Formel 1:Kontrolle gegen Psycho-Tricks

Nico Rosberg startet beim Großen Preis von Ungarn vor Lewis Hamilton von der Pole Position. Doch das noch wichtigere Signal an seinen Rivalen und die ganze Renn-Serie ist seine Vertragsverlängerung.

Von Elmar Brümmer, Budapest/München

Die Floskel "im gegenseitigen Einverständnis" wird im Normalfall nur gebraucht, wenn sich zwei Parteien trennen. Größer als zwischen Nico Rosberg und Mercedes kann die Gegenseitigkeit kaum sein, weshalb es das am schlechtesten gehütete Geheimnis der Formel 1 war, dass sich das Silberpfeil-Team und der Wiesbadener über eine gemeinsame Zukunft verständigen würden. "Ein Traumpaar, quasi", sagt Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff über den vor dem Großen Preis von Ungarn (Sonntag, 14 Uhr) vollzogenen Akt.

Auf dem Hungaroring startet Rosberg von der Pole Position. Er profitierte beim Qualifying am Samstag davon, dass sein Teamkollege und Erzrivale Lewis Hamilton durch einen Dreher von McLaren-Pilot Fernando Alonso aufgehalten wurde, während er selbst in seiner entscheidenden letzten Runde auf dem verregneten Kurs die Kontrolle behielt. Kontrolle, das ist ja überhaupt das Thema für Rosberg in diesen Tagen; es war auch schon das Thema bei der Vertragsverlängerung am Freitag.

Für Nico Rosberg geht es gerade darum, alles gegen einen drohenden Kontrollverlust in der Weltmeisterschaft zu tun, vor allem mental: Sein Vorsprung gegenüber Hamilton ist vor dem Halbzeit-Grand-Prix in Budapest von 43 Punkten nach vier Rennen (und vier Siegen) auf einen winzigen Zähler geschrumpft. Das Autogramm ist also eines, das dem 31-Jährigen Sicherheit und Vertrauen geben soll. Jetzt und für die nächsten zweieinhalb Jahre - sein Vertrag ist vorzeitig bis Ende 2018 verlängert worden. "Für mich ist das ein besonderer Moment", kommentierte das Rosberg, und das darf man ruhig glauben - wieso sollte er auch seinen Platz im besten Auto der Hybrid-Ära so einfach aufgeben?

Hungarian Formula One Grand Prix

Verkniffenes Lächeln: Die Rivalen Nico Rosberg (r.) und Lewis Hamilton nach dem Qualifying in Ungarn.

(Foto: Janos Marjai/dpa)

Die Rivalität bringt Mercedes voran - und das ist den Herstellern wichtig

Hamilton nutzt auch solche Momente für Psychospielchen. "Ich will, dass Nico in Bestform ist. Wenn ich ihn dann schlage, dann fühlt es sich besser an", sagte er. Und auch am Samstag zeigte er sich unbeeindruckt, obwohl er sich auf dem für Überholmanöver ungeeigneten Kurs mit Startrang zwei begnügen musste. Er sei nicht allzu enttäuscht, sagte der dreimalige Weltmeister: "Es wird ein langes Rennen. Ich bin in der Position, um um den Sieg zu fahren"

Die Saga der Sternenkrieger geht also weiter. Etwas Besseres (allerdings auch Schwierigeres) hätte Mercedes kaum passieren können. Was die Überlegenheit der Silberpfeile an Dramatik nimmt, machen die internen Spannungen einmal mehr wett. Entscheidend dafür, dass Toto Wolff und Teamaufsichtsrat Niki Lauda weiterhin das bewährte "good cop, bad cop"-Spielchen aufführen dürfen, ist natürlich nicht die Verbesserung der Grand-Prix-Drehbücher. Vielmehr hat sich die Rivalität der beiden als enorm leistungsfördernd für den ganzen Rennstall entwickelt.

Da beide angewiesen sind, alle Set-Up-Daten und Erkenntnisse miteinander auszutauschen, bringen sie auch den Rennwagen und das Team voran - und das ist es am Ende, was den Herstellern am wichtigsten ist. Für sie ist die Formel 1 in erster Linie immer eine Konstrukteurs-WM. Mal davon abgesehen, dass Mercedes auch nichts dagegen hätte, wenn mal ein deutscher Fahrer mit einem deutschen Fabrikat Weltmeister werden würde - mit der Kombination Michael Schumacher/Nico Rosberg hatte das in den Aufbaujahren nicht geklappt.

Pascal Wehrlein muss seine Ambitionen vorerst zurückstellen

Ein ausgeglichen erstklassiges Fahrerduo wird vor allem vom nächsten Jahr an noch wichtiger werden, wenn mit einem neuen technischen Reglement auch die Hackordnung durcheinandergeraten kann. Rosberg/Hamilton dürfte die ausgeglichen beste Kombination sein, Red Bull setzt auf die aggressive Paarung Max Verstappen/Daniel Ricciardo, Ferrari bleibt zumindest 2017 bei Sebastian Vettel/Kimi Räikkönen. Mit der Rosberg-Verlängerung ist das Fahrerkarussell bei den Top-Teams damit fürs Erste gestoppt worden - samt unsinniger Spekulationen, Vettel könnte seinen Ferrari-Frust bei Mercedes kurieren. Auch der beim Manor-Rennstall geparkte Mercedes-Azubi Pascal Wehrlein muss seine Ambitionen auf einen Platz im Werksteam vorerst zurückstellen - er könnte nur dann vorher zum Zug kommen, falls die Beziehung zwischen Rosberg und Hamilton doch noch endgültig zerbrechen sollte.

"Mega" ist eines der Lieblingswörter von Nico Rosberg, und mit dem neuen Kontrakt hat er auch allen Grund, sich so zu fühlen. Vor allem, falls die Gehaltszahlen in etwa stimmen sollten, die durch das Fahrerlager am Hungaroring geistern. Mit Prämien soll der Wiesbadener demnach bis Ende 2018 auf über 40 Millionen Euro kommen. Rennfahrer machen ihren Stellenwert häufig mehr an Einkommenszahlen denn an WM-Punkten fest. Damit würde es Rosberg, der im mittlerweile siebten Jahr den Silberpfeil steuert, immerhin auf zwei Drittel der Gehaltssumme seines Teamkollegen Lewis Hamilton bringen. Aber der ist ja auch dreimal häufiger Weltmeister als Rosberg - noch.

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