Formel 1:Investoren aus dem Dunkeln

Weil sich Firmen wie BMW zurückziehen, treten neue Kräfte auf die Bühne der Formel 1 - ihre Seriosität ist aber undurchsichtig. Erstmals seit 1997 wird kein Autokonzern direkt am WM-Sieg beteiligt sein.

René Hofmann

Die Formel-1-Saison 2009 geht auf die Zielgerade. Zwei Rennen noch, dann beginnt die Winterpause, die am 14. März enden soll. Als erstes Rennen 2010 sieht der Kalender den Großen Preis von Bahrain vor. Das Königreich, das sich über 33 Inseln erstreckt, liegt im Persischen Golf. Zwei Drittel seines Bruttosozialproduktes werden im Dienstleistungssektor erwirtschaftet. Eine Spezialität dabei: gute Bedingungen für Offshore-Banken.

Bahrain ist ein Ort, der gut zum Neustart passt, welcher der Rennserie bevorsteht. Jenson Button oder Rubens Barrichello von BrawnGP oder Sebastian Vettel von Red Bull - nur diese drei Piloten haben noch Titelchancen. Erstmals seit Williams 1997 mit Jacques Villeneuve wird damit in diesem Jahr wieder ein Team den Weltmeister stellen, an dem kein Autokonzern direkt beteiligt ist. Gut ein Jahrzehnt lang dominierten die Autofirmen den Sport. Jetzt ziehen sie sich zurück, und neue Kräfte treten auf die Bühne - Investoren mit einer starken Affinität zu Wachstumsmärkten und zu Offshore-Banken.

Das Beispiel des Teams, das BMW vor vier Jahren dem Schweizer Peter Sauber abkaufte, illustriert diesen Trend am besten. In Hinwil bei Zürich hat Sauber eine Fabrik aufgebaut, in der aktuell gut 400 Mitarbeiter Formel-1-Autos bauen. Als der BMW-Vorstand Ende Juli beschloss, sich aus der Rennserie zurückzuziehen, bot der Konzern die Firma zum Verkauf an. Am 15. September kam die Meldung, dieser sei geglückt. Qadbak, "eine in der Schweiz ansässige Stiftung, die die Interessen von im Mittleren Osten und in Europa ansässigen Familien vertritt" (BMW-Aussage), werde das Team übernehmen.

Wer sich hinter Qadbak verbirgt, wurde nicht mitgeteilt. Das kommt erst jetzt allmählich ans Licht - über den Umweg Großbritannien. Dort versucht Qadbak nämlich, über seine auf den Jungferninseln registrierte Investment-Firma Munto Finance den Fußball-Viertligisten Notts County zu übernehmen.

Um zu verhindern, dass die Vereine in unsaubere Hände fallen, durchleuchtet die Liga-Organisation Investoren, die nach mehr als 30 Prozent eines Vereins greifen. Unter diesem Druck teilte Notts County Ende September zwei Familien mit, die Schlüsselrollen in Qadbak spielen sollen: die Familien Shafi und Hyat aus dem Nahen Osten. Sir Sikwander Hyat und Nawab Sir Liaquat Hyat, die in der Aussendung als Beispiele für die mehr als 200 Jahre alte Familientradition von ehrbaren Geschäftsleuten genannt wurden, sind allerdings schon länger tot. Und Anwar Shafi, der als Qadbak-Sprecher zitiert wurde, distanzierte sich in mehreren britischen Medien von der Rolle. "Dieses Statement stammt nicht von mir. Ich habe nicht in Qadbak investiert", sagte er dem Guardian.

Derlei Unstimmigkeiten haben nicht gerade dazu beigetragen, die Seriosität der Investoren zu unterstreichen. Am Donnerstag beriet die Fußball-Liga über den Qadbak-Einstieg bei Notts County - und entschied, eine Entscheidung darüber zu vertagen. Die Investoren sollen noch weitere Informationen vorlegen. Peter Trembling, der von Qadbak im Vorstand des Fußball-Klubs installiert wurde, empfindet die kritische Berichterstattung über die Geldgeber als "skandalös".

"Ich kann einfach nicht verstehen, warum die Menschen nicht applaudieren, wenn diese Geschäftsleute hier investieren wollen", sagte er dem BBC Radio Nottingham. Ein Grund dafür könnte er selbst sein. Die Times berichtet, Trembling habe vor seiner Installation bei Notts County als Geschäftsführer einer Firma gearbeitet, die mit der Belgravia Group in Verbindung stand. Gegen die laufen auf der Insel Jersey Ermittlungen wegen Betrugs, wie eine Sprecherin der Joint Financial Crimes Unit dem Züricher Tagesanzeiger bestätigte.

In diesem Zusammenhang ebenfalls ins Licht der Öffentlichkeit gerückt ist Russell King. King spielte bei Belgravia eine Rolle und - hier schließt sich der Kreis zur Formel 1 - bei den Verhandlungen zwischen BMW und Qadbak. King soll laut Times 1991 wegen Versicherungsbetrugs zu einer Haftstrafe von zwei Jahren verurteilt worden sein, die Fachzeitschrift auto, motor und sport berichtet auf ihrer Internetseite von einer zweimonatigen Haftstrafe wegen "eines fehlgeschlagenen Investmentgeschäfts".

McLaren-Geschäftsführer Martin Whitmarsh sagte am vorigen Wochenende beim Rennen in Japan: "Als ich seinen Namen gehört habe, habe ich begonnen, mir um Sauber Sorgen zu machen." Russell hatte vor einiger Zeit mit McLaren über technische Unterstützung für ein Team verhandelt, das mit der Hilfe von Geldgebern in Dubai entstehen sollte.

Anders als im englischen Fußball gibt es in der Formel 1 keine Instanz, die die Hintergründe der Team-Eigner durchleuchtet. Scheitern könnte die Übernahme des einstigen BMW-Sauber-Teams durch Qadbak trotzdem noch. Bisher hat die Mannschaft nämlich gar keinen Startplatz. Der Brite Frank Williams, Chef und Eigentümer des gleichnamigen Teams, hat sein Veto dagegen eingelegt, dass die Zahl der Teilnehmer auf 14 Rennställe erhöht wird.

Nun muss BMW darauf hoffen, dass einem der anderen 13 eingeschriebenen Teams bald die Luft ausgeht - oder dass der Automobilweltverband Fia eine Ausnahmegenehmigung erteilt. Der Kaufvertrag mit Qadbak ist nämlich an die Klausel geknüpft, dass es 2010 eine Startlizenz für das Team gibt, wie BMW-Sprecher Michael Rebstock auf Anfrage bestätigte. Die neuen Zeiten beginnen wie so oft: mit vielen Ungewissheiten.

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