Formel 1: Sebastian Vettel:Die Jäger schleichen sich an

Platz vier am Nürburgring hat den WM-Führenden Sebastian Vettel nachdenklich gemacht: Hält die Frühform? Vettel wirkt wie ein Getriebener, der den Atem der Verfolger nicht mehr nur im Nacken spürt. Es sieht so aus, als könnte Vettel der Wind bald ganz schön kalt ins Gesicht blasen.

René Hofmann

Sebastian Vettel gewinnt gerne. Nicht nur, weil es dafür WM-Punkte gibt. Der 24-Jährige sammelt Trophäen. Und die, die es beim Großen Preis von Deutschland gab, war tatsächlich etwas Besonderes: eine Werbebotschaft. Für ihre Erfolge auf dem Nürburgring bekamen Sieger Lewis Hamilton, der Zweite Fernando Alonso und der Dritte Mark Webber silberne Trophäen überreicht, die dem Logo des Titelsponsors des Rennens nachempfunden waren, einer spanischen Bank.

Formel 1: Sebastian Vettel: Die anderen Team kommen immer näher an Red Bull heran: Sebastian Vettel fährt am Nürburgring knapp vor Felipe Massa und Nico Rosberg.

Die anderen Team kommen immer näher an Red Bull heran: Sebastian Vettel fährt am Nürburgring knapp vor Felipe Massa und Nico Rosberg.

(Foto: AFP)

Vettel ging erstmals in diesem Jahr leer aus, was ihm gar nicht gefiel. "Das ist natürlich alles andere als befriedigend, aber wir müssen akzeptieren, dass heute andere schneller waren", sagte der Red-Bull-Fahrer. Vierter. Zum zweiten Mal nacheinander bezwungen.

Auch, wenn er die WM-Wertung immer noch mit 77 Punkten Vorsprung vor seinem Teamkollegen Webber anführt, Hamilton sogar 82 Punkte zurück ist und Alonso sogar deren 86 - das Ergebnis des Heimrennens wirft doch einige Fragen auf. Die spannendste lautet: Ist die Formschwäche eine Momentaufnahme oder ein Trend?

Vettel weiß es selbst nicht. Aber dass Sorgen keimen, lässt sich aus seinen Äußerungen lesen. "Ich bin ganz bestimmt nicht glücklich", sagt er, "beim nächsten Mal muss ich zurückschlagen." Das nächste Rennen findet bereits am kommenden Wochenende statt, in Budapest. Viel Gelegenheit, um neuen Schwung zu holen, bleibt nicht. "Es sieht so aus, als ob McLaren und Ferrari schneller und schneller werden. Deshalb müssen wir härter an unserem Auto arbeiten und es verbessern, um aufs Podium zurückzukehren und vielleicht wieder auf der höchsten Stufe zu stehen", fordert Vettel.

Weiter, immer weiter! Da spricht ein Getriebener, der den Atem der Verfolger nicht mehr nur im Nacken spürt. Es sieht so aus, als könnte Vettel der Wind bald ganz schön kalt ins Gesicht blasen. Von den ersten sechs Saisonrennen hatte er fünf gewonnen, bei den letzten vier triumphierte er dagegen bloß noch einmal.

"Ich glaube, dass uns hier nicht nur die Bedingungen entgegengekommen sind", meinte Lewis Hamilton nach der Hatz durch die unerwartet kalte Luft, nach der er mit Freudentränen kämpfte und sich gleichzeitig martialisch gab. Er und McLaren seien nun "zurück im Kampf".

Freche Töne der Gegner - und des Teamkollegen

Noch frechere Töne spuckte Ferrari-Fahrer Fernando Alonso, der Vettel in der zehnten Runde in einem Positionskampf ziemlich langsam hatte aussehen lassen. Zweiter in Valencia, Sieg in Silverstone, Zweiter auf dem Nürburgring - keiner hat in den jüngsten drei Rennen mehr Punkte geholt als der Spanier. Kein Wunder, dass er frohlockte: "Konstant Erster und Zweiter auf drei ganz unterschiedlichen Strecken bei ganz unterschiedlichen Temperaturen - das bringt uns in eine gute Position, um die zweite Saisonhälfte genießen zu können."

Bereits am Samstag, nach Webbers Qualifikationsfahrt zum besten Startplatz, hatte Alonso geunkt: "Am Anfang waren die Red Bulls bei manchem Rennen eine Sekunde vor uns. Jetzt sind es nur Zehntelsekunden." Das erhöhe den Druck. Und mit dem steige die Fehlerquote.

Eine Theorie, die der Sonntag bestätigte: Früh im Rennen kam Vettel auf einem feuchten Randstein einmal ins Schleudern, was ihm die Chance auf eine Podiumsplatzierung kostete. Schon warnt sein Kompagnon Webber: "Fernando ist ein weiser, alter Fuchs, mit dem in den nächsten zwei Rennen auf jeden Fall zu rechnen sein wird." Die Jäger, sie schleichen sich an.

"Mark, ich und Fernando waren Runde um Runde stets nur eine Zehntelsekunde auseinander", war Lewis Hamilton aufgefallen. "Ich habe mich das ganze Wochenende nicht gut gefühlt und nie das Gleiche wie Mark aus dem Auto herausholen können", gab Vettel zu. Der Vergleich mit dem Teamkollegen offenbart am deutlichsten, was ihm dieses Mal abging: die perfekte Balance seines Sportgeräts; im Rennen kamen noch Bremsprobleme dazu.

Mark Webber, immerhin Zweiter der WM-Wertung, sieht beinahe schon mit einem apokalyptischen Blick auf die neun Rennen, die bis Ende November noch anstehen: "Das hat sich in den letzten zwei Rennen schon zusammengebraut, und wir müssen darauf schnell eine Antwort finden. Man muss kein Einstein sein, um auszurechnen, dass wir harte Arbeit vor uns haben", sagt der Australier. "Das ist das zweite Rennen, in dem wir geschlagen wurden", stellt er fest und stellt eine rhetorische Frage: "Ob das unsere Form für die zweite Saisonhälfte bestimmt? Schwer zu sagen."

Ein wenig erinnere ihn die Situation ans vergangene Jahr, als Red Bull einen überlegenen Wagen hatte, der aber immer wieder durch Unzulänglichkeiten zurückgeworfen wurde. Erst im Finale war Sebastian Vettel deshalb knapp zum Titel gekommen. "Damals waren wir wahrscheinlich sogar noch überlegener", sagt Mark Webber und setzt noch eine Spitze, die zeigt, wie schnell der Respekt sinkt, sobald die Trophäen ausbleiben: "Seb hatte dieses Jahr einfach nur einen guten Lauf."

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