Formel 1 in Melbourne:Vettel huldigt seiner Grande Macchina

Australian F1 Grand Prix

Ferrari-Fahrer Sebastian Vettel schlägt mit seinem Teamchef Maurizio Arrivabene ein, nachdem zum Saisonauftakt der erste Sieg gelang.

(Foto: Mark Thompson/Getty Images)

Von Elmar Brümmer, Melbourne

553 Tagen mussten die Ferrari-Fahrer immer ein bisschen nach oben schielen, wenn der Champagner auf dem Podium serviert wurde, immer stand dort ein anderer Fahrer. Der meist Lewis Hamilton hieß, oder Nico Rosberg. Doch nun sieht die Königsklasse wieder Rot: Ferrari-Pilot Sebastian Vettel hatte nach den 57 Runden beim Großen Preis von Australien einen komfortablen Vorsprung von 9,9 Sekunden vor Lewis Hamilton, der von der Pole-Position gestartet war und anfangs wie der sichere Sieger aussah. Mit dem neuen Reglement ist die Dominanz von Titelverteidiger Mercedes vielleicht noch nicht gebrochen, aber sie bröckelt, das ist die Erkenntnis des ersten Saisonrennens.

Vettel, der im September 2015 in Singapur den letzten Ferrari-Triumph eingefahren hatte, streckte den schwarzen Handschuh in den blauen Himmel, und gab seinem Jubel in einer kleinen Ansprache in fließendem Italienisch Ausdruck: "Grande Macchina!" Das Publikum stürmte die Strecke und der deutsche Sieger streichelte das Wappen mit dem springenden Pferd auf der Fahrzeugnase. Hinter dem geschlagenen Hamilton wird Mercedes-Novize Valterri Bottas souveräner Dritter vor Kimi Räikkönen im zweiten Ferrari. "Wir sind völlig überwältigt", gab Vettel danach zu Protokoll. "Am Start war ich nervös, aber danach konnte ich Druck auf Mercedes machen, damit sie die Botschaft verstehen: wir sind hier. Ich hatte dann das Glück, das Lewis im Verkehr steckte. Aber mein Auto war großartig."

Wenn sich Experten, Fans und Ingenieure irren, dann kann das nur bedeuten: es gibt sie tatsächlich, die monatelang beschworene, neue Formel 1. Der Start, so die Annahme vor dem Großen Preis von Australien, würde schon alles entscheiden. Doch der Kupplungshebel zu mehr Spannung hat versagt, denn Lewis Hamilton, dessen Schwachpunkt im Vorjahr häufig der richtige Schleifpunkt war, kam am besten weg. Sebastian Vettel hingegen hätte fast seinen zweiten Platz am Start verloren, gegen Valtteri Bottas im zweiten Mercedes. Vielleicht lag es an den beiden kleinen Mulden, die man für Hamiltons Zeige- und Mittelfinger in den Kunststoff geschnitzt hatte - für mehr Gefühl.

"Mehr Emotionen und mehr Action" hat Jean Todt, Präsident des Automobilweltverbandes FIA in Melbourne gefordert - und dann fuhr Lewis Hamilton auch mit dem breiteren, flacheren, schwereren und schnelleren Silberpfeil gleich wieder vorneweg. Immerhin, Vettel, schon als Trainingsweltmeister gefeiert, konnten dranbleiben. Das Duell, das vielleicht die ganze Saison 2017 bestimmen wird, wogte über die ersten 17 Runden. Mal war der Brite anderthalb Sekunden vorn, dann halbierte der Heppenheimer, dann zog Hamilton wieder davon. Eine fade Prozession über 57 Runden (eine musste wegen eines Fehlstarts im ersten Anlauf abgezogen werden) war zu erwarten.

Die Super-Taktiker, von den Daten in die Irre geführt?

Doch wieder irrte das Fachpublikum, denn der Boxenstopp von Hamilton war nicht optimal terminiert, der Brite kam ausgerechnet hinter Max Verstappen im Red Bull-Renault als Fünfter wieder raus. Die Super-Taktiker, von den Daten in die Irre geführt? Vorn konnte Vettel ohne Luftverwirbelungen Tempo machen, der Silberpfeil hingegen blieb in Distanz zum Niederländer. "Du liegst gut im Rennen gegen Vettel, aber Du musst Verstappen überholen", soufflierte der Boxenfunk Hamilton ins Ohr. Aus dem Cockpit tönte es sarkastisch zurück: "Ich weiß nicht, wie ihr euch vorstellt, wie ich das schaffen soll..." Er schaffte es auch nicht. Als Vettel nach 22 Runden frische Reifen holte, bog er knapp vor dem Doppelpack Verstappen/Hamilton auf die Piste ein und zog davon. Es ist schon lange her, dass Ferrari mit der Boxenstrategie mal so richtiggelegen hatte. Und Weltmeister im Ruhestand Nico Rosberg twitterte: "Wow, der verrückte Sebastian hat sich Lewis geholt. Das hab ich nicht kommen gesehen. #Ferrarisfast" Die Überraschungs-Formel.

Hammer-Time, bislang Schlagwort für Hamiltons Fähigkeit im richtigen Moment das richtige Tempo zu machen, mal anders: Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff hämmerte mehrfach mit der Faust auf die Konsole mit dem Zeitenmonitor, nachdem Ferrari der Coup gelungen war. Vorübergehend wurde ein Plan B ausgerufen, aber dann wieder zurückgenommen. Hamilton, der über Untersteuern und die Hinterreifen klagte, lag schnell fünf, sechs, sieben Sekunden hinter Vettel zurück. Zur Hälfte der Renndistanz war das halbe Feld überrundet, das waren die einzigen Hindernisse für die roten und silbernen Autos. Zu den ersten Verlierern zählt Red Bull Racing. Zwar konnte Verstappen am Ende Fünfter werden, aber Lokalmatador Daniel Ricciardo musste nach 29 Runden endgültig aufgeben, nachdem er durch einen Qualifikationsunfall und ein Elektronikproblem in der Formationsrunde ohnehin schon schwer hinterherhinkte.

Er ist selten ein typisches Rennen gewesen, der erste WM-Lauf auf der temporären Strecke. Ein abschließendes Urteil, wie neu diese neue Formel 1 tatsächlich ist, kann es nach den knapp anderthalb Stunden daher noch nicht geben. Aber von den 20 Siegern, die es vor Vettel bei einem Saisonauftakt in Melbourne gab, wurden zwölf am Ende des Rennjahres als Champions gekrönt.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: