Formel 1: Michael Schumacher:Chamäleon am Steuer

In seiner Karriere hat Michael Schumacher seinen Fahrstil oft umgestellt - aktuell aber würde das wenig bringen: Damit er gewinnen kann, muss sein Auto umgebaut werden.

René Hofmann

Im Jahr 2002 gewann Michael Schumacher elf von 17 Formel-1-Rennen. Bereits im Juli stand er als Weltmeister fest. In einem Interview wurde er anschließend gefragt: "Glauben Sie, dass Sie noch besser werden können?"

Formel 1: Michael Schumacher: 1,6 Prozent schlechter als der Schnellste: Michael Schumacher in Bahrain.

1,6 Prozent schlechter als der Schnellste: Michael Schumacher in Bahrain.

(Foto: Foto: dpa)

Seine Antwort: "Oh ja. Das ist, wonach ich ständig strebe. Das Auto verändert sich, also muss auch ich mich verändern. Ich muss mich mit ihm befassen, muss sein Limit neu kennen lernen und dabei sehen, wie ich mich selbst wieder verbessere. Der Tag, an dem ich das nicht mehr tun will, ist wohl auch der Tag, an dem ich besser aufhören sollte."

Nach drei Jahren Rennpause ist Michael Schumacher in diesem Jahr bei Mercedes GP wieder in die Formel 1 zurückgekehrt. Am Sonntag steht in Melbourne das zweite Saisonrennen an. Nach Schumachers sechstem Platz beim Auftakt in Bahrain hieß das große Thema: Warum ist der siebenmalige Weltmeister nicht mehr so dominant? Warum kommt er mit seinem neuen Auto nicht so gut zurecht wie einst mit dem Ferrari? Und: Wie schnell kann sich das wieder ändern?

Die Formel 1 ist ein kompliziertes Spiel. Jedes Auto besteht aus etwa 7.000 Teilen, von denen wiederum 6.500 einen entscheidenden Unterschied ausmachen können. Wer nur ein Prozent langsamer ist als der Beste, hat keine Siegchance. Michael Schumachers schnellste Rennrunde in Bahrain aber war sogar 1,6 Prozent langsamer als die Bestzeit von Sieger Fernando Alonso im Ferrari. Der Rückstand ist also massiv und er gründet vor allem darin, dass Schumacher sein silbernes Gefährt nicht so bewegen kann, wie er das gerne würde.

Ein Formel-1-Auto zu bewegen hat nichts mit dem zu tun, was sich im Straßenverkehr erleben lässt. Einen Renn- wagen zu bewegen ist ein steter Tanz am Limit, und Formel-1-Autos sind, weil sich an ihnen so viel einstellen lässt, die extremsten Rennwagen überhaupt. Sie sind äußerst sensible Tanzpartnerinnen. Wie alle Tänzer wünschen sich auch Formel-1-Fahrer Partnerinnen, die sich gut führen lassen, die sich möglichst "neutral verhalten", wie es in der Szenesprache heißt.

Das aber ist selten. In der Regel hat jedes Auto aufgrund seiner Konstruktion quasi eine eingebaute Tendenz- entweder zum Unter- oder zum Übersteuern. Was das in der Praxis bedeutet, hat ein Renningenieur mal sehr anschaulich in den Satz gepackt: "Untersteuern ist, wenn man vorwärts in die Leitplanken kracht. Bei Übersteuern knallt man rückwärts rein."

Lesen Sie weiter auf Seite 2

Beim Untersteuern schiebt das Auto beim Bremsen über die Vorderräder. Schumacher mag das nicht. Diese Tendenz aber ist in seinen Mercedes eingebaut, und sie wird sich ihm wohl auch nicht so leicht austreiben lassen. "Unser Auto hat zu wenig Gewicht auf der Hinterachse", zitiert das Fachmagazin Motorsport aktuell Teamchef Ross Brawn. In Bahrain experimentierte die Mannschaft deshalb bereits mit zwei unterschiedlichen Frontflügeln. Welche Neuerungen in Melbourne geplant sind, ist geheim. Allzu viele dürften es aber nicht sein. "Bei den Überseerennen sind wir etwas limitiert", gibt Nick Fry zu, der Geschäftsführer von Mercedes GP.

Keine Kompromisse

Vom Nahen Osten wurden die Autos direkt nach Australien gebracht, von wo aus sie ebenfalls direkt zum Großen Preis von Malaysia gebracht werden, der am Ostersonntag startet. Danach steht der China-Grand-Prix an. Grundlegende Änderungen wird es bei allen Teams erst zum Europa-Auftakt Anfang Mai in Barcelona geben. So lange heißt es, sich mit den Kompromissen zu arrangieren. Für Schumacher ist das keine leichte Übung. Je mehr Möglichkeiten sich ihm bieten, desto lieber ist ihm das. Im Rückblick auf seine erste Karriere hat er einst gesagt: "Die schönste Zeit war die, in der alles erlaubt war: ABS, aktive Radaufhängungen, Traktionskontrolle. So konnte man das Auto wirklich aufs Maximum abstimmen. Ich hasse das: Kompromisse eingehen zu müssen und ein Auto nicht so schnell fahren zu können, wie es technisch möglich wäre."

In den vielen Jahren, in denen er bereits in der Formel 1 antrat, ist das allerdings selten der Fall gewesen. Zwischen seinem Debüt 1991 und seinem ersten Karriere-Ende 2006 wurden die Regeln oft geändert. Erst gab es profillose Reifen, dann welche mit Rillen. Es gab Einheits-Pneus und Reifenkriege, erst zwischen Goodyear und Bridgestone, später zwischen Bridgestone und Michelin. Die Motoren schrumpften. Erst von dreieinhalb Litern Hubraum auf drei, später von zehn Zylindern auf acht. Ihre Lebensdauer wurde drastisch erhöht. In der Qualifikation gab es mal ein Einzelzeit- und mal ein Ausscheidungsfahren. Auf den ersten Blick mögen all diese Änderungen als Petitessen erscheinen, für die Protagonisten aber bedeutete jede eine große Umstellung: der Herangehens-, der Fahr- oder ganz generell der Arbeitsweise.

Im Rückblick sieht es so aus, dass Schumacher in den Jahren 2000 bis 2004 die Branche durchgehend spielerisch beherrschte. Aber das ist ein Trugbild. In Wahrheit musste er sich jeden seiner Erfolge mit ganz anderen Mitteln erarbeiten. Um ständig vorne zu bleiben, musste er seinen Stil immer wieder adaptieren, am Steuer quasi zum Chamäleon mutieren. Was ihm dabei half: sein Arbeitseifer. 2004 absolvierte er neben den Rennen an 39 Testtagen mehr als 10.000 Kilometer, im Jahr darauf waren es mehr als 15.000. Zum Vergleich: Sein damaliger Teamkollege Rubens Barrichello kam nicht einmal auf 9000 Übungskilometer. Auch für diesen Fleiß gab es am Ende den Preis.

In der aktuellen Formel 1 lässt sich der Erfolg so aber nicht mehr kaufen. Aus Kostengründen sind Tests während der Saison jetzt verboten. Weshalb Schumacher hoffen muss, dass ihm sein Auto schnell entgegenkommt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: