Formel 1 in Brasilien:Abschied der Adjutanten

Red Bull Formula One driver Mark Webber of Australia chats with Ferrari Formula One driver Felipe Massa of Brazil before a news conference ahead of the Brazilian Grand Prix at the Interlagos circuit in Sao Paulo

Mark Webber (re.) und Felipe Massa: Letztes Rennen mit den Teamkollegen

(Foto: REUTERS)

Der Formel 1 steht das Saisonfinale bevor. Der WM-Titel ist längst vergeben, nun heißt es Abschied nehmen. Mark Webber und Felipe Massa, die ewigen Beifahrer auf höchstem Niveau, suchen auf ihren vermutlich letzten Karrierestationen noch einmal den Wohlfühlfaktor.

Von Elmar Brümmer, São Paulo

Keine Freunde. Keine Familie. Keine Managerin. Alle nach Hause geschickt. Jetzt bloß kein Aufsehen. Zu dumm nur, dass es trotzdem ein öffentlicher Abschied wird. Der Große Preis von Brasilien (Qualifikation, Sa., 17 Uhr/Rennstart, So., 17 Uhr) bietet Mark Webber die letzte Chance auf seinen zehnten Sieg in der Formel 1. Dann macht der Australier nach zwölf Rennjahren und 215 Rennen Schluss. An der Rennstrecke von Interlagos vorausblickend über seinen Abschied plaudernd, liegt ganz lässig die blaue Kappe mit der Nummer zwei vor ihm auf dem Tisch. Die Schicksalsnummer im Red-Bull-Rennstall, die den 37-Jährigen, der künftig für Porsche in Le Mans an den Start gehen wird, als Adjutanten ausweist.

Es gibt an diesem finalen Wochenende der Saison noch einen, der diesen undankbaren Job des Beifahrers auf höchstem Niveau aufgeben wird. Felipe Massa wird nach insgesamt neun Jahren bei Ferrari in die Selbständigkeit entlassen, der Brasilianer sucht mit 32 noch mal ein neues Glück bei Williams. Mit diesen Rücktritten verändert sich auch das Bild an der Spitze, Sebastian Vettel (Red Bull) und Fernando Alonso (Ferrari) bekommen neue Nebensitzer in der Garage. Zumindest für Alonso wird es mit Kimi Räikkönen nicht leichter.

Webber, der seine Verträge mit dem Weltmeisterteam zuletzt per Handschlag von Jahr zu Jahr und nach Rücksprache mit Imperiumschef Dietrich Mateschitz verlängert hatte, hat den ehrlichsten Grund von allen, Schluss zu machen. "Es macht immer noch Spaß, diese Autos am Limit zu bewegen. Aber das Feuer brennt nicht mehr so wie in den Anfangstagen von Red Bull. Deshalb ist es Zeit aufzuhören, und ich bereue diese Entscheidung auch nicht." Viel gelernt habe er in der Formel 1, vor allem über sich.

Zum Ende der Gesprächsrunde muss er sich dann aber doch noch die höhnische Frage gefallen lassen, was denn so schwierig sei an den Starts mit einem Grand-Prix-Rennwagen? Webber hat am Start regelmäßig Boden verloren. Tapfer antwortet er, dass er das entspannt sehe. Er könnte am Start sogar ein Liedchen singen - aber so sehr er sich auch müht: Der Sarkasmus ist nicht zwingend seine Stärke. Was bleibt also: Die verpasste Chance, 2010 den WM-Titel zu holen, und damit das Red-Bull-Team so komplett auf seine Seite zu ziehen, wie es Vettel anschließend tat. Karrieren entscheiden sich oft in Situationen wie dem Drama-Grand-Prix damals in Abu Dhabi. "Ich habe getan, was ich konnte", sagt Webber im Rückblick - und die Resignation ist zu spüren.

Auch in Felipe Massas Vita findet sich ein verpasster Titel-Moment. 2008, als er sich vor heimischem Publikum in Interlagos für ein paar Sekunden schon als Weltmeister feiern durfte, ehe ihm das Lewis Hamilton in der letzten Kurve noch vermasselte. Doch das, behauptet der Rennfahrer, der immer noch wie ein kleiner Junge wirkt, sei nicht die schlimmste Sache gewesen, die während seiner Zeit bei der Scuderia passiert sei. Auch nicht sein Unfall 2009, bei dem er fast ein Auge verlor.

Nein, es war jener Sonntag in Hockenheim 2010, an dem ein Funkspruch definierte, welche Rolle Massa bei Ferrari zu spielen hat: "Fernando ist schneller. Hast du diese Botschaft verstanden?" Hatte er, ein klarer Fall von Stallorder. Demonstrativ machte Massa in Führung liegend Platz für den Spanier. Gedemütigt, gebrochen.

Vettel greift nach Schumachers Bestmarke

Fortan fuhr immer das Mitleid mit, und die Auswechslung gegen Räikkönen wurde dann auch noch als gefühlige Abschiedsarie inszeniert. Wie schlimm muss das für einen sein, dessen erstes Go-Kart schon Rot war, und der jetzt im kalten Williams-Blau mit einem nicht besonders emotional geprägten Rennstall warm werden muss. Immerhin besteht für Massa dort die Chance, einmal selbst so etwas wie eine kleine Nummer eins zu sein - an seiner Seite fährt der finnische Junior-Pilot Valtteri Bottas. Ob er glaube, dass Ferrari ihn nach 139 Rennen und elf Siegen wirklich vermisse? "Ich hoffe doch", sagt Massa.

Webber und Massa suchen auf ihren vermutlich letzten Karrierestationen noch einmal den Wohlfühlfaktor. Und ihre bisherigen Vorgesetzten rufen ihnen die üblichen schönen Worte nach, wie man das bei Betriebs-Abschiedsfeiern eben so macht. "Sehr produktiv" fand Fernando Alonso die Zeit mit Massa, damit ist schon alles über die Innigkeit dieser Beziehung gesagt.

Sebastian Vettel, der mit Webber häufig heftig auf der Piste aneinandergeraten war, zuletzt beim WM-Finale vor einem Jahr, holte in seiner Analyse schon weiter aus. "Die Leute denken, dass unser Verhältnis viel schlimmer wäre, als es das tatsächlich ist. Wir sind nicht die besten Freunde, aber wir können professionell zusammenarbeiten. Man darf nicht vergessen, wie erfolgreich wir waren, Mark und ich sind eine der stärksten Paarungen in der Formel 1", sagt der Heppenheimer, "wenn er jetzt geht, ist das ein Verlust für das Team und einer für mich." Die Frage, ob es ein Abschiedsgeschenk auf der Piste geben wird, stellt sich für den Weltmeister so noch nicht: "Abwarten, wie die Umstände im Rennen sind. Mark ist Sportsmann, er will den Sieg nicht geschenkt haben. Ich habe ihm im ersten gemeinsamen Rennen nichts geschenkt, warum also im letzten?"

Vettel selbst will es sich nicht nehmen lassen, auch Schumachers Bestmarke von 13 Siegen in einer Saison zu knacken. Was aber wäre das für ein Abschied, wenn Webber dem Kollegen die Rekord-Party verderben könnte . . .

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