Formel1:Lauda schimpft über Hamiltons "sinnlosen Kraftakt"

Formula 1 -  Australia Grand Prix

Fassungslos: Mercedes-Aufsichsratschef Niki Lauda (rechts) beschimpft Lewis Hamilton nach dessen Crash mit Nico Rosberg

(Foto: Brandon Malone/Reuters)

Die Mercedes-Piloten Nico Rosberg und Lewis Hamilton schießen sich in Barcelona gegenseitig von der Fahrbahn. Über die Schuldfrage gibt es im Team lebhafte Debatten. Nur Aufsichtsratschef Lauda legt sich fest.

Von Elmar Brümmer, Barcelona

So also sieht ein Formel-1-Rennen aus, wenn Mercedes nur an den ersten drei Kurven teilnimmt: Es gibt eine neue Rangordnung, einen Sensations-Sieger, ein gegen alle gängigen Klischees über den Circuit de Catalunya unterhaltsames und spannendes Rennen. Vor allem aber eine Fortsetzung des Erfolgsstücks "Beste Feinde", aufgeführt von Lewis Hamilton und Nico Rosberg. Profitiert hat von all den Turbulenzen Max Verstappen: Der 18-jährige Red-Bull-Pilot ist nun der jüngste Grand-Prix-Gewinner der Historie, der Niederländer hielt zudem die Ferraris von Kimi Räikkönen (Finnland) und Sebastian Vettel (Heppenheim) auf Platz zwei und drei auf Distanz.

Im Fokus stand jedoch im Großen Preis von Spanien der kuriose Crash zwischen Hamilton und Rosberg. Die Szene ist ein neuer Tiefpunkt in einer ohnehin seit dem Spätsommer 2014 nachhaltig gestörten Beziehung zwischen dem Briten und dem Wiesbadener. Damals in Belgien krachte Rosberg seinem Jugendfreund ins Auto und konnte weiterfahren - wütend eilte Hamilton hinterher und doch noch zum ersten Titelgewinn im Silberpfeil.

Der Brite, der in der laufenden Saison 43 Punkte hinter dem viermaligen Sieger Nico Rosberg zurückliegt, besorgte es vor den Toren Barcelonas nun gründlicher - gleich beide aus der ersten Reihe gestarteten Mercedes-Werkswagen kreiselten nach der missglückten Attacke ins Kiesbett. Statt der von Hamilton erhofften Wende im WM-Kampf mit dem Start in die Europasaison herrscht nun wieder eine Zuspitzung der Verhältnisse. Daimler-Boss Dieter Zetsche reiste schon ein paar Minuten nach Rennstart mit säuerlicher Miene ab: "Wir lassen die beiden frei gegeneinander fahren, ein Unfall ist das einzige, was sie vermeiden müssen - jetzt ist es passiert." Vielleicht war es der mieseste Tag in der Karriere der beiden Titelfavoriten.

Passiert war, was nach genauerer Betrachtung durch die Streckenkommissare sportjuristisch als ein normaler Rennunfall zu betrachten ist - und damit nicht weiter verfolgt und gestraft wird. Der deutsche WM-Spitzenreiter war in der Startkurve an seinem Rivalen vorbeigezogen, das trieb den Briten nach der ersten Kurvenkombination zu einer Verzweiflungsaktion - offenbar hatte er den drohenden Verlust aller Titelhoffnungen schon jetzt vor Augen. Vor dem dritten Knick versuchte er rechts vorbeizuziehen, doch Rosberg zog ebenfalls nach innen. Hamilton geriet immer weiter aufs Gras, verlor die Kontrolle über seinen Silberpfeil, drehte sich und kollidierte mit dem Boliden des Kollegen. Teamaufsichtsrat Niki Lauda tobte sofort vor offenem Mikrofon: "Das ist inakzeptabel. Lewis hat einen vollkommen sinnlosen Kraftakt versucht. Unmöglich, dass sich unsere Fahrer zu diesem Zeitpunkt gegenseitig von der Piste rammen."

Rosberg hantiert kurz davor an seinem Lenkrad

In der Regel bekommt - wie im Straßenverkehr - derjenige die Schuld, der auffährt. Aber es gibt auch Cockpitbilder, die zeigen, wie Rosberg kurz vor der Szene am Lenkrad hantiert. Offenbar war er im falschen Modus, Experten vermuten auch, dass der Elektroschub verloren gegangen sein könnte und dadurch Hamilton herankommen konnte. Mit Rückkehr der Power schnellte Rosberg wieder vor und machte den Schlenker zur Seite, zu dem der Führende in der Kurve durchaus berechtigt ist. Und große Rücksicht auf Hamilton, das hat er sich vor dieser Saison geschworen, will er nach den Enttäuschungen der vergangenen Rennjahre nicht mehr nehmen.

Rosberg und Hamilton müssen zum Rapport antreten

Kaum waren die beiden Streithähne mit Mofas zurück ins Fahrerlager gebracht worden, mussten sie zum Rapport antreten. Die Teamchefs Toto Wolff und Paddy Lowe stapften ebenso wie Niki Lauda und Mercedes-Entwicklungs-Vorstand Thomas Weber die Stufen zur oberen Etage des Renntransporters hoch. 17 Minuten dauerte die Krisensitzung. Wolff versuchte abschließend, die Contenance und die Balance zu halten: "Wir sind in einer schwierigen Situation für das Team, da ist nicht einem die Schuld zuzuschieben. Als Team haben wir 43 Punkte verloren." Das bleibt nach wie vor auch der Abstand zwischen Rosberg und Hamilton in der Gesamtwertung, aber zwischen die beiden hat sich jetzt Ferrari-Pilot Kimi Räikkönen auf Platz zwei geschoben, 39 Punkte zurück.´

"Ich muss Nico den Rücken stärken, er kann nichts dafür"

Niki Lauda hingegen sieht die Schuldfrage weiterhin ganz anders, ähnlich dem Gewohnheitsrecht im Straßenverkehr: Wer auffährt, hat Schuld. "Ich möchte nicht ins Detail gehen", sagte Hamilton später, "es tut mir nur leid für das Team. Ich werde sicherstellen, dass so etwas nicht wieder passiert." Damit ist zumindest für Lauda die Sache erledigt: "Für mich ist das Wichtigste, dass uns Lewis in die Augen geschaut und sich sofort entschuldigt hat. Er sieht den Fehler sein. Es gab überhaupt keine Diskussion, Lewis hat das herausgefordert. Den Vorwurf, den ich ihm mache: Wieso in der zweiten Kurve? Ich muss Nico den Rücken stärken, er kann nichts dafür."

Dann schickt der Österreicher noch den interpretierbaren Satz hinterher: "Jetzt denken wir an die Zukunft." Zu erwarten ist, dass die Formel 1 künftig auch dann besonders spannend wird, wenn beide Mercedes-Piloten im Rennen bleiben. Nico Rosberg beteuert, dass sich das Verhältnis zum Teamkollegen durch den Vorfall nicht verändert habe. Das darf man gerne glauben. Es war ja eh kein gutes.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: