat bei Mercedes noch einen Vertrag bis Ende 2018. Und auch sein Kollege Valtteri Bottas wird wohl bleiben. "Wir arbeiten an den Papieren", sagte Motorsportchef Toto Wolff.

Für Alonso wird es zunehmend schwieriger, sein Versprechen zu halten, das er Ende Juni gegeben hatte: "Wie immer ich mich entscheide, ich werde 2018 Rennen gewinnen. Nächstes Jahr wird ein glückliches Jahr." Bei den Topteams Mercedes, Ferrari und Red Bull wird Alonso nicht unterkommen. Für Renault wiederum ergibt eine Verpflichtung des kostspieligen Spaniers zumindest in naher Zukunft kaum Sinn, wenn der Rennstall alle Ressourcen nutzen möchte, um die technische Entwicklung voranzubringen.

Zwei Varianten sind denkbar für Alonsos Zukunft

Möglich wären also zwei Varianten, wie Alonso nach Silvester ein glückliches Jahr erleben könnte: Denkbar wäre ein Wechsel Alonsos zum Williams-Team, für das Mercedes die Motoren liefert und nicht Honda. Dort ist neben dem Routinier Felipe Massa, 36, noch der Rookie Lance Stroll, 18, als Fahrer beschäftigt. Als Pay-Driver bringt der Milliardärssohn Stroll viel Geld ins Team, was ihm einen halbwegs sicheren Job verschafft. Massa dagegen hatte sich in den Ruhestand verabschiedet und war nach dem spontanen Wechsel von Bottas zu Mercedes als Nachfolger des entlaufenden Nico Rosberg für ein Jahr reaktiviert worden.

Oder McLarens Boss Zak Brown gelingt es, Alonso davon zu überzeugen, dass Hasegawa und sein Team in der nächsten Saison endlich Motoren liefern, mit denen der Spanier standesgemäß flott rollen kann. Alonso und Vandoorne haben in Spa überarbeitete Motoren eingebaut bekommen.

Allerdings ließen schon die ungewöhnlichen Bezeichnungen der neuen Version darauf schließen, dass die Updates die Fahrerkollegen nicht in Schrecken versetzen würden: Alonsos Motor wird als Ausbaustufe "3.5" gehandelt, Vandoornes erhält die Versionsnummer "3.6". "Wir wollten hier die Ausbaustufe 4 bringen, aber das ist uns nicht gelungen", gestand Hasegawa-san in Spa. Und ihm gelang mal wieder das Kunststück, eine Bankrotterklärung mit derart großer Würde vorzutragen, dass er seine Zuhörer in einen Zustand der Begeisterung versetzte. Es sei ja so: "Wir konnten den Zeitplan nicht einhalten und haben nur ein halbes Upgrade geschafft."

Es gilt als gesichert, dass Honda nun Nachhilfe von Mario Illien erhält, dem Motorenspezialist, der vor zwei Jahren den Renault-Motor verbesserte, mit dem Red Bull unzufrieden war. Er hoffe, Alonso werde bleiben, sagte Teamchef Brown, er sei diesbezüglich optimistisch, nicht zuletzt wegen eines "guten Frühstücks" mit dem Spanier. Allerdings war das Frühstück schon am Samstag.

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