Formel 1: Lewis Hamilton:Erfolg nach dem Baukastenprinzip

In jedem Rennen ist Lewis Hamilton zuletzt stärker geworden - für den Sieg in Shanghai musste dennoch einiges zusammenkommen. Bei McLaren ist man stolz auf eine technische Aufholjagd.

Elmar Brümmer

Es war eine Premiere: Den Großen Preis von China gibt es seit 2004. Lewis Hamilton ist der erste Formel-1-Fahrer, dem auf der anspruchsvollen Strecke zwei Siege glückten. Der Grand Prix war der dramatischste der bisherigen Saison. Entschieden wurde er rund 22 Kilometer vor dem Ziel, als Hamilton, der Champion des Jahres 2008, auf frischen Reifen und dank der Zusatz-Kraft, die das Bremsenergie-Rückgewinnungs-System Kers ihm schenkt, an Sebastian Vettel vorbeizog.

China Formula One Grand Prix

Feierte beim Großen Preis von China seinen ersten Triumph im Jahr 2011: Lewis Hamilton.

(Foto: dpa)

Doch der 26-Jährige hat nicht nur in diesem Moment alles richtig gemacht. Einen wichtigen Baustein für den Erfolg legte er bereits am Samstag, als er in der Qualifikation einen Reifensatz sparte, um ihn für das Rennen noch zur Verfügung zu haben. Was es sonst noch braucht für einen Favoritensturz? Die richtige Taktik und eine wohl dosierte Aggressivität.

Lewis Hamiltons Sieg glich einer Triumphfahrt. Vor sechs Wochen stand McLaren noch im Niemandsland der Formel 1; beim letzten Wintertest hatte der Rennstall extrem schlecht ausgesehen. Danach begann eine beispiellose technische Aufholjagd. Bis zu 19 Stunden lang wurde täglich in der Rennfabrik in Woking getüftelt, Teamchef Martin Whitmarsh brachte kistenweise Neuteile mit an die Pisten in Melbourne, Sepang und Shanghai. Ein entscheidendes Teil war drei Meter lang und ziemlich sperrig - ein neuer Unterboden für das Auto.

Von Rennen zu Rennen minimierte die eingespielte Gruppe, die den letzten Konstrukteurstitel allerdings Ende des vergangenen Jahrtausends einfahren konnte, so den Rückstand auf Red Bull. Und mit jeder Zehntelsekunde, die schmolz, wuchs das Selbstbewusstsein. "Die Leute haben mir manchmal morgens um zwei Uhr noch E-Mails mit Ideen geschickt", sagt Whitmarsh nicht ohne Stolz über das Pflichtbewusstsein in seiner Firma.

Jedes Freitagstraining ist für die inzwischen eine Testfahrt. In Shanghai kam eine gewagte Aerodynamik-Mischung zum Einsatz - ein bisschen etwas aus der Melbourne-Version, dazu etwas vom Sepang-Modell und ein paar Neuteile. Das Baukastenprinzip wird fortgesetzt, in der Türkei soll es eine umfassende Ausbaustufe geben.

Der Motor springt nicht an

Was die Fahrer angeht, ist McLaren schon gut aufgestellt: Jenson Button, in China Vierter, ist der reife Entwickler, Hamilton gibt den jungen Wilden. So kompromisslos wie er sucht kaum einer seine Chance. Wie cool er gelegentlich ist und immer gerne wäre, ist an seinen mitunter funkelnden Ohrringen und dem Mode-Bärtchen zu erkennen.

Sein Auto trägt in diesem Jahr die Startnummer drei - und um die herrschte in Shanghai Panik, kurz bevor die Startaufstellung schloss: Hamiltons Motor sprang nicht an, eilig mussten Luftfilter und andere Anbauteile gewechselt werden. Im Ziel mimte Hamilton dazu den Stoiker: "Ich weiß nicht, was da los war. Wichtig war nur, Ruhe auszustrahlen, denn sonst färbt das auf die Mechaniker ab." Er rollte gerade noch pünktlich zum Start.

An dem lief dann alles, wie gewünscht: Button, der Qualifikations-Zweite, und Hamilton, der Dritte in der Startaufstellung, preschten beide an Sebastian Vettel vorbei. In dem Moment sah Button noch wie der aussichtsreichere der beiden McLaren-Fahrer aus, doch als der Kommandostand den 31-Jährigen an die Box rief, überhörte er die Einladung erst. Als er sie eine Runde später doch noch auffing, unterlief ihm ein Missgeschick: Er hielt vor der falschen Garage. So fiel er hinter Vettel zurück.

Schlimmer noch: Wegen der Panne ging auch der für Hamilton vorgesehene Boxen-Fahrplan nicht mehr auf. Zwischenzeitlich fielen die beiden auf die Plätze fünf uns sechs zurück. "Das war niederschmetternd", fand Whitmarsh, der da die Chance noch nicht sehen konnte, die das Dilemma bot. In der Not änderte das Team die Strategie und polte Hamilton von zwei auf drei Stopps um. Das schuf letztlich die Grundlage für seine Champagner-Fahrt.

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