Formel 1: Lewis Hamilton:Der Weltmeister wird der Lüge überführt

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Nicht wegen des verbotenen Überholmanövers, sondern weil Lewis Hamilton nach dem ersten Formel-1-Rennen die Unwahrheit sagte, wird er disqualifiziert.

Elmar Brümmer

Donnerstagnachmittags wird in der Formel 1 Probe gefahren. Das Safety Car dreht Runden und überprüft dabei die Zeitnahme. An diesem Donnerstag, um kurz nach 13 Uhr, erschien zur Generalprobe auf dem Sepang International Circuit in Malaysia auf den Monitoren eine Mitteilung der Rennleitung: "Vorfall um Auto Nummer eins wird untersucht."

Lewis Hamilton wurde disqualifiziert, das Urteil ist nachvollziehbar. (Foto: Foto: dpa)

Ein paar Stunden später sollte das Ergebnis dieser Untersuchung vorliegen: Lewis Hamilton, als Weltmeister die Nummer eins, wurde für sein Verhalten in der drittletzten Runde des Großen Preises von Australien am vergangenen Sonntag nachträglich disqualifiziert. Zudem wurde dem Toyota-Piloten Jarno Trulli, der wegen eines umstrittenen Überholmanövers in einer Safety-Car-Phase mit einer 25-Sekunden-Strafe belegt worden war, der dritte Platz zurückgegeben.

Die entscheidende Szene wird durch Aussagen, kaum durch Bilder beurteilt. Bis auf einen Schnipsel beim Internetportal Youtube gibt es keine offiziellen TV-Bilder. Unstrittig ist, dass während der Neutralisierungs-Phase nach dem Crash von Sebastian Vettel und Robert Kubica der Toyota von Trulli von der Piste abgekommen war, und der hinter ihm liegende Hamilton vorbeizog. Überholen aber ist, wenn das Signal "SC " erscheint, verboten. Hamilton rief über Funk sein Team an, wie er sich verhalten solle. "Zurückfallen lassen", war der Ratschlag.

Der Weltmeister sah es anders, diskutierte mit dem Kommandostand. McLaren-Mercedes fragte bei der Rennleitung nach. Die Antwort ließ auf sich warten. Vom Team erging die Anweisung an Hamilton: "Lewis, du musst den Toyota durchlassen. Jetzt." Hamilton antwortete: "Okay." Trulli gab an, dass der vor ihm fahrende McLaren plötzlich langsam und zur Seite gefahren sei. Daher wähnte er sich im Recht vorbeizuziehen.

Das Hin und Her hatte nach dem Rennen für Diskussionen gesorgt. Nach einer Anhörung war Trulli bestraft worden. In dem Moment kannten die Regelhüter den Funkverkehr zwischen Hamilton und seinem Team aber noch nicht. Sie konnten deshalb nicht ahnen, dass Hamilton Trulli absichtlich wieder vorbeigelassen hatte, denn auf die Frage, ob es eine solche Anweisung gegeben habe, hatten Hamilton und Teammanager David Ryan den Rennkommissaren in Melbourne "nein" geantwortet.

Die inzwischen offengelegte Funkfrequenz bewesist das Gegenteil. Aus diesem Grund bestellte der Automobilweltverband FIA den Isländer Olafur Gudmundsson und den Australier Steve Chopping, zwei der drei Richter von Melbourne, zum Grand Prix nach Malaysia. Dort wurde Hamilton an diesem Donnerstag noch einmal verhört und mit den neuen Erkenntnissen konfrontiert. Seine Disqualifikation stützt sich auf Paragraph 151 c des International Sporting Codes: Es sei "ein Schaden zum Nachteil des Sports" entstanden.

Das Urteil ist nachvollziehbar. Knackpunkt ist nicht der unübersichtliche Vorgang auf der Piste, sondern Hamiltons Lüge bei der Anhörung hinterher. Warum er den Rennkommissaren verschwieg, dass er Trulli auf Anweisung vom Kommandostand wieder passieren ließ, ist unklar. Offenbar wähnte er sich nach dem Rennen in einer günstigen Lage, um am grünen Tisch einen Platz gutzumachen. Hamilton äußerte sich zu dem Verdikt am Donnerstag nicht. Teamchef Martin Whitmarsch verteidigte das Vorgehen des Rennstalls.

Die Equipe habe den Funkverkehr bloß deshalb nicht erwähnt, weil doch jeder wisse, dass die FIA den mithöre. "Wir dachten, das sei nicht relevant. Das war ein Fehler", sagte Whitmarsch. In Berufung wird das Team nicht gehen. Mercedes-Sportchef Norbert Haug erklärte, warum: "Die Härte des Urteils ist unübersehbar. Wir brauchen jetzt all unsere Kraft für die Leistungssteigerung auf der Strecke und akzeptieren die Dinge, wie sie sind. Der nächste Grand Prix wird am Sonntag gestartet, der letzte ist abgehakt."

Hamilton musste wegen seiner Fahrweise schon häufiger Strafen einstecken. Nach dem 100-Millionen-Dollar-Urteil im Spionage-Prozess 2007 steht McLaren-Mercedes nun vor dem nächsten Image-Desaster: Der Weltmeister ist als Lügner überführt. Haug weist jegliche unredliche Absicht von sich: "Das kenne ich nicht in unserem Team."

Unangenehme Fragen wird er sich trotzdem noch einige anhören müssen. Die Protest-Arien zum Saisonauftakt und die wiederholte Korrektur des Resultates gefährden den so hoffnungsvoll formulierten Neuanfang der Formel 1. Aus dem Krankenstand grantelt der einstige Weltmeister Niki Lauda: "Es ist absurd, dass man vier Tage benötigt, um ein Resultat festzulegen."

© SZ vom 03.04.2009/jüsc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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