Formel 1: Michael Schumacher:SMS von MS

Vor dem Großen Preis von Belgien grüßt Michael Schumacher seinen Rivalen Rubens Barrichello, jedoch ohne sich für seine harte Aktion kürzlich zu entschuldigen.

René Hofmann

An diesem Donnerstag hat Rubens Barrichello eine Kurzmitteilung erhalten, über die er sich gewundert hat. Knapp vier Wochen nach dem Großen Preis von Ungarn erschien auf seinem Handy eine elektronische Botschaft eines Rivalen, auf den Barrichello zuletzt sehr wütend war. Der Absender der SMS trägt das Kürzel MS. Viel mitzuteilen hatte er Barrichello nicht. 140 Zeichen - das ist auf den meisten Geräten die Standard-Maximal-Größe für Kurznachrichten. In aller Flüchtigkeit ließ Michael Schumacher Barrichello also wissen, dass es in Ungarn keineswegs seine Absicht gewesen sei, Barrichello bei einem Tempo von mehr als 250 km/h gegen die Boxenmauer zu drücken.

Mercedes Formula One driver Schumacher of Germany reacts during a news conference in Spa Francorchamps

Michael Schumacher vor dem Großen Preis von Belgien: Er habe aus der Strafe seine Lehren gezogen.

(Foto: REUTERS)

Im Fernsehen hatte das so ausgesehen, als die beiden sich vier Runden vor dem Ziel im Kampf um Platz zehn gefährlich nahe gekommen waren. Barrichello selbst hatte zunächst gar nicht realisiert, wie knapp er an der Mauer entlang gesaust war. "Im Auto war ich auf Michael konzentriert", sagt er. Erst beim Video-Studium sei ihm Angst und Bange geworden. Barrichello ging aus dem Duell als Sieger hervor. Er kam durch und wurde Zehnter. Schumacher wurde für die rüde Fahrweise von den Rennkommissaren bestraft. Beim Start zum Großen Preis von Belgien an diesem Sonntag wird er um zehn Plätze strafversetzt.

Eine Entschuldigung in die wenigen Worte hineinzulesen, die er an Barrichello richtete, ist ein wenig gewagt. Eine andere Botschaft, die er mit der SMS übermittelte, war dagegen eindeutig: Er gratulierte Barrichello zum 300. Rennen, das der Brasilianer nach eigener Rechnung an diesem Wochenende vor sich hat. "Wir haben ja eine recht lange Geschichte miteinander", sagt Schumacher, "da hielt ich das für angebracht." Barrichello, der Schumacher bei all seinen fünf Titeln mit Ferrari als Assistent zur Seite stand, fährt jetzt für das Team Williams. "Etwas lustig" fand es der 38-Jährige, dass Schumacher, 41, sich wegen der Geschehnisse in Ungarn jetzt noch einmal bei ihm meldete. Geantwortet hat Barrichello ihm trotzdem. Auch per Ultra-Kurzmitteilung. Er schrieb lediglich "Danke" zurück.

Reden gehört nicht unbedingt zu den Stärken der meisten Männer, die schnell Auto fahren. Auch wenn Schumacher betont, er könne das durchaus, selbst mit Barrichello. "Ich habe damit kein Problem", sagt er. Nur dazu kommen wird es wohl nicht. Das Verhältnis der einstigen Weggefährten bleibt gespannt, was auch Barrichellos Behauptung ahnen lässt, er könne sich nicht daran erinnern, dass Schumacher sich in all den Jahren, in denen die beiden nun schon zusammen auf die Rennstrecken gehen, schon einmal für irgendetwas entschuldigt hätte.

Lehren aus der Strafe

Formal ist das Vergehen ausverhandelt. Die Rennkommissare erwogen, Schumacher zu disqualifizieren. Doch während sie noch redeten, brauste der schon ins Ziel. So kam es zu der Strafversetzung für das Rennen in Spa. Beraten wurde das Gremium vom einstigen Rennfahrer Derek Warwick. Der Brite und Schumacher haben ebenfalls eine Geschichte miteinander. Vor rund zwei Jahrzehnten hatten sich die beiden in der Sportwagen-WM duelliert, wobei es zu einer Begegnung gekommen war, bei der Warwick, dessen jüngerer Bruder bei einem Unfall auf der Rennstrecke sein Leben ließ, sich von Schumachers rücksichtsloser Fahrweise ebenfalls gefährdet gesehen hatte. Wirklich vorbehaltlos begegnen sich auf der Rennpiste wenige.

Schumacher hat aus der Strafe, die ihm seine Linienwahl auf dem Hungaroring bescherte, seine Lehren gezogen. Früher seien derlei harte Manöver als okay betrachtet worden, nun werden sie offenbar als unangebracht gewertet und sanktioniert - so sieht er das. Wie in jedem Sport ändert sich auch in der Formel 1 die Regelauslegung immer mal wieder. Schwalben werden im Fußball ja auch erst seit einigen Jahren konsequent bestraft, wenn die Schiedsrichter sie erkennen. Und nicht jede Situation ist in den Regelbüchern eindeutig aufgeführt. Schumachers Aktion sei schon "sehr hart" gewesen, findet beispielsweise Barrichellos junger deutscher Teamkollege Nico Hülkenberg. Ob sie aber auch bestraft gehörte? "Das ist Auslegungssache", meint Hülkenberg. Er selbst möchte sich lieber nicht festlegen.

Hülkenberg bestreitet seine erste Formel-1-Saison. Er wurde 1987 geboren. Lange vor der Zeit gab es 1970 auf dem Hockenheimring ein Rennen, bei dem sich Jochen Rindt und Jackie Ickx vom Start bis ins Ziel waghalsige, aber respektvolle Windschatten-Schlachten lieferten. Wann immer einer das Gefühl hatte, der andere sei gerade schneller, wies er mit Handzeichen darauf hin, auf welcher Seite ein Überholmanöver möglich war. Das Rennfahren war damals eher ein ehrfurchtsvolles Miteinander als ein bedingungslose Gegeneinander.

"Eine interessante Sichtweise" sei das, findet Hülkenberg, der darauf verweist, dass "die Einflüsse von heute ganz andere" seien. "Auch, wenn der andere schneller ist, willst du vor ihm ins Ziel": So sieht nicht nur er das.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: