Formel 1 in Japan:Diesmal mit Köpfchen

Red Bull Formula One driver Vettel of Germany reacts after winning the Japanese F1 Grand Prix at the Suzuka circuit

Sebastian Vettel: Kann's auch von weiter hinten

(Foto: REUTERS)

Mit einer taktischen Meisterleistung entreißt Sebastian Vettel seinem Teamkollegen Mark Webber in Japan den Sieg. Was den Triumph herausstechen lässt: Er ist geglückt, obwohl Vettel lange nicht vorauseilte.

Von René Hofmann

Kurz sah es so aus, als sei er einfach gegangen. Aber dann erschien Mark Webber doch noch einmal auf dem Siegerpodest, auf dem die ersten Drei nach jedem Formel-1-Rennen interviewt werden. Der Australier hatte erneut allen Grund, enttäuscht zu sein. Wieder einmal hatte er eine gute Ausgangsposition nicht nutzen können. Wieder einmal hatte ihn sein Teamkollege abgekocht. Wieder einmal durfte er nur auf die zweithöchste Stufe des Siegertreppchens, neben Lotus-Fahrer Romain Grosjean. Wieder einmal in der Mitte stand: Sebastian Vettel.

Für den brachte das 15. Rennen der Saison den neunten Sieg. Nach fünf Triumphen in Serie steht er nun unmittelbar vor seinem vierten WM-Titel. Feiern wird er diesen wahrscheinlich am 27. Oktober beim nächsten Rennen, das in Indien stattfindet. In Japan blieb ihm die ganz große Sause nur verwehrt, weil Fernando Alonso es schaffte, seinen lahmenden Ferrari immerhin noch auf Platz vier zu schleppen.

"Es war phantastisch, ein wundervolles Rennen", schwärmte Vettel trotzdem im Ziel. Wundervolle Rennen hat er zuletzt ja einige erlebt. In Belgien, in Italien, in Singapur und in Südkorea war er vorausgeeilt. Was den Triumph in Suzuka herausstechen ließ: Er war geglückt, obwohl Vettel dieses Mal lange nicht vorauseilte.

In der Qualifikation hatte das Energierückgewinnungssystem Kers in seinem Red Bull nicht funktioniert. Dennoch reichte es zum zweitbesten Startplatz. Den begehrtesten durfte Webber einnehmen. Als die Startampel erlosch, kamen beide aber schlecht weg. Grosjean ging in Führung, Webber nahm dahinter die Verfolgung auf, Vettel musste nach einem Händel mit Mercedes-Fahrer Lewis Hamilton erst einmal schauen lassen, ob mit seinem Frontflügel noch alles stimmte. Das war der Fall. Und je länger das Rennen dauerte, desto besser kam Vettel in Schwung.

Immer Vollgas - nicht in jedem Rennen führt das zum Sieg. Vettels Trick diesmal: Er begann früh, Reifen zu schonen, um mit bloß zwei Pneu-Wechseln auszukommen und zum Ende hin richtig aufdrehen zu können. Dieser Plan ging meisterlich auf, weshalb Vettel bei der Zieldurchfahrt dieses Mal auch vor allem Lob für seine Zurückhaltung zu hören bekam. "Toller Job. Brillant gefahren. Du hast das super gemanagt", lobte ihn Teamchef Christian Horner. Renningenieur Guillaume Rocquelin, Vettels wichtigster Wegweiser an der Boxenmauer, fand es einfach nur "genial". Vettel gab ähnliche Komplimente zurück. Außerordentlich "geduldig" seien alle geblieben - das sei der Schlüssel für den Coup gewesen, bei dem am Ende der Teamkollege als Zweiter der wohl größte Verlierer war.

Bei Webber hatte das Team Mitte des Rennens entschieden, die Strategie zu wechseln. Statt wie zunächst geplant zweimal wurde Webber dreimal an die Box beordert. Das war eine gewagte Nummer, die letztlich nicht ganz aufging. Webber selbst hatte schon während des Rennens Zweifel an dem Plan geäußert. "Ich habe sie gefragt, ob das wirklich das Klügste ist", gab er nach dem Grand Prix an. Weil als Antwort vom Kommandostand ein "Ja" kam, fügte er sich.

