Formel 1:Prinz Phlegma

McLaren-Mercedes-Fahrer Kimi Räikkönen profitiert von seinem frostigen Temperament - er kann mit Enttäuschungen umgehen.

Von René Hofmann

Barcelona - Pole Position, Sieg, Applaus, Champagner, Glückwünsche des spanischen Königs - nichts hat geholfen:

Kimi Räikkönen, dpa

Auf dem Siegerpodest feiert auch der zurückhaltende Kimi Räikkönen wie jeder andere Fahrer.

(Foto: Foto: dpa)

Kimi Räikkönen zeigte nach dem Großen Preis von Spanien auf dem Circuit de Catalunya nichts. Keine Regung, kein Lächeln, noch nicht einmal einen Ansatz dazu.

"Der Kleine Prinz, der aus der Kälte kam", nennt ihn die Zeitung France Soir deshalb, für die Libération ist er "das spanische Kaltblut".

Es gibt schmeichelhaftere Spitznamen, doch Räikkönen sollte sich nicht wundern.

Nach seinem dritten Formel-1-Erfolg murmelte er so denkwürdige Sätze wie: "Endlich ist es passiert." Und: "Es ist schöner zu gewinnen, als auszufallen oder Zweiter zu werden." Der Sieg bringt ihn mit 17 Punkten auf Rang drei der Fahrerwertung hinter Jarno Trulli (26 Punkte/Toyota) und Fernando Alonso (44/Renault).

Marke ICEMAN

Auf die Frage, was das an seinen Titelchancen ändere, fiel Räikkönen ein: "Ein bisschen etwas. Ich habe jetzt mehr Punkte." Ein solches Phlegma hat die Formel 1 noch nie beherrscht.

"Kimi ist schon ein besondere Typ", sagt Mercedes-Sportchef Norbert Haug. Warum der 25-Jährige stets mit einer Modulation zwischen lustlos und gelangweilt spricht, erklärt sein Arbeitgeber mit der schweren Jugend, die Räikkönen im finnischen Espoo erlebt hat.

Als Kind soll er versehentlich einen Besenstil in den Hals bekommen haben und seitdem die Stimme weder deutlich heben noch deutlich senken können. Redlich müht sich der Rennstall, dem blassen Burschen ein Image zu verpassen, wie es ihm bei Mika Häkkinen mit einigen Werbespots glückte.

Kaum hatte er ihn 2002 vom kleinen Sauber-Team losgekauft, ließ McLaren-Chef Ron Dennis Räikkönen sechs Buchstaben auf den Helm kleben: ICEMAN - Eismann. In der Formel 1 werden selbst die Fahrer zu Marken aufgebaut wie die Zigaretten oder der Schnaps, für den sie werben.

Selbstbewusst und egozentrisch

Was in Räikkönen wirklich steckt, war schnell klar. Peter Sauber, der den damals 20-Jährigen im September 2000 in Mugello einen Formel-1-Wagen testen ließ, obwohl Räikkönen zuvor lediglich 23 Rennen in weit schwächeren Autos absolviert hatte, erinnert sich noch genau, wie zielgerichtet und konzentriert der Nobody ans Werk ging.

"Der hat sich keine Blöße gegeben", sagt Sauber, der sich allerdings auch noch gut daran erinnert, wie schnell der Finne seinem Entdecker die kalte Schulter zeigte, als McLaren-Mercedes mit den ganz großen Geldscheinen wedelte.

Selbstbewusstsein und Egozentrik gehören sicher zu den Charaktereigenschaften, die Räikkönen prägen; Perfektion und Mäßigung eher weniger. Bereits mehrmals hat er mit Trinkgelagen für Schlagzeilen gesorgt, und neben seinem neuen Kollegen Juan Pablo Montoya, der für seinen Dienst bei McLaren einige Kilogramm abgespeckt hat, wirkte Räikkönen zu Saisonbeginn fast füllig.

Enttäuschungen wegstecken

Beim Saisonauftakt im März in Melbourne würgte er beim Start den Motor ab. In Bahrain blieb er im zweiten Qualifikationsdurchgang hinter Ersatzmann Pedro de la Rosa zurück, der für den verletzten Montoya einsprang.

Auch in Barcelona leistete sich Räikkönen einen Patzer. In der ersten Qualifikation riskierte er zu viel und geriet schnell neben die Strecke, was ihn eine halbe Sekunde kostete. In den folgenden zwei Strecken- abschnitten fuhr er Bestzeit. "Eine von Kimis Stärken ist, wie er Enttäuschungen wegsteckt", sagt Ron Dennis.

In den vergangenen Jahren hatte Räikkönen allerdings auch ausgiebig Gelegenheit, diese Tugend zu schulen. In seinem ersten Jahr bei McLaren fiel er achtmal mit einem Defekt aus. 2003 hätte er Weltmeister werden können, doch am Nürburgring blieb er als Führender mit einem Motorschaden liegen.

Ein harziger Start

Im vergangenen Jahr ließ ihn die Technik wieder achtmal im Stich, in diesem Jahr bereits zweimal: In Malaysia kollabierte ein Reifenventil, in Imola die Antriebswelle. Von den 56 Rennen, die er bislang für den Rennstall bestritt, hat er lediglich 34 beendet, was Räikkönen zur Symbolfiur für das Dilemma des ganzen Teams in dieser Zeit macht: hoch begabt und hoch ambitioniert, aber selten glücklich.

139 Grand Prix hat McLaren seit 1966 gewonnen, doch davon fallen gerade einmal vier in die letzten drei Jahre, und auch in dieser Saison hat der erste Triumph vergleichsweise lange auf sich warten lassen. Nach den Wintertests galten die grauen Autos als Favoriten, doch anders als die ebenfalls auffällig schnellen Renaults erwischten sie einen harzigen Start.

Erst beim fünften Versuch glückte genug. Räikkönen stürmte über 66 Runden unbeirrt voraus wie ein Rennpferd mit Scheuklappen. Überraschend kam der Erfolg nicht, aber er fiel überraschend deutlich aus. 27,6 Sekunden trennten Räikkönen am Ende von Fernando Alonso, selbst Teamkollege Juan Pablo Montoya musste sich überrunden lassen. Auch das nahm Kimi Räikkönen gelassen. Beiläufig gab er an: "Ich hätte noch viel schneller fahren können."

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