Formel 1: Testfahrten in Valencia:Vettels Evolution

"Vollgepumpt mit Lust": Sebastian Vettel will seinen WM-Titel verteidigen, das neue Auto scheint auf Anhieb zuverlässig. Der Weltmeister fürchtet dennoch eine schwierige Saison.

Elmar Brümmer, Valencia

An der Ausfahrt zum Circuito Ricardo Tormo warnt ein Schild: Achtung, Baustellenfahrzeuge! Der Hinweis hat auch weiter unten in der Talsenke seine Berechtigung, wo die Formel1 sich erst langsam warm fährt. Alle Teams sind da, aber noch nicht alle mit den Fahrzeugen, die dann im Grand Prix zu sehen sein werden. Vier halbe Wochen darf getestet werden, ehe am 13. März in Bahrain die mit 20 Rennen längste Saison der Geschichte beginnt.

F1 Testing in Valencia - Day Two

Tag zwei in Valencia: Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel.

(Foto: Getty Images)

Das spanische Motodrom erlebt die Premiere einer komplett neuen Fahrzeuggeneration. Vieles ist ungewiss, von den neuen Pirelli-Reifen über die drastisch veränderte Aerodynamik mit verstellbarem Heck-flügel bis zur Rückkehr des Zusatzschubes, den das Energie-Rückgewinnungssystem Kers bringt. Es eilt also. Vor allem die Top-Teams wollen keinen Kilometer ungenutzt lassen.

Selbst der ewige Tüftler Adrian Newey, Schöpfer der beiden zuletzt so genialen Red-Bull-Rennwagen, traut sich früher aus dem Windkanal als sonst. Die sonst gern zum Event stilisierten Fahrzeugenthüllungen werden im Galopp durchgezogen. Jeder fährt, so viel er kann. Wenn er denn kann - vor allem der neue Mercedes leidet noch unter technischen Kinderkrankheiten.

Für Sebastian Vettel ist es die erste Ausfahrt mit der Startnummer eins, die er gewohnt kalauernd bewältigt: "Die Zahl ist ganz schön, aber sie macht mich nicht schneller." Das wäre auch noch schöner. Am ersten Testtag absolviert der Weltmeister 93 Proberunden und nimmt auf der ersten Bestenliste des Rennjahres mit deutlichen 0,784 Sekunden Vorsprung auf Fernando Alonsos Ferrari einen standesgemäßen Platz ein. Am Mittwochmorgen absolvierte Vettel dann noch einmal 43 Runden, bevor er das Lenkrad seinem Teamkollegen Mark Webber überließ. Bis dahin war wieder keiner schneller.

Zwar sind solche Ergebnisse mit Vorsicht zu genießen, da Entwicklungsprogramme und Tankmengen keine wirklichen Vergleiche erlauben. Dass Red Bull wieder der Maßstab sein wird, daran zweifelt im Fahrerlager aber keiner, auch wenn Adrian Newey lediglich von einer "Evolution" des Sieger-Autos des Vorjahres spricht.

"Geniestreiche sind sehr schwer", sagt der Brite: "Sollte der Konkurrenz einer einfallen, werden wir reagieren." Der RB7 ist schlank und kompakt zugleich. Den üblichen weiblichen Spitznamen hat Sebastian Vettel seinem Gefährt noch nicht verpasst.

"Schwieriger als 2010"

In lediglich zehn Wochen ist der Rennwagen vollendet worden, mit dem Fahrer- und Konstrukteurstitel verteidigt werden sollen: "So wenig Zeit hatten wir noch nie", sagt Teamchef Christian Horner. Nicht ganz drei Monate ist der Triumph von Abu Dhabi her, aber Sebastian Vettel strotzt nur so von Selbstbewusstsein. Kollege Webber, bis zum Final-Drama der eigentliche WM-Favorit des Teams, wirkt beim ersten gemeinsamen öffentlichen Auftritt nur wie Accessoire.

Aus Vettels ganzem Habitus spricht das beschleunigte Selbstbewusstsein. Auch dann noch, als er den gelungenen Einstand zu relativieren versucht: "Man darf noch nicht zu viel hineininterpretieren. Was am Anfang entscheidend ist, ist die Zuverlässigkeit. Aber da kann man nicht viel besser machen. Wir konnten so viele Runden fahren wie noch nie. Das ist ein gutes Zeichen", sagt er.

Seinen Stil hat der Champion nicht verändert, seine charmante Koketterie wird lediglich um die Gewissheit bereichert, dass ihm das Erreichte niemand mehr nehmen könne: "Das fühlt sich immer noch ziemlich gut an", sagt der 23-Jährige, was wie ein Klischee klingt. Aber die innere Zufriedenheit und der ungekannte Reiz, jetzt ein Gejagter zu sein, bilden so etwas wie das Neue Ying und Yang des Weltmeisters.

"Wir sind vollgepumpt mit Lust, den Titel zu verteidigen", sagt Vettel, "aber es wird nicht reichen, einfach da weiterzumachen, wo wir aufgehört haben. Es wird in dieser Saison eher noch schwieriger als 2010." Vorrangiges Ziel: früher und zuverlässiger punkten als 2010.

Die persönliche Motivation hat auch etwas mit der Dekoration seines Bauernhofs in der Schweiz zu tun: "Man hat mir bei der Siegerehrung gesagt, dass die WM-Trophäe ein Wanderpokal ist und man sie zurückgeben muss. Also muss ich dieses Jahr wirklich Gas geben, damit er bei mir zu Hause bleibt."

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