Formel 1:Alles besser als Rosberg

Spanish F1 Grand Prix

Externer Konkurrent: Vettel ist der neue Hamilton-Jäger.

(Foto: Getty Images)
  • Lewis Hamilton und Sebastian Vettel liefern sich ein enges Rennen um die WM-Führung in der Formel 1.
  • Als deutsche WM-Hoffnung beerbt Vettel den zurückgetretenen Nico Rosberg, der teamintern mit Hamilton zerstritten war.
  • Zur neuen Harmonie bei Mercedes trägt Valtteri Bottas bei, der seine Rolle als Nummer-zwei-Fahrer pflichtbewusst erfüllt.

Von Philipp Schneider, Barcelona

Die alte Formel 1 schlurft inzwischen ein bisschen, aber das ist nicht das Problem. Man trifft sie auf der Hauptstraße des Fahrerlagers auf dem Circuit de Catalunya, wo sie sich jeden Tag etwa zur Mittagszeit in Bewegung setzt. Ganz gemächlich. Es mag paradox klingen, aber Bernie Ecclestones Problem ist es, dass er so außergewöhnlich klein und grau ist, dass man ihn gar nicht übersehen kann.

Das Fahrerlager bei einem Formel-1-Grand-Prix ist ein einziger, großer Marktplatz. Überall wird getratscht und geplauscht, anstelle von Ständen gibt es die feudalen Motorhomes der Teams, in denen eigentlich den ganzen Tag ununterbrochen gegessen wird, und alle hundert Meter steht eine Fernsehmoderatorin mit langen Beinen und macht gerade einen Aufsager, wie es so schön heißt. Dieser Marktplatz ist die Welt von Bernie Ecclestone.

In der alten Formel 1 war Ecclestone der Alleinentscheider. Er verhandelte mit Teams, Streckenbetreibern und TV-Sendern und bestimmte die Preise. Dann übernahm der Konzern Liberty Media die Rennserie, und in einer ihrer ersten Entscheidungen trennten sich die neuen Besitzer von dem 86-Jährigen aus Ipswich und ersetzten ihn durch Chase Carey. Der ehemalige Präsident von Century Fox soll nun als Geschäftsführer die neue Formel 1 begründen. Noch mehr Show. Interviews mit den Rennfahrern auf der Piste. Und mitten im Fahrerlager steht seit dem Rennen in Barcelona eine Bar mit Bier, allerdings alkoholfreiem, weswegen der Drittplatzierte Dani Ricciardo die Frage aufwarf, ob der Begriff Bar überhaupt angemessen sei.

Der Ort, an dem der teaminterne Streit eskaliert war

Am Eingang zum Fahrerlager gibt es sehr wenige Parkplätze für auserwählte Menschen. Auch Ecclestone hat einen. Allerdings steht auf seinem Parkplatzschild nur ein Name, er hat ja keine Funktion mehr. Bernie Ecclestone hat sich also darauf spezialisiert, worin er sowieso schon immer am besten war: Er ist jetzt einfach nur noch Bernie Ecclestone.

Wenn er zur Mittagszeit durchs Fahrerlager schlurft, dann hat er ein Handy am Ohr, und von der Seite strömen Menschen zu ihm, legen ungefragt den Arm um seine Schulter und machen ein Selfie. Ecclestone unterbricht sein Telefonat. Er grinst. Er nickt. Sofort kommt der nächste, legt ungefragt den Arm um Ecclestones Schulter, weil er ja gesehen hatte, dass man nicht fragen muss, und macht ein Selfie. Schlurf, Arm von der Seite, grins, Selfie, schlurf, Arm, grins, Selfie, schlurf, für die wenigen Meter von Mercedes rüber zu Renault braucht Ecclestone fünf Minuten. Es wird noch eine Weile dauern, bis die alte Formel 1 aus den Köpfen verschwunden ist.

