Formel 1 in Russland:Bottas siegt mit finnischer Coolness

Formula One - F1 - Russian Grand Prix

Wladimir Putin applaudiert Valtteri Bottas nach dessen Sieg.

(Foto: REUTERS)
  • Vallteri Bottas fährt dank eines grandiosen Starts souverän zu seinem ersten Formel-1-Sieg.
  • Lewis Hamilton schimpft über sein Auto, Fernando Alonso kommt gar nicht bis zur Startlinie.
  • Waldimir Putin reist per Hubschrauber extra zur Siegerehrung an.

Von Elmar Brümmer, Sotschi

Nur 0,6 Sekunden trennten Valtteri Bottas und Sebastian Vettel am Ende des Großen Preises von Russland. Doch die Entscheidung war nicht erst auf den nervenzehrenden letzten Runden gefallen, sondern auf dem ersten Kilometer, als die vermeintliche Nummer zwei von Mercedes an beiden Ferrari vorbei an die Spitze stürmte. In seinem 81. Rennen feierte der 27-Jährige damit seinen ersten Sieg, vor Vettel und Kimi Räikkönen. Zwischen Mercedes und Ferrari steht es vor dem Europastart der Formel 1 in zwei Wochen damit nach Siegen wieder zwei zu zwei. In der WM-Gesamtwertung liegt Vettel mit 86 Punkten vor Hamilton (73), Bottas (63) und Räikkönen (49).

"Es hat etwas gedauert", sagte der Sieger über Boxenfunk, die Freude war bei aller finnischen Coolness nicht zu überhören, "aber die Wartezeit war es wert." Die richtige Pose hatte er schon drauf - schnallte sich los, sprang aus dem Cockpit, sprang auf die Fahrzeugnase und hob die Arme. "Good job", raunte ihm Kollege Hamilton zu, Vettel fasste ihn vor dem Podium am Ärmel: "Ist dein erster Sieg, oder?" Mercedes-Teamchef Toto Wolff freute sich doppelt in eigener Sache: "Dieser Erfolg zeigt, dass wir vor Saisonbeginn die richtige Entscheidung getroffen haben." Nach dem Rückzug von Weltmeister Nico Rosberg war Bottas erst im Januar von Williams zum Topteam gewechselt.

Beim Gastspiel im Vergnügungsort von Wladimir Putin, der kurz vor Schluss mit dem Hubschrauber zum Smalltalk mit den Siegern einschwebte, hat die neue Formel 1 auch bewiesen, dass sogar Ein-Stopp-Rennen durchaus spannend und unterhaltsam sein können. Und dass die neue Leistungsdichte an der Spitze und im Mittelfeld - Nico Hülkenberg (Emmerich) im Renault belegte den achten Rang - für weitere Überraschungen gut ist.

Vettel verliert das Rennen gleich nach dem Start

Die Frage, ob Mercedes schon am Start des vierten WM-Laufes eine Stallorder zu Gunsten von Lewis Hamilton anordnet, erübrigte sich bereits, als das Feld zum zweiten Mal Anlauf auf die erste Kurve nahm. Der erste Start musste abgebrochen werden, weil Fernando Alonso mit seinem McLaren nicht mal bis zu seiner Position kam, sondern vor der Boxengasse stehenblieb. Vergleichsweise langsam starteten auch Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen aus der erstmals seit 2008 rot lackierten Frontreihe. Und schon vor dem kritischen Bremspunkt war Valtteri Bottas vorbei, während Lewis Hamilton im Duell mit Kimi Räikkönen um Rang drei zurückzog.

An der Reihenfolge änderte auch die unmittelbar folgende Safety-Car-Phase nichts, die durch einen Crash von Jolyon Palmer und Romain Grosjean ausgerufen werden musste. Nach vier Runden endlich nahm die Rundfahrt durch den Olympiapark endlich regulär ihren Lauf. Zumindest für den führenden Bottas und den Verfolger Vettel.

Lewis Hamilton, der eigentlich sich selbst als den großen Herausforderer von Vettel sieht, konnte das Duell nicht mal mehr aus dem Cockpit verfolgen, er lag schnell weit zurück und klagte über fehlende Motorenkraft: "Warum überhitzt mein Auto so?", fragte er verzweifelt die Mercedes-Ingenieure, "es fühlt sich an, als ob ich schon aus dem Rennen ausgeschieden bin." Temperatur-, Reifen- und Balanceprobleme sind ein Grund, warum die Titelverteidiger gerade schwächeln. "Wir sind an der Grenze mit der Hitze", bestätigten die Techniker, "mach' was Du kannst." Leicht sarkastisch kam zurück: "Ich versuche, ein Rennen zu fahren."

Die Mercedes-Ingenieure wollen Bottas beruhigen

Die Mercedes-Ingenieure wollen Bottas beruhigen

Entscheidende Impulse im Spitzenquartett sollten noch einmal die Boxenstopps geben, der Wechsel von Ultra-Soft-Reifen auf normal weiche Pneus. Bottas kam als erster, in der 27. von 52 Runden. Die Frage war, was Ferrari macht? Erstmal nichts. Vettel blieb eine Runde draußen, eine zweite, eine dritte... und als er im 34. Umlauf dann die Garage ansteuern wollte, kam im letzten Moment die scharfe Anweisung: "Bleib draußen." Die Strategen aus Maranello setzten darauf, mit am Ende deutlich frischeren Reifen Mercedes doch noch den Sieg zu entreißen. Die falsche Taktik? Zumindest ein Vabanquespiel.

Als es dann eine Runde später soweit war, klemmte vorne links der neue Reifen. Bottas fuhr bequem vorbei, als Vettel die entscheidende Verfolgungsjagd aufnahm. Und tatsächlich: Er kam näher und näher. Fünf Runden vor Schluss waren es anderthalb Sekunden, die ihn noch vom Spitzenreiter trennten. In der Mercedes-Box waren die Mienen angespannt, die Ingenieure versuchten Bottas zu beruhigen, der ja noch nie in dieser Position war, einen Sieg verteidigen zu müssen. Doch der nahm es cool: "Bitte etwas weniger quatschen jetzt..."

Drei Runden waren es noch, im Rückspiegel von Bottas wurde es bedrohlich rot. Vettel machte sich breit, war auf eine Sekunde ran, der magischen Grenze für die DRS-Überholzone, in der der Hintermann Zusatzpower genoss. Aber heranfahren ist in der neuen Formel 1 noch einmal etwas anderes als vorbeifahren. Die beiden liefen auf den Williams von Felipe Massa auf, den es zu überrunden galt. Vettel konnte schon ins Getriebe des Silberpfeils gucken. Doch Bottas behielt die Nerven, ging an Massa vorbei, Vettel verlor beim gleichen Manöver gegen den ehemaligen Ferrari-Fahrer Zeit, was Vettel zu dem leicht hysterischen Ausruf "Was war das?" provozierte - und Valtteri Bottas war der große Gewinner. Das Duell an der Spitze geht weiter. Gleiche Farben, neue Namen.

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