Formel 1:Psssst!

Seit dem Rennen in Baku ist eine kuriose Debatte entbrannt: Die Formel 1 streitet über das Funkverbot, das den Rennzirkus spannender machen soll.

Von René Hofmann

Am Ende wurde es richtig absurd. Kimi Räikkönen spürte, dass es ein Problem an seinem Ferrari gab. Also fragte der 36-Jährige am Funk seinen Kommandostand, was es denn sei. Die Antwort: "Das dürfen wir nicht sagen." Räikkönen wollte wissen: "Was soll ich tun?" Die Antwort: "Das dürfen wir nicht sagen." Räikkönens dritter Versuch: "Ist es denn das Gleiche wie beim letzten Rennen?" Antwort Kommandostand: "Das dürfen wir nicht sagen." Daraufhin Räikkönen zornig: "Das ist lächerlich, ihr könnt doch wohl Ja oder Nein sagen!" Antwort Kommandostand: "Nein, das dürfen wir nicht!"

Die Formel-1-Premiere in Baku, die Nico Rosberg im Mercedes souverän vor Ferrari-Fahrer Sebastian Vettel gewann, verlief unspektakulär. Das Nachspiel aber war ungewöhnlich. An dem, was sich auf den 51 Runden alles nicht ereignet hatte, entzündete sich eine Debatte: Ist es gut, dass den Fahrern seit Saisonstart keine detaillierten Anweisungen mehr in die Cockpits übermittelt werden dürfen - oder hemmt das die Show?

Neben Räikkönen litt in Aserbaidschan vor allem Lewis Hamilton unter der neuen Vorschrift. Im Mercedes des Titelverteidigers war ein Modus der Motorensteuerung falsch eingestellt. Pro Runde gingen dem 31-Jährigen bei seiner Jagd durchs Feld so zwischen drei und vier Zehntelsekunden verloren. Hamilton witterte schnell, dass mit seinem Auto etwas nicht in Ordnung war. Als er sich Hilfe suchend an die Helfer an der Boxenmauer wand, kam von dort aber nur wenig zurück.

Die Ingenieure hatten die Ursache für das Problem zwar zügig erkannt und auch umgehend eine Lösung parat. Aber sie waren nicht sicher, ob sie diese Hamilton auch verraten durften. Ratsuchend wandten sie sich an Rennleiter Charlie Whiting. Der beschied: Die Ingenieure dürfen Hamilton die Lösung des Rätsels nicht verraten. Aber sie dürfen ihm Hinweise geben.

"Das war in etwa so, als ob er bei Tempo 320 km/h noch ein Kreuzworträtsel lösen sollte", beschrieb Technik-Chef Paddy Lowe die Herausforderung. Erst nach 15 Runden hatte Hamilton diese gelöst. Wie? Das konnte er nachher selbst so genau nicht mehr sagen. "Es gibt am Lenkrad 16 Grundeinstellungen, die alle zu weiteren Einstellungen führen. Es sind also 100 oder 200 mögliche Einstellungen", erläuterte Hamilton, die könne sich wirklich keiner merken.

Seit 2014 rollen die Formel-1-Autos mit Hybrid-Motoren. Die Technik hat sie in komplexe Maschinen verwandelt. Routinier Fernando Alonso, 34, kommt sein aktueller McLaren "wie ein Raumschiff" vor. Weil in den vergangenen Jahren die Mercedes-Raumgleiter ziemlich oft voraus gejagt waren, hielten es die Formel-1-Gewaltigen im Winter für eine gute Idee, den Piloten die Fernsteuer-Hilfen wegzunehmen. Auf Druck von Vermarkter Bernie Ecclestone wurde ein striktes Funkverbot erlassen. Das Schweigen sollte die Rennen beleben.

Bei den ersten sieben Auftritten in diesem Jahr war das allerdings kein Thema. Die Rennen waren aus anderen Gründen abwechslungsreich. Dass die Diskussion nun nach dem bisher langweiligsten Auftritt losbricht, wirkt kurios. Fragen zu hören, aber keine Antwort geben zu können - Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene findet das "verrückt". Sein Mercedes-Pendant Toto Wolff fordert: "Wir müssen die Regeln anpassen."

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