Formel 1 in Ungarn:"Lewis, lass Nico bitte durch!"

F1 Grand Prix of Hungary

Lewis Hamilton vor Nico Rosberg: Der Brite ignoriert die Stallorder des Teams

(Foto: Getty Images)

Daniel Ricciardo gewinnt den turbulenten Großen Preis von Ungarn - bei Mercedes spitzt sich das Duell zwischen Lewis Hamilton und Nico Rosberg zu. Der Brite ignoriert einen Funkspruch. Den Deutschen macht das fassungslos.

Von René Hofmann

Eine Dreiviertelstunde vor dem Start zum Großen Preis von Ungarn ging ein heftiger Gewitter- regen über dem Hungaroring nieder. Die Nässe brachte dem Rennen etwas, was es auf dem winkeligen Kurs bei Budapest bisher nicht oft gegeben hatte: Abwechslung und Spannung. Zahlreiche Unfälle auf der rutschigen Piste zogen mehrere Safety-Car-Einsätze nach sich.

Erst zum zweiten Mal in dieser Saison saß der Sieger nicht in einem Mercedes. Wie beim Großen Preis von Kanada nutzte der Australier Daniel Ricciardo die Chance, die sich ihm dadurch bot, dass der dominante Rennstall nicht ganz auf der Höhe war. Wenige Kilometer vor der karierten Flagge eroberte der Red-Bull-Pilot die Führung von Ferrari-Fahrer Fernando Alonso und kam so zu seinem zweiten Formel-1-Triumph. "Absolut verdient, toll!", bekam der 25-Jährige daraufhin am Funk zu hören. Gleich sechsmal "super" wurde Fernando Alonso ins Cockpit gefunkt. Mit 18 WM-Punkten für den Spanier war nach dem fünften Platz in der Qualifikation am Samstag nicht zu rechnen gewesen.

Die größte Überraschung an diesem an Überraschungen reichen Nachmittag aber glückte sogar noch einem anderen. Als Dritter zur Siegerehrung wurde Lewis Hamilton geladen. Jener Lewis Hamilton, der am Samstag die Strecke noch mit hängenden Schultern verlassen hatte, weil sein Formel-1-Mercedes völlig ausgebrannt war, nachdem ein Benzinleck aufgetreten war. "Das ist eine Strecke, auf der man nicht überholen kann. Ich werde Probleme haben, unter die besten Zehn zu kommen, geschweige denn unter die besten Fünf", meinte Hamilton, bevor es losging.

Weil so viel am Auto getauscht worden war, musste er aus der Boxengasse starten. Im Ziel konnte Hamilton sich dann darüber freuen, dass sein Rückstand in der Fahrerwertung auf seinen Teamkollegen Nico Rosberg nicht weiter anwuchs. Im Gegenteil. Statt mit 14 Punkten wie vor dem elften Saisonrennen liegt Hamilton nun nur noch mit elf hinter Rosberg, der zu den Verlierern des Tages gehörte. Vierter - so weit hinten ist Rosberg in diesem Jahr noch nie an der karierten Flagge vorbeigekommen. Und das, obwohl er von der Pole Position aus gestartet war. Und obwohl das Team alles tat, um ihn möglichst weit nach vorne zu lotsen. Vielleicht sogar zu viel.

18 Runden vor dem Ziel erging ein kontroverser Funkspruch an Hamilton, der zu diesem Zeitpunkt unmittelbar vor Rosberg fuhr. Es war klar, dass Rosberg im Gegensatz zu Hamilton noch einmal Reifen würde wechseln müssen. Das Team rechnete hoch, dass die Reihenfolge Rosberg vor Hamilton perspektivisch die bessere sein würde. Entsprechend erging an Hamilton die Anweisung: "Lass' Nico in dieser Runde bitte durch! Auf der Start- und Zielgeraden." Hamilton ignorierte die Ansage. Was Rosberg schäumen ließ: "Warum lässt er mich nicht durch?", wollte er wissen, woraufhin vom Kommandostand nur kleinlaut zurückkam: "Wir haben es ihm gesagt."

Hamiltion reagiert "schockiert"

Nach dem Rennen wollte Rosberg sich zu dem Vorgang nicht mehr äußern. "Das bringt jetzt nichts", fand er. Nur so viel: Dass er Hamilton am Ende nicht schnappte, "nervt mich extrem". Die Kontroverse über die Vorfahrtsregeln bei den WM-Dominatoren dürfte die Branche noch einige Zeit beschäftigen. Weil sie im Gegensatz zu dem steht, was die Mercedes-Gewaltigen bisher stets betonten - dass Hamilton und Rosberg ohne Einflussnahme gegeneinander antreten dürfen. Und weil bereits am Samstag Zweifel keimten, dass beide wirklich die gleiche Unterstützung erfahren.

Das Benzinleck war Hamiltons vierte Panne in diesem Jahr. Eine Serie, die den 29-Jährigen misstrauisch werden lässt: "Wir kommen an einen Punkt, wo es nichts mehr mit Pech zu tun hat", findet er. Wie angespannt die Stimmung im Team ist, zeigt der Umgang mit dem Defekt. Hamilton fragte die Rennstall-Führung, ob er sich mitanschauen müsse, wie Rosberg zur Pole Position eile? Die Anführer fanden: Er müsse nicht. Also verließ Hamilton umgehend die Rennstrecke, als die anderen noch fröhlich Runden drehten. "Lewis ist unheimlich sensibel, und wir machen uns als Team viele Gedanken, wie er bestens funktioniert", gab Teamchef Toto Wolff zu. Als Aufbauhilfe ging Team-Aufsichtsratschef Niki Lauda am Samstagabend mit dem Sensibelchen essen.

Bis zum nächsten Gastspiel am 24. August in Spa/Francorchamps in Belgien könnten noch mehr solcher Tafelrunden nötig werden. Denn Hamilton war alles andere als angetan von den Funk-Vorgaben, Rosberg im Rennen passieren zu lassen. "Ich war schockiert", gab er nach dem Grand Prix an und erinnerte daran, wie viele Rennen noch zu fahren seien: acht, wobei es beim letzten am 23. November in Abu Dhabi doppelte Punkte geben wird.

Nico Hülkenberg kommt erstmals nicht ins Ziel

Hoffnungen auf einen starken Schlussspurt hegt auch Sebastian Vettel. "Eine harte erste Saisonhälfte" sei das gewesen, gab der Titelverteidiger zu, nachdem er den siebten Platz belegt hatte. Wie Rosberg hatte auch Vettel bei der ersten Safety-Car-Phase das Pech gehabt, nicht im günstigsten Moment seine Reifen wechseln zu können. Später verlor er dann zwei Plätze , weil ihn die Zusatz-Batterie-Kraft seines Renault-Motors wieder einmal im Stich ließ. Ein spektakulärer Dreher auf der Start-und-Zielgeraden, bei dem Vettel den Red Bull nur Zentimeter vor einem kräftigen Einschlag in die Boxenmauer noch abfing, half ebenfalls nicht. Der leichte Aufwärtstrend, von dem am Samstag nach Platz zwei in der Qualifikation noch die Rede war, bestätigte sich jedenfalls nicht.

Zum ersten Mal in dieser Saison nicht ins Ziel und damit zum ersten Mal auch nicht in die Punkteränge schaffte es Nico Hülkenberg. Dem Force-India-Fahrer unterlief das Missgeschick, ausgerechnet seinem Teamkollegen Sergio Perez ins Heck zu rutschen. "Da muss ich mir an die eigene Nase packen", wusste Hülkenberg. Stets gepunktet hat damit jetzt nur noch einer: Fernando Alonso.

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