Lewis Hamilton ist da mit der Verdrängung schon etwas weiter. Allerdings verbindet er die alten Zeiten nicht mit Ecclestone, sondern eher mit dem ehemaligen Teamkollegen Nico Rosberg, der ihm - aus seiner Sicht - in der Vorsaison den Weltmeistertitel geklaut hatte und dann überraschend zurückgetreten war. An diesem Rennwochenende in Barcelona ist Hamilton an den Ort zurückgekehrt, an dem sich Rosberg und er vor einem Jahr gegenseitig von der Piste geschossen hatten, an dem ihr teaminterner Streit eskaliert war. Diesmal fuhr der Brite als Erster über die Zielgerade. Und Mercedes-Chef Toto Wolff meinte: "Das war ein Sieg des Teamworks."

Ungewohnte Harmonie bei Mercedes

Im vergangenen Winter hatte man sich noch ein bisschen sorgen müssen, ob sie bei Mercedes den Übergang in die neue Formel 1 überhaupt hinbekommen würden. Ihnen war ja ihr Weltmeister entlaufen, der die Entwicklungsarbeit maßgeblich vorangetrieben hatte. Die neuen Regeln, die neuen Autos - schon mit einer erfahrenen Fahrerpaarung wie Hamilton und Rosberg wäre es eine gewaltige Aufgabe gewesen, die Dominanz der Vorjahre zu halten. Dann kam für Rosberg der 27 Jahre alte Valtteri Bottas von Williams, der in 77 Rennen nicht einmal gewonnen hatte.

Inzwischen sind fünf Rennen gefahren. Zweimal stand der Ferrari-Pilot Sebastian Vettel ganz oben, zweimal Hamilton, einmal Bottas. Nach seinem Sieg in Barcelona liegt Hamilton in der WM-Wertung nur noch sechs Punkte hinter Vettel, schon in Monaco Ende Mai könnte der Brite die Führung übernehmen. Von der Dominanz der Vorjahre ist bei Mercedes - trotz einer Vielzahl von Fahrzeugmodifikationen, die in Barcelona erstmals zum Einsatz kamen - nicht mehr viel übrig, was aber auch an der neuen Stärke von Vettel liegt. Und aus Hamiltons Sicht fühlt sich die Gesamtsituation wesentlich angenehmer an. Weil sein ärgster Rivale nun dort sitzt, wo er ihm höchstens auf der Strecke in die Quere kommen kann: am Steuer eines Ferrari.

Bottas, der rechtmäßig Untergebene

"Einen Kampf mit jemandem in einem anderen Team zu haben, ist so viel angenehmer, so viel erfreulicher", sagte Hamilton in Barcelona. Den Kampf hatte Mercedes unter anderem mit einem zeitlich gut platzierten Boxenstopp am Ende einer Safety-Car-Phase erzwungen. "Es gibt überhaupt keine Reibungen bei uns im Team", versicherte Hamilton: "Heute hat Valtteri eine großartige Rolle gespielt."

In der Tat hatte sich der Finne, der später mit einem Turboschaden ausschied, selbstlos in Hamiltons Dienste gestellt, als er nach einem weiteren Boxenbesuch seines Kollegen an der Spitze des Feldes den Verkehr bremste und Vettel für einige Runden nicht überholen ließ. "Das hat ihn fünf bis sechs Sekunden gekostet", gab Wolff zu. Und Bottas meinte: "Ich habe alles versucht, ihn hinter mir zu halten. Das war meine Mission."

Auf eine derartige Mission hätte sich Rosberg wohl eher nicht begeben. Das weiß niemand besser als Hamilton, der noch die Geschichte eines "merkwürdigen" ersten Wiedersehens mit Rosberg nach der Trennung erzählte. Kürzlich sei er durch London gejoggt, von Covent Garden zur Themse Richtung Battersea. Plötzlich habe er gemerkt, dass jemand hinter ihm lief: "Nico hatte mich auf der Straße gesehen, dann stieg er aus und lief neben mir her." Die beiden sprachen miteinander, allerdings nicht lang. Okay, aber wer war schneller? "Er hat aufgeholt, von daher ..."

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