Formel 1 in Russland:Rosberg schimpft über den Pfennig-Defekt

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Nico Rosberg wurde in führender Position von einem technischen Defekt ausgebremst. (Foto: AFP)
  • Wegen eines technischen Defekts muss Nico Rosberg als Führender beim Großen Preis von Russland aufgeben.
  • Sein ärgster Konkurrent und Sieger in Sotschi, Lewis Hamilton, ist dem WM-Titel dadurch ein Stück näher gekommen.
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Von René Hofmann

Ein Tritt an den Radkasten wäre mehr als verständlich gewesen. Aber Nico Rosberg hielt sich zurück. Der 30-Jährige sprach nach seinem frühen Aus beim Russland-Grand-Prix lediglich von einer "Riesenenttäuschung". Ein Schaden an einem kleinen Teil seines aus rund 5000 Teilen bestehenden Formel-1-Mercedes, ein sogenannter Pfennig-Defekt, hat den Deutschen am Sonntag in Sotschi im Kampf um den Formel-1- Titel weit zurückgeworfen, vielleicht sogar entscheidend. Nach Rosbergs Aus jagte sein Teamkollege Lewis Hamilton ungefährdet dem Sieg entgegen. In zwei Wochen, beim Auftritt in Austin/Texas, kann der Brite nun bereits den Titel einfahren. Es wäre das dritte Mal, das ihm dies glückt und der zweite WM- Triumph in Serie.

Nach 15 Rennen führt Hamilton die Fahrerwertung mit 302 Punkten an. Am nächsten kommt ihn mit 236 Punkten nun Ferrari-Fahrer Sebastian Vettel, der in Russland Zweiter wurde vor dem Mexikaner Sergio Perez. Der Force-India-Lenker profitierte von einem Crash, der sich im finalen Umlauf ereignete. Beim Gerangel um den dritten Platz fuhr Kimi Räikkönen (Ferrari) Valtteri Bottas (Williams) ins Auto; beide fielen zurück. Räikkönen wurde als Unfallverursacher von den Rennkommissaren später mit einer 30-Sekunden-Strafe bedacht, die zwei Konsequenzen nach sich zog: Der Finne rutschte auf den achten Platz ab, was den Vorsprung von Mercedes in der Konstrukteurs-Wertung derart anschwellen ließ, dass dem Team der Sieg in der Mannschaftswertung nicht mehr zu nehmen ist. 2014 hatte es diese auch gewonnen.

Vettel frohlockt

Sebastian Vettel freute sich trotzdem: "Ein klasse Rennen, ein klasse Tag." Dem Zweitplatzierten war die schnellste Rennrunde geglückt - ein Umstand, den er dem Sieger Lewis Hamilton unmittelbar vor der Champagnerdusche, die vom russischen Präsidenten Wladimir Putin freigegeben wurde, auch genüsslich unter die Nase rieb. Hamilton ging nicht auf die Provokation ein. Er gab sich gönnerhaft, agierte schon ganz im Stile eines Champions, der sicher ist, dass ihm die größte Trophäe nicht mehr zu nehmen ist. "Die letzten Runden habe ich einfach genossen, alles aufgesaugt", sagte er: "Wer weiß, wie oft ich in meiner Karriere noch in dieser Situation sein werde." Gewinnt Hamilton am 25. Oktober, und Vettel kommt dabei nicht über den dritten Rang hinaus, ist der WM-Titel vergeben.

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Eine Schlüsselrolle könnte dann erneut Rosberg zufallen: Wird er hinter Hamilton Zweiter, verhilft er seinem direkten Rivalen zur Krönung. Gemessen an dem, was er am Schwarzen Meer erlebte, dürfte das aber nicht so schlimm sein. Rosberg war mit schlechten Erinnerungen angereist: 2014 hatte er sich in Sotschi mit einem zu gewagten Manöver unmittelbar nach dem Start um die Siegchance gebracht. Vor zwei Wochen, beim Großen Preis von Japan in Suzuka, hatte er ebenfalls auf den ersten Metern schon entscheidend an Boden verloren. Obwohl er von der Pole-Position aus hatte starten dürfen, hatte Hamilton ihn in der ersten Kurve überholt und sich so den Sieg gesichert.

Entsprechend groß war bei Rosberg am Samstag in Sotschi die Freude ausgefallen, als er in der Qualifikation erneut der Schnellste war. Und entsprechend ambitioniert ging er den Start an. "Zweimal mache ich nicht den gleichen Fehler", versprach er - was er auch hielt. Als die Lichter der Startampel erloschen, gab er dem nicht mit letzter Konsequenz aber doch kraftvoll anstürmenden Hamilton dosiert und klug Contra. Die beiden Mercedes-Fahrer kamen sich nahe. Vorbei kam Hamilton dieses Mal jedoch nicht. In diesem Moment sah es noch so aus, als würde es ein guter Tag werden für Nico Rosberg.

Die Wende kam kurz darauf. Als das Safety Car auf die Strecke bog, damit die Streckenposten in Ruhe die Trümmer des Startunfalls einsammeln konnten, den Nico Hülkenberg mit einem Dreher seines Force India ausgelöst hatte, bemerkte Rosberg bereits, dass mit seinem Gaspedal etwas nicht stimmte.

Rosberg schimpft

Als es im vollen Tempo weitergehen sollte, waren die Probleme so groß, dass er sich am Funk Hilfe suchend an seinen Kommandostand wandte. Was von dort zurückkam, war allerdings keine große Hilfe: Er solle versuchen, mit der Situation irgendwie zurechtzukommen. Die Situation sah dann so aus: Das Gaspedal war kaputt. Es kam Rosberg immer weiter entgegen. Um es treten zu können, musste er sein Bein irgendwann so weit anwinkeln, dass das Knie gegen seine Hand stieß. So ließ es nicht weiterfahren.

"Das ist nicht lustig, wenn das Gaspedal hängt", schimpfte Rosberg. Selbst das Parken des Boliden geriet zum Abenteuer. "Ich musste den Motor abstellen, sonst wäre er explodiert", berichtete Rosberg, der seit neun Jahren in der Formel 1 fährt, Ähnliches aber noch nie erlebte: "Unglaublich, dass so etwas in diesem Moment passieren muss." Im vergangenen Jahr duellierte er sich mit Hamilton bis zum letzten Rennen um den Titel. Auch damals warf ihn im entscheidenden Moment ein technischer Defekt zurück. Grund für den Ausfall dieses Mal war ein Schaden an einem Dichtring im Gaspedal. "Ein Pfennig-Teil", so Teamchef Toto Wolff.

© SZ vom 12.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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