Regeländerung in der Formel 1:Mercedes hilft der Konkurrenz

Lewis Hamilton

Lewis Hamilton und Mercedes scheinen derzeit uneinholbar.

(Foto: dpa)

Von Elmar Brümmer, Austin

Verglichen mit den Rennwagen, um die es geht, bewegen sich die Regelhüter der Formel 1 im Schneckentempo. Was auch daran liegt, dass die beteiligten Teams das Reglement selbst mitbestimmen dürfen. Und da gönnt keiner dem anderen auch nur ein Schräubchen mehr, das diesem zum Vorteil gereichen könnte.

Deshalb kommt das jüngste Sitzungsergebnis der zuständigen Kommission einer Revolution gleich. Beschlossen wurde, die Beschränkungen bei der Weiterentwicklung der Hybrid-Antriebsstränge schon jetzt und nicht erst 2017 aufzuheben. Weil Einstimmigkeit gefordert ist, bedeutet das, dass Branchenführer Mercedes zugestimmt haben muss - und somit vielleicht seinen Entwicklungsvorsprung riskiert.

Renault wurde von höchster Konzernebene Hilfe angeboten

"Wir können keine Hardliner sein und das Regelwerk immer nur in unsere Richtung optimieren. Insofern ist eine Lockerung der Regularien im Sinne der Formel 1 und im Sinne von Mercedes", sagt Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Das Kalkül der Gegner: Dann könne man aufholen. Die Absicht von Formel-1-Chef Bernie Ecclestone: Dann werden die Rennen wieder spannender. Wolff gibt sich offiziell als PS-Sozialist: "Wir müssen den anderen Luft zum Atmen geben."

Dem Rivalen Renault hat man sogar auf höchster Daimler-Konzernebene Entwicklungshilfe angeboten, damit die Franzosen sich leichter entscheiden können, wieder mit einem eigenen Werksrennstall anzutreten - und damit dem gesamten Grand-Prix-Sport weiterhin Wertigkeit geben. Vielleicht ist die Geste auch so großzügig nicht, denn angesichts der Überlegenheit von Mercedes in den letzten anderthalb Rennjahren kann man intern davon ausgehen, sich selbst von einem hohen Level aus weiterzuentwickeln und dominant zu bleiben. Möglich, dass man in diesem Jahr nicht immer die Leistungsreserven voll ausgeschöpft hat.

Nach Austin, zum viertletzten Lauf der WM, reist die Silberpfeil-Truppe bereits als Konstrukteurs-Weltmeister an, und beim Großen Preis der USA könnte bereits auch die Titelverteidigung in der Fahrerwertung perfekt gemacht werden. Lewis Hamilton müsste dazu neun Punkte mehr holen als Sebastian Vettel und zwei mehr als sein direkter Gegenspieler Nico Rosberg. Der dritte Titel für den Briten ist, unabhängig von den in Texas drohenden Schlechtwetter-Kapriolen, wohl nur eine Frage der Zeit.

Mercedes mutiert zum "Serienkiller"

Wer der Formel 1 am Zeug flicken will, der bezeichnet die Überlegenheit von Mercedes populistisch als "Serienkiller". Das ist so ähnlich wie mit Bayern München im Fußball, nur lassen sich da eben die Regeln nicht so schnell ändern. Schon jetzt liegt Mercedes GP im Vergleich der immer wieder aufkommenden großen Dominanzen der modernen Formel 1 ganz vorn: Die Siegquote von 82 Prozent übertrifft jene von McLaren-Honda in den Rennjahren 1988/89 (78 Prozent) und auch jene von Ferrari zwischen 2000 und 2004 (76 Prozent).

Würde man die Ergebnisse des Stuttgarter Werksteams in dieser Saison herausrechnen, wäre das Resultat eindeutig: Dann würden Ferrari-Pilot Vettel die WM mit über 140 Punkten anführen. Zum Vergleich: Hamiltons tatsächlicher Vorsprung liegt derzeit bei 66 Zählern. Mal ganz davon abgesehen, dass ohne den Mercedes-Leihmotor auch die Teams von Williams oder Force India nicht so weit vorn im Verfolgerfeld liegen würden. "Wir sparen uns damit die Diskussion, dass die Motorenentwicklung eingefroren ist und die anderen nicht aufholen können", sagt Wolff über den Wettbewerbsgedanken, "ich glaube, es ist wichtig, dass es gleiche Voraussetzungen für alle gibt."

Ferrari will bereits Basis für 2016 schaffen

Das Duell auf Augenhöhe, das Wolff anstrebt, um eigene Erfolge noch wertvoller zu machen, könnte Mercedes früher haben, als es den Dauer-Siegern lieb ist. Ferrari mit der Leitfigur Vettel hat sich klar als gefährlicher Gegner in Stellung gebracht. Die Scuderia wird in Austin eine weitere Motorenausbaustufe zum Einsatz bringen, auch wenn das zehn Startplätze Strafe kostet. Das ist zu diesem Zeitpunkt der Saison eher unüblich, wo bei gelaufenem Titelentscheid alle Aufmerksamkeit dem kommenden Jahr gilt. Aber man will in Maranello den Rest des Jahres zu Probefahrten auf hohem Niveau nutzen, und mit einem neu gestalteten Öltank und schmaleren Heck schon die Basis für die kommende Saison ausprobieren. Gemeinhin war damit gerechnet worden, dass Ferrari mit der Aktion warten würde, solange Sebastian Vettel noch theoretische Chancen auf den Weltmeisterschafts-Titel besitzt.

Mercedes selbst hat bei der Titelfeier vergangene Woche in der Teamzentrale in Brackley und der Motorenschmiede in Brixworth betont, dass Erfolge "niemals Routine" würden. "Unsere Haltung ist immer, dass unser Glas eher halb leer ist als halb voll. Das bringt uns immer wieder dazu, unsere Mannschaft zu optimieren", sagt Wolff. Das nächste Ziel sei es, den Rennstall möglichst kostenneutral für die Marke Mercedes zu betreiben. Dem Anteilshaber an Mercedes GP schwebt dabei ein finanzieller Hybrid vor: "Es muss das Ziel des Managements und der Eigentümer sein, unter sinnvollen Kosten den größtmöglichen Erfolg zu erzielen." Also doch irgendwie wieder ein Rennen mit sich selbst.

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