Formel 1:Pontifex in Nöten

Der ehemalige Weltmeister Fernando Alonso hat sich verzockt - und ist ausgerechnet bei seinem Heimrennen in Barcelona chancenlos.

René Hofmann

Montmeló - Donnerstags passiert an den Formel-1-Rennstrecken normalerweise recht wenig. Die Markierungen der Startplätze werden frisch gesprüht, die Autos werden zur technischen Abnahme gerollt, die Teams räumen ihre Motorhomes ein. Am Circuit de Catalunya, auf dem am Sonntag um 14 Uhr der Große Preis von Spanien gestartet wird, ist das anders. Dort ist die Begeisterung so groß, dass es laut wird, auch wenn kein Motor brüllt. In Spanien brüllt der Spanier - zumindest wenn ein Spanier sich zeigt. Fernando Alonso hat das an diesem Donnerstag wieder erleben dürfen. Als der Renault-Pilot sich hinter der Box zeigte, flippten einigen tausend Neugierige aus, die sich vor den Garagen tummelten. Jubel hob an, gefolgt von Sprechchören: A!-Lon!-So! A!-Lon!-So! Dem zweimaligen Weltmeister wurden Fahnen entgegengestreckt, dicke Filzstifte und Kleinkinder. Offenbar wird eine Berührung mit ihm als ungefähr so segensreich betrachtet wie mit dem Pontifex Maximus.

Formel 1: Ausgerechnet beim Heimrennen in Barcelona ist Alonso ohne Chance.

Ausgerechnet beim Heimrennen in Barcelona ist Alonso ohne Chance.

(Foto: Foto: AP)

Der 26-Jährige genoss den Rummel sichtlich. Wie ein Politiker auf Wahlkampftour planschte er selig in der Menge, lächelte dahin, grüßte dorthin und warf mit Schildkappen um sich. In den drei Rennen in diesem Jahr hatte er bisher weit weniger Spaß. Beim Saisonstart in Melbourne profitierte er davon, dass nur wenige Autos ins Ziel kamen. Er wurde Vierter. In Malaysia rettete er sich als Achter gerade noch in die Punkte- ränge. Zuletzt in Bahrain lief es schlechter: Zehnter am Start, Zehnter im Ziel - das entspricht nicht seinen Ansprüchen.

Und Alonso wäre nicht Alonso, wenn er sich das nicht auch anmerken ließe. "Das kann nicht sein", sagt er zum jüngsten Resultat: "Früher oder später müssen wir damit anfangen, das Auto zu verbessern." In den vergangenen Jahren bot sich ihm beim Heimspiel jedes Mal die Chance, die Pole Position zu erringen. 2006 hat er es gewonnen, 2005 und 2007 wurde er als Zweiter beziehungsweise Dritter ebenfalls zur Siegerehrung gerufen. "Dieses Mal habe ich keine reelle Chance", sagt Alonso.

Pontifex in Nöten

Vermutlich wird das auch das ganze Jahr so bleiben. Die erbitterte WM-Schlacht mit Michael Schumacher hielt Renault im Jahr 2006 bis zum letzten Rennen in Atem. Das Team verpasste es, sich rechtzeitig auf den Einheitsreifen einzustellen, der im vergangenen Jahr eingeführt wurde. Das hat der Mannschaft einen so großen Rückstand eingebracht, dass sie auch in diesem Jahr hinter der Phalanx der Spitzenteams bleiben dürfte. Teamchef Flavio Briatore glückte es zwar, Alonso mit viel Geld von McLaren zurückzulocken. Ein Weltmeister alleine kann es aber auch nicht richten.

Neben Alonso fährt der 22 Jahre alte Nelson Piquet junior. Bei den ersten Rennen tat er sich schwer, zuletzt holte er etwas auf. Sein Problem: Um Erfahrung zu sammeln, braucht er Zeit. Genau dieses Element aber ist in der Formel 1 am rarsten. Champions sind ungeduldig. Alonso macht daraus auch gar keinen Hehl. Sein Experiment, sich mit McLaren an der Spitze zu etablieren, scheiterte im vorigen Jahr. In dem britischen Team fühlte sich der Asturier nie wohl. Bei den aktuellen Kräfteverhältnissen böte sich ihm noch eine italienische und eine deutsche Alternative: Ferrari oder BMW. Die Gerüchte, dass es ihn dorthin zieht, dementiert er nicht. Selbst deutlichen Absagen wie der von Ferrari-Chef Luca di Montezemolo ("Ich möchte zwei gleichstarke Fahrer, die gut zusammenarbeiten") vermag Alonso noch Gutes abzugewinnen. "Die Leute reden viel über mich. Das ist gut", findet er.

Statt dem aktuellen Arbeitgeber ewige Treue vorzuheucheln, wie es in der Branche üblich ist, sagt er über das kommende Jahr lediglich: "Man wird sehen." Bei Renault ertragen sie das nüchterne Miteinander mit routinierter Gelassenheit. Alonso sichert der französischen Firma zumindest Aufmerksamkeit. Vor dem Spanien-Grand-Prix absolvierte er einen Medien-Marathon. Alonso trat bei Podiumsdiskussionen auf und im Fernsehen. Wenn er Englisch reden soll, wirkt er immer mürrisch, bei den Auftritten vor den Landsleuten dagegen gelöst. Er lächelt ausdauernd und lässt sich der Optik zuliebe sogar Gel ins Haar schmieren.

Seit nicht mehr eine japanische Zigarettenmarke das meiste Geld an Renault überweist sondern eine niederländische Bank, sind die Rennstall-Farben zwar nicht mehr identisch mit den vielen hellblau-gelben Asturien-Fahnen, die die Alonso-Fans an die Rennstrecke schleppen. Aber sie beißen sich längst nicht so sehr wie mit dem Grau von McLaren. In dem Team wurde Alonso von Lewis Hamilton entzaubert. Im Gesamtklassement blieb der Debütant vor dem zweimaligen Meister. Das traf den. Das traf ganz Spanien. Wie sehr, war am Donnerstag zu erleben. Als die Mechaniker Hamiltons Auto an der Menge vorbeischoben, wurde es noch einmal laut: Es wurde gebuht und gepfiffen.

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