Formel 1 in Valencia:Zynismus gegen Bernie Ecclestone

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Manama, Montréal, Valencia: Immer häufiger nutzen Bürger Formel-1-Rennen zum politischen Protest. In Valencia stören die Menschen der Stadtkurs und die immensen Kosten, die das Rennen verursacht; bei Zuschauern ist der Große Preis von Spanien ohnehin unbeliebt - Formel-1-Chef Ecclestone kommt das gelegen.

Elmar Brümmer

Drama. Unterhaltung. Geschäft. Die Formel 1 ist viel mehr als nur Profi-Rennsport, und deshalb ist auch die Kulisse wichtig. In dieser Saison lässt sich wenig vorhersagen, weshalb es nicht unmöglich erscheint, dass am Sonntag in Valencia im achten Rennen der achte Sieger gekürt wird. Ganz sicher aber werden die Bilder mächtig wirken, wenn die Kameras aus der Luft über den Straßenkurs schwenken: Die Piste schlängelt sich um den ehemaligen America's-Cup-Hafen, dahinter brandet das Mittelmeer, daneben verläuft die Strandpromenade. Es wirkt wie ein Urlaubs-Grand-Prix.

Formel-1-Chef Ecclestone kommt der Zwist zwischen Valencia und Barcelona zurecht - er braucht Platz für lukrativere Rennorte. (Foto: dapd)

Auf dem Weg zur Strecke bot sich der Formel-1-Belegschaft am Donnerstag aber ein ungewohntes Bild - eines, das sie auch schon bei den jüngsten Gastspielen in Bahrain und Kanada sah: Mannschaftswagen der Polizei, Demonstranten, welche die Öffentlichkeit nutzen, die das Rennen bringt, um auf regionale Missstände hinzuweisen. Beinahe überall auf der Welt dient die Formel 1 als Vehikel von Stadt- oder Landregierungen, um entweder Image (Manama/Bahrain) oder Umsätze (Montréal) zu genieren, oder beides (Valencia). Die Proteste in Spanien sprühen vor Zynismus: "Ich liebe Zäune", steht an einer Hauswand.

Die Bewegung nennt sich "Circuit Urba-No", will den Stadtkurs und die Einschränkungen für die Valencianer nicht mehr hinnehmen, wo es doch vor den Toren der Stadt ein Motodrom gebe. Allerdings in einer wenig lieblichen Landschaft. Die Aktivisten, die am Samstag und am Sonntag zu Versammlungen in ein historisches Hotel an der Strecke eingeladen haben, geißeln das "Trugbild von Pracht und Herrlichkeit". Mit den 100 Millionen Euro, die der Große Preis bisher gekostet hat, sei das zu teuer erkauft; schließlich seien Schulen und Hospitäler baufällig. Verschwendungssucht in Zeiten der Finanzkrise - das findet durchaus eine breitere Zustimmung.

In einem offenen Brief wurde Fernando Alonso aufgefordert, die Augen nicht vor "Demütigung, Verärgerung und Provokation" zu verschließen. Mit seinem Aufschwung zum Weltmeister hatte die Motorradnation Spanien den Vierrad-Sport entdeckt. Eine richtige Renn-Kultur ist daraus aber noch nicht geworden, es ist mehr eine Jubelveranstaltung.

Aber immerhin: Die Banco Santander ist einer der Hauptsponsoren der Rennserie und von Ferrari. Außerdem wurde das Hispania Racing Team gegründet, in dem der 41 Jahre alte Spanier Pedro de la Rosa noch ein bisschen fahren darf. Valencias Bürgermeisterin Rita Barbera Nolla sah in der Idee eines Stadtrennens ursprünglich eine Chance, das Brachland rund um den Hafen zu erschließen. Das ist bisher nicht wirklich gelungen.

Etwa 30 Millionen Euro Verlust, die aus öffentlichen Kassen ausgeglichen würden, mache das Rennen, behaupten die Gegner von Democràcia Rela Ja Valencia. Und: Die Zuschauerzahlen gehen zurück. 2008 sollen noch mehr als 100.000 Zuschauer gezählt worden sein, 2011 war es nicht mal die Hälfte und für diesen Sonntag prognostizieren Pessimisten eine weitere Halbierung.

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Elmar Brümmer

Die Krise zwingt die beiden Städte Valencia und Barcelona - die eigentlich Erzrivalen sind - dazu, sich künftig abzuwechseln, ähnlich wie es der Nürburg- und der Hockenheim-Ring in Deutschland auch tun. 2013 wird in Barcelona gefahren, 2014 in Valencia. Grand-Prix-Promoter Bernie Ecclestone, der von den Formel-1-Gegnern als Fratze gezeigt wird, kommt die Rochade zupass. Er braucht für neue, lukrativere Rennen wie in New York, Argentinien, Mexiko oder Russland Plätze im Rennkalender.

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Elmar Brümmer

Ferrari-Fahrer Fernando Alonso, 30, ist inzwischen schon zu lange im Geschäft, um sich noch auf politische Kommentare einzulassen. Natürlich sei die Wirtschaftskrise traurig, und er mache sich Sorgen, sagte er an diesem Donnerstag. Aber: "Der Sport ist was ganz Anderes. Wir haben hier eine großartige Veranstaltung, die ganze Welt schaut auf die Stadt, das ist eine sehr gute Werbung in Spanien. Und die Krise herrscht doch überall auf der Welt, wenn wir jetzt anfangen würden, die Sportveranstaltungen durchzugehen, werden wir nie fertig. Man kann sich auch fragen, ob die Fußball-EM oder Olympia in den richtigen Ländern ausgetragen werden."

Kollege Pedro de la Rosa empfiehlt dem Formel-1-Zirkus: "Wir sollten uns auf unseren Job konzentrieren, und den Leuten gerade jetzt gute Unterhaltung bieten."

Für Fernando Alonso ist die Atmosphäre in Valencia angeblich eine der besten: "Für mich ist das fast so wie in Singapur." Im südostasiatischen Stadtstaat allerdings sind jegliche Demonstrationen gegen den Willen der Autokratie undenkbar.Ver

© SZ vom 22.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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