Formel-1-Rennen in Malaysia:"Grazie, grazie, grazie"

Ein Triumph über alle Zweifler: Sebastian Vettel glückt schon im zweiten Rennen für Ferrari der erste Sieg. Der viermalige Weltmeister ist überrascht darüber, dass er die Scuderia so schnell beflügeln kann.

Von René Hofmann, Sepang/München

Im Augenblick des Triumphs hat Sebastian Vettel die Geschichte noch einmal erzählt: wie es war, als sich das Tor am Ferrari-Hauptquartier öffnete. "Seitdem sich die Pforte in Maranello das erste Mal geöffnet hat, fühle ich mich zu Hause", sagte er. Als Teenager hatte er einst an der Teststrecke ausgeharrt, um durch den Zaun einen Blick auf die roten Autos zu erheischen. Nun also ist er mitten drin im roten Reich, dem Mythos des Rennsports. Mehr noch: Sebastian Vettel steht jetzt dort selbst im Zentrum.

Schon im zweiten Rennen für Ferrari glückte Vettel der erste Sieg. Beim Großen Preis von Malaysia in Sepang distanzierte der 27-Jährige die favorisierten Mercedes-Männer Lewis Hamilton und Nico Rosberg. Ein überraschender Triumph, sogar für Vettel: "Ich habe nicht erwartet, so früh zu gewinnen", gab er zu. Der Schlüssel zum Erfolg war eine riskante Strategie. Vettel stoppte nur zweimal, um neue Reifen aufziehen zu lassen. Hamilton und Rosberg suchten ihr Glück mit einem Satz Pneus mehr. Eine frühe Safety-Car-Phase half Vettel, aber leicht war die Erfolgsfahrt deshalb nicht. "Ich wusste, dass ich liefern muss", sagte Vettel: "Ich musste meine Reifen so lange wie möglich am Leben halten."

Rennfahrer sind vermutlich die am besten durchleuchteten Sportler. Jede Bewegung wird von der Telemetrie registriert und sofort an den Kommandostand übermittelt. Schon bevor sie ihre Autos auf die Strecke lenken, haben Hochleistungsrechner ermittelt, welche Rundenzeiten möglich sind. Den Druck, das Erwartete liefern zu müssen - in diesem Metier ist er sofort präsent. Und doch: Bei Vettel war er immer noch ein wenig größer. Weil er der Konkurrenz so früh davonfuhr.

Als er 2007 als 19-Jähriger sein Formel-1-Debüt bei BMW gab, fragten viele: Wieso darf der Jüngling ran und nicht der wesentlich erfahrener Timo Glock? Vettel überzeugte. Als er später im Jahr von Toro Rosso als Stammfahrer verpflichtet wurde, tauchten wieder Zweifel auf. Vettel überzeugte. Mit der Außenseiter-Equipe glückte ihm 2008 in Monza der erste Sieg. Als er daraufhin von Red Bull zur Galionsfigur des großen Teams der Firma befördert wurde, hieß es: Schafft er das? So jung einen so großen Rennstall anzuführen? Vettel überzeugte. Nach einem Jahr Anlauf wurde er viermal Weltmeister in Serie (2010 bis 2013). Alle Zweifel konnte er dennoch nicht beseitigen. Stellvertretend ätzte Fernando Alonso: Vettel gewinne nur, weil er im besten Auto sitze.

Der Wechsel zu Ferrari schien deshalb gewagt zu sein. Die Italiener hatten in der vergangenen Saison, das belegt die Konstrukteurswertung, nur das viertbeste Formel-1-Auto. Vettel aber brachte offenbar ganz flott neuen Schwung ins Traditionsteam. "Fantastico! Numero uno is back! Ferrari is back! Grande Seb!", bekam er ins Cockpit gefunkt, nachdem er die Ziellinie in Malaysia als Erster passiert hatte. Und Vettel funkte erleichtert zurück: "Grazie, grazie, grazie, grazie."

Offenbar haben sich da zwei Geplagte gefunden. Für Ferrari war es der erste Triumph seit dem Grand Prix von Barcelona im Mai 2013. Für Vettel war es der erste seit dem Saisonfinale 2013 in Brasilien. Eine Genugtuung dürfte es für ihn gewesen sein, dass er auf dem Weg ins Ziel den Australier Daniel Ricciardo überrunden konnte, der ihn vorige Saison als Teamkollege bei Red Bull häufiger distanzieren konnte. Eine Überrundung als kleine Zugabe .

Trips, Schumacher, Vettel: Drei deutsche Ferrari-Sieger

Sebastian Vettel ist der dritte Deutsche, der für Ferrari ein Formel-1-Rennen gewonnen hat. Zuvor war dies Michael Schumacher und Wolfgang Graf Berghe von Trips gelungen. Kurt Adolff und Hans Stuck, die sich Anfang der fünf-ziger Jahre im Ferrari versuchen durften, blieben dagegen ohne größeren Erfolg.

Fahrer: Ferrari-Zeit/Rennen/Siege

Michael Schumacher: 1996-2006/179/72

Wolfgang G. B. v. Trips: 1957-1961/ 25/ 2

Sebastian Vettel: seit 2015/ 2/ 1

"Vettel ist nicht mehr langweilig", sagt Niki Lauda, der Aufsichtsrat bei Mercedes

"Me hawwe se ferdisch gemachd!" Auch diesen Satz sagte Vettel am Sonntag, es war ein bissiger Gruß in der Mundart seiner südhessischen Heimat Heppenheim. Und er galt nicht nur für die Gegner. Er galt global: Er hatte es allen gezeigt, weltweit. In der Zeit, als Vettel im Red Bull noch von Sieg zu Sieg eilte, war er auf dem Podium ab und an ausgepfiffen worden. Gerade in Monza, wo sich besonders viele besonders heißblütige Ferrari-Tifosi versammeln. Aber auch in Singapur, wo Italiener nicht wirklich den Ton angeben. Vettel, der glückliche Abstauber-König - so sahen ihn nicht wenige. Dieses Zerrbild könnte in dieser Saison endgültig korrigiert werden. "Vettel ist nicht mehr langweilig", sagte Niki Lauda. Selbst der Aufsichtsratschef des Formel-1-Teams von Mercedes räumte ein: "Das ist ein sehr gutes Resultat für die gesamte Formel 1."

Anders als Michael Schumacher hat sich Sebastian Vettel stets respektvoll an den Traditionen dieser Sportart orientiert. Ihm war klar, welche gewaltige Chance sich durch den Wechsel nach Maranello ergeben würde. Und welches Risiko gleichzeitig darin lag. Nirgendwo sonst lässt sich mehr Glanz sammeln als bei den Roten. Nirgendwo kann man in der Formel 1 spektakulärer scheitern. Nicht nur der Sieg von Malaysia dürfte Vettel deshalb Auftrieb geben. Auch die Tatsache, dass er seinen Teamkollegen Kimi Räikkönen erneut klar hinter sich ließ, ist wichtig. Der 35-Jährige wurde nach einer Enttäuschung in der turbulenten Qualifikation Vierter. Der Anführer der wiedererstarken Scuderia ist nun eindeutig der Deutsche, der vertraglich zunächst bis 2017 gebunden ist; nicht der Finne, dessen Kontrakt ausläuft.

"Da werden mehrere Kindheitsträume wahr", beschrieb Vettel seine Befindlichkeit. Und wie gut es um diese bestellt war, verrieten weitere Details. Auf Italienisch sagte Vettel weiter "Danke": "grande gara", "bella macchina" - ein tolles Rennen, ein großartiges Auto. Und erstmals erwähnte er in der Öffentlichkeit seine Freundin und seine Tochter und entschuldigte sich indirekt bei beiden: Im vergangenen Jahr sei es nicht immer leicht mit ihm gewesen, erzählte er. Nun ist aber eindeutig Besserung in Sicht.

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