Formel 1:Red Bull patzt: vier Mann, kein Reifen

Formula One - Monaco Grand Prix - Monaco

Entscheidende Szene: Lewis Hamilton blockiert, nachdem er eine Schikane ausgelassen hat, Red-Bull-Verfolger Daniel Ricciardo, bleibt deshalb aber unbehelligt und eilt weiter zum Sieg.

(Foto: Eric Gaillard/Reuters)

Von René Hofmann

Lewis Hamilton musste lange warten auf diesen Moment. Bei den ersten fünf Rennen dieser Formel-1-Saison durfte der Titelverteidiger nie auf die höchste Stufe des Siegertreppchens. Nun aber, beim viel beachteten Großen Preis von Monaco, war es so weit. In Monte Carlo sieht das Siegerpodest zwar aus wie der schnöde Lieferantenaufgang zur Fürstenloge, aber das war dem Glamour-Freund Hamilton in diesem Moment egal.

Der Mercedes-Angestellte freute sich sichtlich über den hart erarbeiteten Triumph über Red-Bull-Lenker Daniel Ricciardo. Als Dritter durfte nach dem turbulenten Rennen Sergio Perez (Force India) mit zum Fürsten. Für Sebastian Vettel verlief der Nachmittag ähnlich enttäuschend wie für Nico Rosberg: Der Ferrari-Lenker wurde Vierter, Rosberg, der die WM-Wertung weiter anführt, gar nur Siebter, knapp hinter Nico Hülkenberg im zweiten Force India, der es mit einem Überholmanöver in der letzten Kurve auf Rang sechs schaffte.

Rosberg schlägt kein Tempo an

"Das war ein tolles Wochenende. Für solch einen Tag habe ich gebetet", sagte Hamilton nach dem 44. Formel-1-Sieg seiner Karriere, der ihn in der WM-Wertung bis auf 24 Punkte an Rosberg heranrücken lässt. Der Deutsche hatte im Rennen deutliche Probleme und konnte zum ersten Mal in diesem Jahr kein Tempo anschlagen, das für den Sieg nötig war. "Ich habe mich gefühlt wie auf rohen Eiern", beschrieb Rosberg sein Fahrgefühl, für das er keine Erklärung hatte. Mit der eigenen Leistung haderte im Ziel Sebastian Vettel. Der Ferrari-Gesandte steckte - trotz überlegener Reifen - lange in einer Gruppe fest. Die Zeit, die er dort verlor, fehlte ihm am Ende zum Sprung aufs Podium. "Das muss ich auf meine Kappe nehmen", räumte Vettel ein.

Zu Beginn des Großen Preises hatte es heftig geregnet. Aus Sicherheitsgründen war das Rennen deshalb hinter dem Safety Car gestartet worden, was Ricciardo gefiel: So konnte der Australier, der am Samstag die beiden Mercedes-Fahrer düpiert und erstmals in seiner Formel-1-Zeit die Pole-Position erobert hatte, sich seiner Führung sicher sein. Das Safety Car kreiste lange. Manche meinten: zu lange. Doch nachdem sich unter anderem Daniil Kwjat und Lewis Hamilton beschwert hatten, zeigte sich schnell, wie tückisch die Stadtpiste bei Nässe ist. Kaum war das Rennen frei gegeben, krachte der Brite Jolyon Palmer mit seinem Renault am Ende der Start- und Zielgeraden in die Leitplanken.

Renault-Motor beflügelt Ricciardo

Erst als die Aufräumarbeiten abgeschlossen waren, zeichnete sich allmählich ab, welche Autos und welche Fahrer an diesem Nachmittag in guter Form waren - und welche nicht. Ricciardo strebte an der Spitze auf und davon. Der neue Renault-Motor, der exklusiv in seinem Red Bull verbaut worden war, beflügelte den 26-Jährigen offensichtlich. Zwei Zehntelsekunden pro Runde spart das Aggregat, schätzen sie bei Mercedes. Schon zum nächsten Rennen, das am 12. Juni in Montréal gestartet wird, soll es die nächste Ausbaustufe geben, die dann noch einmal einen ähnlichen Schritt bringen soll.

Red Bull zurück in Siegform: dass es so weit kommen konnte, lag aber auch an der Formdelle der Favoriten. In der Qualifikation wurden Lewis Hamilton und Nico Rosberg durch Probleme mit den Benzintemperaturen zurückgeworfen. Im Rennen hatte Rosberg offensichtlich Mühe. Der Qualifikations-Zweite konnte das Tempo nicht mitgehen, das Ricciardo anschlug. Runde um Runde wuchs der Rückstand. Als er nach 17 Runden 14 Sekunden betrug, verloren die Mercedes-Gewaltigen am Kommandostand die Geduld: Sie befahlen Rosberg, den hinter ihm fahrenden Hamilton vorbei zu lassen. Rosberg gehorchte. Auf der steilen Anfahrt zum Casino ließ er Hamilton passieren. Unmittelbar danach drehte der Titelverteidiger auf. In nur drei Runden legte er mehr als 8,5 Sekunden zwischen sich und Rosberg. Die Jagd auf Ricciardo war eröffnet.

Hamilton als Trendsetter

Hamilton ging sie risikofreudig an. Als die Strecke abtrocknete, verzichtete er auf den Wechsel auf die Allwetter-Reifen. In Umlauf 31 ließ Hamilton gleich Slicks aufziehen. Damit war er ein Trendsetter. Als Ricciardo eine Runde später nachzog, wirkte die Red-Bull-Crew überrascht: Vier Mechaniker standen parat, aber keiner von ihnen hatte einen Reifen zur Hand. Bis die Pneus herbeigeschafft waren, war Hamilton vorbeigejagt und in Front gegangen. Ricciardo zürnte nach Rennende über die Szene: "Das ist Mist und tut weh. Sie haben mich reingeholt, also hätten sie auch fertig sein müssen. Ich dachte, ich bin heute der Schnellste unter allen Bedingungen, aber jetzt bin ich nur Zweiter."

Hamilton auf ultrasoften Slicks in Führung, unmittelbar dahinter Ricciardo auf etwas härteren Reifen: Damit war der Grundstock für einen prickelnden, langen Schlussspurt gelegt, der des abwechslungsreichen Rennens würdig war. Jolyon Palmer (Renault), Kimi Räikkönen (Ferrari), Daniil Kwijat (Toro Rosso), Kevin Magnussen (Renault), Max Verstappen (Red Bull), Felipe Nasr und Marcus Ericsson (beide Sauber) - die Liste der Havarierten war lang.

Ganz vorne beharkten sich Hamilton und Ricciardo ausgiebig. Einmal kürzte Hamilton in der Schikane am Ausgang des berüchtigten Tunnels ab und blockierte Ricciardo bei der Rückkehr auf die Strecke rüde. Der Red-Bull-Chauffeur echauffierte sich mächtig. Die Rennkommissare aber erhörten seine Proteste nicht. Hamilton durfte unbehelligt weiter fahren, was ihm die Chance auf den Sieg gab, die der 31-Jährige entschlossen nutzte. Makellos fuhr Hamilton seinen zweiten Monaco- Erfolg ein. Sein erster war ihm 2008 geglückt, in seinem zweiten Formel-1-Jahr, damals noch für McLaren-Mercedes.

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