Formel 1:Purer Druck lastet auf Vettel

Formel 1: "Wir denken nach vorn": In Ungarn will Sebastian Vettel im Ferrari wieder um den Sieg kämpfen.

"Wir denken nach vorn": In Ungarn will Sebastian Vettel im Ferrari wieder um den Sieg kämpfen.

(Foto: AFP)
  • Der Vorsprung von Sebastian Vettel in der WM-Wertung der Formel 1 ist gegenüber Lewis Hamilton auf einen Punkt geschrumpft
  • Mercedes ist in den vier Rennen seit dem letzten Ferrari-Sieg dem Kontrahenten enteilt - in WM-Punkten: 151 (Mercedes) zu 79 (Ferrari).
  • Auf dem langsamen Hungaroring muss Ferrari den Trend stoppen.

Von Elmar Brümmer, Budapest

Zwei Reifenschäden kurz vor Rennende, zweimal vorne links, das klingt nach einem Konstruktionsproblem. Bei Ferrari wären sie froh, wenn es so gewesen wäre, und wenn man einen Teil der Schuld an der Schmach von Silverstone auf den Reifenhersteller hätte abwälzen können. Nach den Untersuchungsergebnissen, die im Vorfeld des Großen Preises von Budapest am Sonntag vom Hersteller (Pirelli) veröffentlicht wurden, ist das aber kaum möglich: Sebastian Vettels enttäuschender siebter Platz vor zwei Wochen resultierte aus einem klassischen Reifenplatzer nach einem schleichenden Plattfuß.

Vermutlich wurde der Reifen durch ein Fremdteil aufgeschlitzt. Denn auch bei seinem Ferrari-Teamkollegen Kimi Räikkönen wurden Brüche durch äußere Einwirkung festgestellt, der Finne hatte durch den notwendigen Reifenwechsel seinen zweiten Platz verloren. Der Zufall als Erklärung? Das wird ungern akzeptiert in einem hoch technisierten und immer noch gefährlichen Sport. Doch in diesem kuriosen Fall ist es fast beruhigend für das italienische Team, dass es sich offenkundig um kein generelles Konstruktionsproblem bei Rennwagen oder Rennreifen handelt.

Sebastian Vettel, zuletzt ein Zweifler an praktisch allen offiziellen Stellungnahmen, nimmt die Erklärung hin. Allerdings hadert er immer noch mit den unterschiedlichen Prognosen zur Ausdauer der Reifen im Rennbetrieb. Bei Ferrari ziehe man aber jetzt die richtigen Schlüsse, glaubt Vettel: "Wir denken nach vorn." Diese Devise ist vermutlich auch eine bessere, als sich wilden Verschwörungstheorien hinzugeben. Die eigene, aggressive Fahrweise könnte schließlich auch zur Anfälligkeit der Gummis beigetragen haben.

Es ist eine Sehnsucht nach einem bisschen Sicherheit, denn kurz vor der Sommerpause der Formel 1 ist der Vorsprung von Vettel in der Fahrer-WM gegenüber Lewis Hamilton auf ein Pünktchen geschrumpft. Mercedes ist in den vier Rennen seit dem letzten Ferrari-Sieg dem Kontrahenten enteilt - in WM-Punkten: 151 (Mercedes) zu 79 (Ferrari). Auf dem langsamen Hungaroring muss Ferrari den Trend stoppen. Vettel, seit Mai sieglos, droht der Verlust der WM-Führung. Deshalb lässt er vor seinem 50. Rennen in einem Ferrari auch den unterschriftsreifen Vertrag liegen: "Ich habe gerade andere Sachen zu tun und konzentriere mich aufs Auto."

Beim Großen Preis von Ungarn muss sich zeigen, ob Mercedes bei den letzten vier Rennen einfach nur die Charakteristik der Rennstrecken entgegengekommen ist. Oder ob die Silberpfeil-Fraktion das anfangs als "Diva" gebrandmarkte eigene Auto in der Fahrzeugabstimmung endlich verstanden hat. Dann wäre es in der Tat eine Trendwende dahingehend, dass der Mercedes W08 auch in dieser Saison wieder das stärkste Auto ist. Es wäre ein herber Rückschlag für Ferrari, dass nach einer technischen Winterkur mit dem SF70H endlich das Auto hingestellt hatte, mit dem Vettel auf Titelkurs gehen konnte.

"Ich erwarte eine sofortige Reaktion", sagt der Ferrari-Chef

Auf dem engen und kurvigen Kurs vor den Toren Budapests sollten die Italiener nun ihre Zuversicht zurück erobern, denn dann folgen wieder zwei ultraschnelle Rennstrecken. Und auf denen ist die silberne Siegmaschine - so sie wieder den passenden Rhythmus hat - kaum mehr zu stoppen. In Silverstone war das Mercedes-Renntempo erstmals besser als das von Ferrari - um eine Sekunde pro Runde. Und das, obwohl die Scuderia mit einem Update des Antriebstrangs angetreten war.

Nach der jüngsten Dominanz von Hamilton bei seinem Heimrennen in Silverstone ("Ich fahre so gut wie nie!") ließ die Botschaft aus dem Fiat-Hauptquartier an Vettel und sein Team nicht lange auf sich warten. Ferrari-Chef Sergio Marchionne, der zum Abschied aus seinem Amt den WM-Titel fordert, gibt die Marschroute vor: "Wir können jetzt nicht wegen eines negativen Ergebnisses in Trauer verfallen, aber ich erwarte eine sofortige Reaktion. Ich weiß doch, dass ihr das gleiche Team seid wie zu Saisonbeginn und bin überzeugt, dass wir bald dort anschließen, wo wir schon waren." Das soll motivierend klingen, aber in Wirklichkeit ist es: der pure Druck.

Vettel gesteht Mercedes nur einen Vorteil in der Qualifikation zu. "Sie können den Motor aufdrehen und gewinnen dadurch auf den Geraden zwischen drei und sechs Zehntel. Das macht den großen Unterschied. Wir leiden zu sehr an den Samstagen. Wenn wir deshalb am Sonntag weiter hinten starten müssen, können wir das nicht jedes Mal wieder aufholen." Zuletzt stand Vettel im April beim Rennen in Sotschi/Russland auf einer Pole-Position.

Ferrari arbeitet fieberhaft daran, seine Piloten mit mehr Power für das samstägliche Qualifying zu versorgen. "Aber das geht eben nicht über Nacht", so Vettel. Auch in Ungarn ist die Pole-Position oft rennentscheidend. Vettel versucht, zu beruhigen: "Wir wissen, was wir geleistet haben. Kein Team hat im Vergleich zum Vorjahr so einen Schritt gemacht wie wir. Vielleicht arbeitet die Aerodynamik von Mercedes etwas effizienter, aber generell sind wir bei der Musik."

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