Formel 1 in Schanghai:"Wir sind die Schnellsten, Mann!"

Lewis Hamilton, Sebastian Vettel

Lewis Hamilton (links) und Sebastian Vettel stehen nach zwei Rennen punktgleich an der WM-Spitze.

(Foto: AP)
  • Nach Lewis Hamiltons Sieg beim Formel-1-Rennen in China liegen er und Sebastian Vettel gleichauf in der WM-Wertung.
  • "Das wird eines meiner engsten Titelrennen werden, wenn nicht das engste überhaupt", glaubt Hamilton.
  • Die Machtverhältnisse haben sich verschoben, Mercedes dürfte in dieser Saison kein Alleingang gelingen.

Von Elmar Brümmer

Lewis Hamilton und Sebastian Vettel haben zwar nach dem Rennen im Parc fermé zunächst noch ihre Helme auf, aber um zu erkennen, wie die beiden Ausnahmefahrer der Formel 1 miteinander umgehen, muss man ihnen nicht unbedingt ins Gesicht sehen. Die Intensität der Gesten und Berührungen zeigte auch nach dem Großen Preis von China: Da haben sich zwei gefunden, zum Wohl der ganzen Serie.

"Bromance", eine innige Beziehung unter Männern, nennen das die Briten, und die BBC schwärmt schon von einem Duell der Ikonen. Im taktisch bestimmten, aber dennoch munteren zweiten Grand Prix der Saison kam es auf der Strecke zwar nicht zu einem britisch-deutschen Rad-an-Rad-Duell. Doch nach der gelungenen Revanche des Mercedes-Piloten für die Auftaktniederlage in Melbourne liegen die beiden Rivalen jetzt punktgleich an der WM-Spitze. Hamilton bestätigte dann auch die Annahme der BBC: "Das wird eines meiner engsten Titelrennen werden, wenn nicht das engste überhaupt."

Die letzten Meter sind ja oft die entscheidenden, nach 56 anstrengenden Runden absolvierte sie Lewis Hamilton voll konzentriert. Minutiös parkte der Sieger des Großen Preises von China in der Boxengasse, schnallte sich los, nahm das Lenkrad ab. Dann blickte er hoch, und dort sah er ein Schild mit einer überdimensionalen Eins direkt vor sich. Der Mercedes-Werksfahrer war angekommen. Und er dürfte Genugtuung empfunden haben über das geglückte Comeback der Silberpfeile.

Nuancen werden die Meisterschaft entscheiden

Nach den schwierigen Bedingungen bei seinem 54. Grand-Prix-Sieg wurde Hamilton von seinem Renningenieur "Meisterklasse" bescheinigt. Sebastian Vettel attestierte dem Gegenspieler die Ausnahmestellung: "Ich habe versucht, zu ihm aufzuschließen. Aber jedes Mal hatte er eine Antwort." Und Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff wusste: "An solch' schwierigen Tagen willst du niemanden anders im Auto haben als Lewis."

Beim 150. Start des Mercedes-Teams in der Formel 1 demonstrierte der Sieger mit dem Grand Slam des Motorsports (Pole-Position, Sieg, schnellste Runde und Führung in jeder Runde) eindrucksvoll seinen Anspruch auf den verlorenen Titel. Mal grinste er während der Nationalhymne in sich hinein, mal faltete er die Hände in einer Geste der Dankbarkeit. Aus Vettel war die Freude schon auf der Auslaufrunde herausgebrochen - und so etwas geschieht selten, wenn der Heppenheimer nur Zweiter wird: "Wir sind die Schnellsten, Mann, die Schnellsten! Nächstes Mal gewinnen wir."

Es sind Nuancen in der Fahrzeugabstimmung, die in dieser Saison den Zweikampf Silber gegen Rot entscheiden werden, abhängig von der speziellen Beschaffenheit der jeweiligen Strecke. In Shanghai kamen grenzwertige Trainings- und Wetterbedingungen hinzu. Und auch wenn Vettel noch so oft erklärte, Mercedes bleibe das Maß aller Dinge, ist Hamilton gewarnt: "Es ist sehr, sehr eng. Und es wird Zeiten geben, in denen es noch enger wird, wenn das Safety-Car keine Rolle spielt. Darauf freue ich mich. Es ist ein Rennjahr, in dem alles passen muss."

"Wir müssen uns an eine neue Zeitrechnung gewöhnen"

Vom Start weg demonstrierte Lewis Hamilton auf der noch feuchten Strecke Siegesgewissheit. Der spätere Dritte, Max Verstappen, war von Rang 16 aus ins Rennen gegangen und hatte sich nach dem ersten Umlauf bereits um neun Positionen verbessert. Vettel stand nicht ganz sauber in seiner Startbox und kam auch nicht richtig gut weg.

Doch seinen schnellen Rückstand auf Hamilton hatte er einem taktischen Missgeschick zu verdanken: Zwar hatte er als erster der Spitzengruppe während einer virtuellen Safety-Car-Phase Slicks geholt, doch der Vorteil wurde umgehend zum Nachteil, als das Rennen nach einem Crash von Sauber-Ersatzpilot Antonio Giovinazzi von einem echten Safety-Car angeführt und so neutralisiert wurde. Alle anderen Fahrer konnten unter Überholverbot ebenfalls die Pneus wechseln, plötzlich war der Heppenheimer nur noch Sechster.

Das Vertrauen in die eigene Frühform ließ Vettel eine aggressiv Aufholjagd starten. Zunächst schnappte er sich Daniel Ricciardo im Red-Bull-Renault, bei dem Manöver touchierten sich die Reifen der beiden. "Beherzt" nannte Vettel sein Manöver, auch seinen Teamkollegen Kimi Räikkönen musste er sich erst zurechtlegen, am längsten steckte er schließlich hinter Verstappen fest. Angekommen auf Position zwei versuchte Ferrari mit einem frühen zweiten Reifenwechsel Mercedes zu überrumpeln - aber auch dieser Trick funktionierte nicht.

Für Mercedes bestätigt sich nach dem zweiten WM-Lauf die Annahme, dass sich trotz eines sehr eindeutigen Rennverlaufs auf dem Shanghai International Circuit die Machtverhältnisse in der Königsklasse verschoben haben. "Alleingänge wird es keine mehr geben, wir müssen uns an eine neue Zeitrechnung gewöhnen, und diese wird vom Kampf bestimmt sein." Etwas, worauf sich Gegenspieler Vettel ebenso freut wie über die neue Fahrzeuggeneration: "Ich kann das ganze Rennen über Druck machen, das Limit liegt deutlich höher als in den letzten Jahren. Für mich bleibt Mercedes das Maß der Dinge. Wir waren einmal davor, jetzt einmal dahinter. Ich versuche, die Dinge nicht zu verkomplizieren."

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