Formel 1 in Silverstone:Mercedes verhöhnt Red Bull

Mercedes Formula One driver Rosberg of Germany steers his car ahead of compatriot Red Bull Formula One driver Vettel during the Monaco F1 Grand Prix

Wortstarkes Duell: Mercedes (vorne) gegen Red Bull.

(Foto: REUTERS)

Nur ein Wortgeplänkel? Eher nicht. Die Äußerungen von Mercedes-Sportchef Toto Wolff über den Konkurrenten Red Bull zeigen, wie vergiftet die Atmosphäre zwischen den Top-Rennställen in der Formel 1 ist. Und das Gegeneinander nimmt gerade so richtig Fahrt auf.

Von Elmar Brümmer, Silverstone

"Lenient?" Da muss Mercedes-Sportchef Toto Wolff erst einmal nachdenken. "Lenient", das ist das englische Wort, das Red-Bull-Teamchef Christian Horner vor dem Großbritannien-Grand-Prix an diesem Wochenende (Quali Sa., Rennen So., 14 Uhr) zur Strafe des Automobilweltverbandes FIA wegen des geheim gehaltenen Mercedes-Tests vor dem Großen Preis von Monaco eingefallen ist. Mercedes wird verwarnt und darf nicht an den Testfahrten für Talente im Juli teilnehmen.

"Lenient" kann als "mild, nachsichtig oder glimpflich" übersetzt werden. Ein entscheidendes Wörtchen, das Horner sich dazu denkt, heißt "zu": zu aggressiv das Vorgehen der Konkurrenz, zu milde der Richterspruch. Bei dem Zwist geht es aber nicht nur um die sprachliche oder die juristische Deutungshoheit. Das Wortgeplänkel ist Ausdruck von mehr: Die Atmosphäre zwischen den Top-Rennställen ist vergiftet. Und das Gegeneinander nimmt gerade so richtig Fahrt auf.

Wie sehr die 1000 Testkilometer, die Mercedes im Auftrag von Einheitsreifenlieferant Pirelli zurücklegte, Red Bull auch eine Woche nach dem Urteil noch schäumen lassen, zeigt, wie ernst die Titelverteidiger das Werksteam aus Stuttgart nehmen. Im Machtkampf um die Spitze tummeln sich plötzlich drei: Red Bull, Ferrari und Mercedes.

Der Konzern zeigt trotz des eindeutigen Schuldspruchs der FIA keinerlei Zurückhaltung. Im Gegenteil. Die Ansprüche der Marke formuliert Wolff, der sich seit einem knappen halben Jahr im Amt befindet, in Silverstone forsch: "Es ist nicht akzeptabel, dass ein Brausehersteller dauerhaft 100 000 Mercedes-Benz-Mitarbeitern vor der Nase herumfährt."

Welche Wirkung so ein Satz auf die Rivalen hat, lässt sich leicht vorstellen. Im Moment wirkt Red Bull angesichts der Kampfansage aber erst einmal vor allem nervös. Helmut Marko, der als Mittelsmann zwischen Konzernchef Dietrich Mateschitz und dem britischen Rennteam fungiert, spricht nicht mehr mit österreichischen Journalisten, die Red Bull angesichts des Frustes über die milde Strafe gegen Mercedes rieten, man solle sich doch lieber beim Klippenspringen engagieren, wo man die Regeln selber machen könne.

Abbruch diplomatischer Beziehungen

Die Fronten sind klar. Und sie verhärten sich zunehmend. "Es gibt für mich eine Grenze, und die wurde von Red Bull überschritten. Ich habe es im Sport und in meinen 20 Jahren in der Wirtschaft noch nie erlebt, dass jemand so auftritt", geißelt Mercedes-Mann Wolff, wie sich Red Bull im sogenannten Testgate-Streit verhielt.

Christian Horner war als einziger Formel-1-Hochkaräter neben dem angeklagten Mercedes-Teamchef Ross Brawn zum FIA-Tribunal nach Paris gereist. Der Red-Bull-Teamchef hatte sich als Zeuge angeboten, nachdem sein Team dem Gericht schon mehrere Dutzend Seiten Expertise gegen Mercedes zur Verfügung gestellt hatte. Im letzten Dokument, 18 Seiten stark, forderte Red Bull den Abzug von 162 WM-Punkten wegen unerlaubter Vorteilsnahme.

Diese Art Amtsanmaßung hat zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen geführt, obwohl Marko und Wolff beide aus Österreich stammen. Die Fachzeitschrift auto, motor und sport konstatiert: "Es wirkt fast so, als kehrte der Motorsport in eine Zeit zurück, in der sich die Teams bis aufs Blut anfeindeten." Selbst Sebastian Vettel, sonst ein 1a-Diplomat, stichelt: "Wenn man jetzt davon spricht, dass die Mercedes-Leute die Buhmänner sind, spiegelt das vielleicht die Gefühlslage im Fahrerlager wider."

Bei Mercedes sehen sie die Sache so: Mit dem Test hat man sich in eine Grauzone gewagt. Derlei ist im Top-Motorsport immer schon Brauch. Hinter den Kulissen gilt schließlich der gleiche Grundsatz wie auf der Strecke: Immer ans Limit! Den Gegner bei jeder Gelegenheit schwächen! Diese neue Aggressivität geht auch auf Wolff zurück. Er hat das Team weiter personell verstärkt. Team-Aufsichtsratschef Niki Lauda spielt geschickt Doppelpass mit dem mächtigen Formel-1-Vermarkter Bernie Ecclestone. Der Motor, den Mercedes für das kommende Jahr entwickelt, wenn ein neues Reglement die Turbolader zurückbringt, gilt als stark.

Mit Lewis Hamilton und Nico Rosberg hat Mercedes gleich zwei gute Fahrer. All das zusammen lässt die Silbernen zu einem gefährlichen Faktor reifen. Wenn aber schon jetzt so scharf geschossen wird, wie soll das erst werden, wenn sich die Teams sportlich wirklich auf einem Niveau bewegen? "Anerkennung muss man sich erarbeiten, Mitleid kriegt man umsonst", sagt Wolff, "aber wir brauchen keine Komplimente von Red Bull. Sie sind ein Konkurrent, nicht mehr und nicht weniger."

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