Formel 1 in Bahrain:Plötzlich scheint alles möglich zu sein

Kimi Räikkönen kehrt überraschend schnell in die Spitze zurück: In Bahrain schaffte er den zweiten Platz und trieb Sebastian Vettel lange zeit vor sich her. Sein Rennstall Lotus hat ihm einen Rennwagen gebaut, der offenbar überall gut liegt. Der schnelle Schweiger tut der Formel 1 gut, denn er ist einer der rar gewordenen Typen.

Elmar Brümmer, Sakhir

Die, die ihn noch aus seinem ersten Rennfahrerleben kennen, haben irgendwann aufgehört, zuzuhören. Sie haben nur noch mitgestoppt: 30, 31, 32 Minuten. Und sie starrten immer ungläubiger auf die Uhr. Mehr als eine halbe Stunde lang sprach Kimi Räikkönen schon über seine Beweggründe, nach zwei Jahren Ausflug in die Rallye-WM und die amerikanische Nascar-Serie wieder in jene Rennserie zu kommen, in der er es als "Iceman" zu Ruhm und zum Weltmeister-Titel gebracht hat. Und für seine Sprachlosigkeit gefürchtet war.

Bahrain Formula One Grand Prix

Immer noch cool: Kimi Räikkönen nach seinem Rennen in Bahrain.

(Foto: dpa)

Aber an diesem Morgen, kurz bevor die Formel-1-Saison 2012 startete, da redete er tatsächlich über so etwas wie Sehnsucht. Eine halbe Stunde Einblicke aus dem Seelenleben, von der man nun weiß: Räikkönen hatte auf Vorrat für ein ganzes Rennjahr gesprochen.

Seit Sonntag, seit dem zweiten Platz des Finnen beim Großen Preis von Bahrain, dem ersten Podiumsbesuch seit Monza 2009, ist klar, dass sich das Entertainment wieder auf die Rennstrecke beschränkt. Nach dem Katz-und-Maus-Spiel mit dem siegreichen Sebastian Vettel, bei dem der Verfolger in der 36. Runde für einen Moment dank besserer Reifen und einem Geschwindigkeitsüberschuss von 20 km/h fast am Red Bull vorbeigekommen wäre, war Räikkönen gewohnt mürrisch.

Er hatte die falsche Seite für den Angriff gewählt. Christian Horner, Vettels Teamchef, gratulierte dem Finnen auf dem Weg zur Siegerehrung: "Starkes Rennen, Kimi!" Räikkönen, der mit 32 breiter, muskulöser, gedrungener geworden ist, entgegnete nur: "Aber nicht stark genug."

Vier Rennen dauert sein Comeback erst, und schon steht er auf dem Treppchen, kämpft um den Sieg. Dabei müsste die Sehnsucht ganz auf Seiten von Michael Schumacher sein. Als der Kerpener, der sich jetzt im dritten Jahr bei Mercedes um einen Aufwärtstrend bemüht, bei Ferrari aufhörte, wurde Räikkönen 2007 sein Nachfolger - und am Ende des Jahres in einem Schumi-Auto Weltmeister.

Das war Glückssache, deshalb zählt der Skandinavier das nicht zu seinen "großen Momenten". So schnell zurück nach oben, das lässt die Fachwelt staunen, den Piloten selbst nicht unbedingt: "Das hätte auch schon in einem der ersten drei Rennen klappen können. Sofern wir uns nicht in eine schlechte Position gebracht und keine Probleme gehabt hätten."

Räikkönen tut der Formel 1 gut

Der schnelle Schweiger tut der Formel 1 gut. Denn er ist auf seine Art einer der rar gewordenen Typen. Red Bull überlegte, ihn zu verpflichten. Und ein paar andere Rennställe waren auch hinter ihm her, weil er überlegte, sich in ein Team einzukaufen. Andere sahen in der Marke Räikkönen die Chance, an potente Sponsoren zu kommen.

Lotus ging die Sache offenbar unkomplizierter an, verlangt nur wenige PR-Auftritte, und hat ihm einen Rennwagen gebaut, der offenbar überall gut liegt; der junge Teamkollege Romain Grosjean wurde in Bahrain Dritter. Der Franzose ist der, der die meiste Abstimmungsarbeit machen muss. Räikkönen sagt, dass er Rennfahrer sei. Angeblich hat er auch keine Lust auf den Simulator.

Trotzdem haben seine Landsleute ihm eine eigene Figur im Computerspiel Angry Birds gewidmet, natürlich ist er der Eisvogel. "Iceman" - das war eine nette Erfindung von Ron Dennis, seinem Chef bei McLaren. Der Technokrat und der Freigeist, sie haben sich nie wirklich verstanden. Jeder ein Extremist auf seine Weise. Räikkönen braucht Freiheiten: wer am Limit fährt, muss auch am Limit leben dürfen.

Bei Lotus, dem ehemaligen Renault-Werksteam, spielen sie mit dem Mythos Kimi. Vor dem Rennen in Malaysia, dem heißesten des Jahres, wurde im Fahrer- lager Eis verteilt, mit schönen Grüßen von Räikkönen. Das Fachblatt Speedweek bezeichnet seine Fahrweise als "on the rocks". Es fällt schwer sich vorzustellen, dass so einer als Lieblingssport "Badminton" angibt. Ist aber so, und einer seiner Lieblingsgegner ist dabei Sebastian Vettel.

Der Hauptgrund für seine Rückkehr sei, das ihm die Rad-an-Rad-Duelle gefehlt hätten im einsamen Rallye-Auto, sagt Räikkönen. Was die Leute von ihm erwarten in der Formel 1, das ist ihm herzlich egal. Und es ist ausnahmsweise mal nicht der übliche Marketing-Sprech, wenn er sagt: "So lange ich weiß, dass ich 100 Prozent gegeben habe, und ich glücklich mit meiner Fahrweise bin, dann bin ich zufrieden. Wem das nicht genügt, dem genügt es eben nicht." Die ewigen Zweifel an seiner Motivation quittiert Räikkönen mittlerweile nur noch mitleidig: "Wenn ich nicht motiviert wäre, würde ich sofort wieder aufhören."

Das wird er nicht tun. Nicht nach der Chance, die sich ihm jetzt bietet. "Ich bin Zweiter geworden, und wir müssen damit zufrieden sein", sagt er nach dem vierten von 20 WM-Läufen. Dann hellt sich die Miene doch auf: "Es sieht so aus, dass wir das Richtige getan haben. Jetzt müssen wir nur weiter die richtigen Entscheidungen treffen." Plötzlich scheint alles möglich zu sein.

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