Dass die Strategie dazu führte, dass am Ende Vettel den Sieg einheimste, der das Team auch in den kommenden Jahren führen soll, ließ wieder einmal Zweifel keimen, ob der Deutsche nicht generell bevorzugt werde. Die Red-Bull-Gewaltigen gaben sich große Mühe, diese Zweifel zu zerstreuen. Webber habe bei der Jagd auf Grosjean seine Reifen verschlissen, führte Teamchef Horner aus, Vettel habe mit seinen Pneus schlicht klüger gehaushaltet. Ein Sieg mit Köpfchen also.

Hülkenberg fährt "volles Hörnchen"

Fernando Alonso interessierte all das wenig. Er konnte den Kampf an der Spitze wieder einmal nur aus der Ferne verfolgen. Zu langsam sei sein Ferrari gewesen. Zu langsam, um Vettel und Webber folgen zu können. Zu langsam aber auch, um es mit Grosjean aufzunehmen. So einsichtig zeigt der Spanier sich selten.

Alonso ist der Einzige, der Vettel den Titel in diesem Jahr noch streitig machen kann. Aber bei 90 Punkten Rückstand und nur noch vier Rennen ist das bloß ein Zahlenspiel. Selbst Alonso, der gerne den unerbittlichen Samurai rauskehrt, sieht das inzwischen so: "Selbst wenn Sebastian beim nächsten Rennen nichts holt - für den Titel müsste ich ab jetzt immer gewinnen. In der Position sind wir nicht." Sein großes Ziel sei nun: Ferrari den zweiten Platz in der Teamwertung zu sichern.

Auf die Konstrukteurswertung schaut auch Mercedes mit Spannung. Von der Frage, ob ein Rennstall dort am Saison- ende Platz zwei, drei oder vier belegt, hängt ein zweistelliger Millionenbetrag ab. Aktuell lautet die Reihenfolge: 1. Red Bull mit 445 Punkten, 2. Ferrari/297 Punkte, 3. Mercedes/287, 4. Lotus/264. Es ist also eng, wobei der Trend gegen das Werksteam des deutschen Konzerns spricht.

In Japan fuhr es lediglich vier Punkte ein. Lewis Hamilton musste seinen Mercedes kurz nach der Begegnung mit Vettel am Start beschädigt abstellen, Nico Rosberg brachte eine Unachtsamkeit bei einem Boxenstopp um viele Chancen. Er wurde zu früh zurück auf die Strecke geschickt, eine Strafrunde durch die Boxengasse war die gerechte Buße dafür. Letztlich wurde er Achter - und Aufsichtsratschef Niki Lauda zürnte: "Sehr schwer zu verdauen." - "Die menschlichen Fehler gehören abgestellt." - "Bei Mercedes stockt alles ein bisschen."

Im Aufwind dagegen erneut: das Team Sauber, für das Nico Hülkenberg fährt. Der 26-Jährige, der noch keinen Kontrakt für 2014 hat, fuhr nach eigenen Angaben "die ganze Zeit volles Hörnchen". Der Lohn dafür war Platz sechs hinter Noch-Lotus-Fahrer Kimi Räikkönen und vor seinem Teamkollegen Esteban Gutierrez. Der 22 Jahre alte Mexikaner punktete zum ersten Mal überhaupt. Force-India-Fahrer Adrian Sutil ging als 14. dagegen leer aus.

Über den WM-Titel hatte Sebastian Vettel in Japan noch nicht reden wollen. Weil die Chance darauf nicht alleine in seinen Händen lag. In Indien wird das anders sein. Wenn er dort mindestens Fünfter wird, ist er Champion. Ob er in zwei Wochen deshalb wieder auf Sieg oder doch eher auf Platz fahren werde, wurde er zum Abschied aus Suzuka gefragt. Seine Antwort kam schnell. "Auf Sieg", sagte Vettel. Und lächelte vielsagend.

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