Formel 1:Rosberg spaziert durchs Land der Drachen

European F1 Grand Prix

Nico Rosberg legte in Baku mit einem fulminanten Spurt gleich auf den ersten Runden einen so großen Abstand zwischen sich und seine Verfolger, dass diesen sich nie eine Chance bot, einen Angriff zu starten.

(Foto: Getty Images)

Schon nach dem Start ist der Mercedes-Pilot in Baku kaum noch einzuholen. Am unterhaltsamsten sind noch die schimpfenden anderen Fahrer.

Von René Hofmann

Das Pendel ist wieder zurückgeschwungen. Vier Siege in Serie, gefolgt von drei Enttäuschungen: So lautete die Saisonbilanz von Formel-1-Fahrer Nico Rosberg bis zu diesem Sonntag. An diesem fand der 30-Jährige zurück in die Erfolgsspur. Der Mercedes-Fahrer gewann das erste Formel-1-Rennen in Baku/Aserbaidschan, das als Großer Preis von Europa ausgeflaggt war, vor Sebastian Vettel im Ferrari und Force-India-Pilot Sergio Perez.

Rosbergs ärgster Gegner im Kampf um den WM-Titel, sein Mercedes-Kollege Lewis Hamilton, musste mit einer Enttäuschung klarkommen: Der Titelverteidiger durfte nach einem Fahrfehler im finalen Qualifikationsdurchgang lediglich als Zehnter an die Startampel. Von dort aus hatte Hamilton Mühe, sich durchs Feld zu wühlen. Am Ende wurde er Fünfter. Zum ersten Mal seit dem Großen Preis von Russland am 1. Mai holte Rosberg wieder mehr Punkte als Hamilton. Vor dem neunten Rennen der Saison, das am 3. Juli in Spielberg/Österreich gestartet wird, trennen die beiden 24 Punkte. Rosberg liegt mit 141 Zählern in Front. In diesem Jahr wurde noch kein anderer am ersten Platz geführt.

"The speed is higher in the land of fire"

"Das war herausragend", freute sich Rosberg am Funk, als er über die Ziellinie jagte. Vom Kommandostand kam ein wortgleiches Lob zurück: "Herausragend!" Nach den turbulenten Starts in Barcelona (wo Hamilton und Rosberg kollidiert waren), in Monte-Carlo (wo es immer drunter und drüber geht) und in Montréal (wo Vettel Hamilton und Rosberg übertölpelt hatte und die beiden Mercedes-Mannen sich touchiert hatten), schritt Mercedes-Teamchef Toto Wolff lediglich mit einem Wunsch in die Startaufstellung: Seine Fahrer sollten bitte, bitte mit heilen Autos aus der ersten Kurve biegen!

Sowohl Hamilton wie auch Rosberg taten Wolff dieses Mal den Gefallen: Als die Startampel erlosch, passierte an der Spitze dieses Mal so gar nichts Turbulentes. Rosberg zog von der Pole-Position tadellos und unbedrängt weg und ging souverän in Führung. Dahinter hielten sich Daniel Ricciardo im Red Bull, Sebastian Vettel und sein Ferrari-Teamkollege Kimi Räikkönen zunächst sklavisch an die Reihenfolge der Startaufstellung. So wenig Schrott und Rauch auf den ersten Metern war schon lange nicht mehr.

"The speed is higher in the land of fire": Mit markigen Sprüchen auf Hochhaus-großen Plakaten hatten die Veranstalter für den Grand Prix geworben, für den der aus Aachen stammende Streckenbauer Herman Tilke einen abwechslungsreichen Kurs in die Stadt gelegt hatte. Extrem lange Geraden und extrem enge Kurven, die nahe an historischen Mauern vorbeiführen: Der Mix ist einmalig.

Extreme Geschwindigkeiten, einige Engpässe

In der Qualifikation hatte die ungewöhnliche Streckenführung dazu beigetragen, dass es Überraschungen gab - und einen Geschwindigkeitsrekord: Auf dem 2,2 Kilometer langen Vollgasstück in Richtung Start und Ziel erreichte Williams-Fahrer Valtteri Bottas im Windschatten von Red-Bull-Chauffeur Max Verstappen 378 km/h. Damit übertraf der Finne die vorherige Bestmarke deutlich; diese lag bei 369,6 km/h, aufgestellt vom Brasilianer Antonio Pizzonia im Jahr 2004 ebenfalls in einem Williams beim Großen Preis von Italien in Monza.

Extreme Geschwindigkeiten, kaum Auslaufzonen, einige Engpässe: In der Rahmenserie GP2 hatte es zahlreiche Unfälle gegeben, immer wieder war das Safety Car gekreist. Kein Wunder, dass nicht nur Nico Rosberg als Vorbereitung auf den Großen Preis die Aufzeichnung des Auftritts der Vorgruppe ganz genau studiert hatte. Die meisten Teams bezogen die Möglichkeit, dass sich das Safety Car mindestens einmal zeigen würde, in ihre Taktik-Überlegungen ein. Die Rechnung aber ging nicht auf. Die Formel-1-Lenker zeigten sich als echte Fachkräfte: Kaum einem unterlief ein Fehler. Das Rennen blieb weitgehend unspektakulär.

Hamilton beklagt sich

Rosberg legte mit einem fulminanten Spurt gleich auf den ersten Runden einen so großen Abstand zwischen sich und seine Verfolger, dass diesen sich nie eine Chance bot, einen Angriff zu starten. Ohne Rad-an-Rad-Duelle ging es dahin, nicht nur an der Spitze: Auch dahinter gab es nur wenige spektakuläre Manöver.

Am unterhaltsamsten war es, den unzufriedenen Fahrern beim Schimpfen am Funk zuzuhören: Kimi Räikkönen grollte zornig, dass Hinterbänkler ihm konsequent im Weg stünden und dass er mit seinem Dienstwagen wieder einmal nicht zufrieden war. Kurz vor dem Ziel musste der Finne, dem wegen der Linienwahl bei einer Boxeneinfahrt ohnehin noch eine Zeitstrafe drohte, vor den Augen von Ferrari-Chef Sergio Marchionne dann den Mexikaner Sergio Perez passieren lassen.

Lewis Hamilton führte Klage, irgendeiner der vielen Drehregler an seinem Volant stehe wohl im falschen Modus. Als er vom Kommando gesagt bekam, dafür gebe es keinerlei Indizien, wollte der Brite das partout nicht glauben. Er flehte, man möge ihm doch bitte sagen, was er tun solle. Das aber erlaubt das Reglement nicht; seit diesem Jahr ist es den Teams nicht mehr gestattet, Fahrhilfen ins Cockpit zu übermitteln. Bebend vor Ungeduld drohte Hamilton daraufhin: Er werde jetzt einfach mal an allen verfügbaren Knöpfen drehen. "Das empfehlen wir nicht!", hallte es zurück. Der kurze Dialog ließ ahnen, wie sehr es in dem Champion der Jahre 2008, 2014 und 2015 arbeitete.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: