Formel 1 in Abu Dhabi:Neue Perspektive für Sebastian Vettel

Sebastian Vettel bleibt beim Rennen in Abu Dhabi zwar nach 800 Metern mit einem Plattfuß stehen und muss aufgeben: Danach verfolgt er das Rennen jedoch von der Boxenmauer aus und gewinnt interessante Einblicke. Lewis Hamilton erreicht einen ungefährdeten Sieg - vor Fernando Alonso.

René Hofmann

Sebastian Vettel ist ein bemerkenswerter Formel-1-Fahrer. Er beherrscht auch den Blick zurück. Den meisten seiner Kollegen ist die Historie des Sports egal. Vettel nicht. Er steht auch generell auf Altes. So besitzt er einen Großteil des Werks der Beatles, ganz altmodisch, auf Schallplatten.

F1 Grand Prix Of Abu Dhabi - Race

Arbeitstag am Kommandostand: Für Sebastian Vettel verlief der Grand Prix von Abu Dhabi nicht wie gewünscht.

(Foto: Getty Images)

Was der 24-Jährige vom Großen Preis in Abu Dhabi, dem vorletzten Formel-1-Rennen der Saison, mitnahm, dürfte ihm deshalb mehr als bloß ein Trostpreis sein. Punkte gewann er dieses Mal keine. Zum ersten Mal in diesem Jahr schied er aus, wegen eines Schadens am rechten Hinterreifen, der ihn in Führung liegend bereits nach 800 Metern ereilte.

"Der Start war perfekt, aber eingangs der zweiten Kurve hat plötzlich etwas nicht mehr gestimmt", sagte Vettel: "Wichtig ist zu verstehen, warum das passiert ist, sonst bleibt nichts anderes übrig als Schwamm drüber." Das klang versöhnlich. Vor dem Ärger hatte er schon von einem TV-Sender ein Geschenk erhalten: einen Bass, wie ihn Beatles-Sänger Paul McCartney spielt.

Nach seinem Aus gaben andere den Ton an. McLaren-Fahrer Lewis Hamilton feierte seinen 17. Sieg, dem er seiner Mutter widmete, die am Sonntag Geburtstag hatte. Zweiter wurde Ferrari-Fahrer Fernando Alonso, der vor dem zweiten McLaren-Piloten, Jenson Button, ankam. Zwischen dem Spanier und dem Briten entscheidet sich beim Saisonfinale in zwei Wochen in Brasilien, wer Zweiter der Fahrerwertung wird. Vettels Red-Bull-Kollege, der Australier Mark Webber, ist bei der Wertung so gut wie aus dem Rennen, weil er wegen eines verpatzten Boxenstopps in Abu Dhabi lediglich Vierter wurde, vor Ferrari- Vertreter Felipe Massa.

Besondere Brisanz boten in dem Emirat nur wenige Duelle. Das wohl engste lieferten sich die beiden Mercedes-Piloten: Michael Schumacher, 42, der das ganze Wochenende über nicht gut in Schwung gekommen war, hatte es im Kuddelmuddel der ersten Kurven an Nico Rosberg, 26, vorbei geschafft, der einen Platz vor ihm von Position sieben gestartet war. Als der zweite Mercedes-Fahrer sich den verlorenen Rang zurückholen wollte, verteidigte Schumacher die Ideallinie mit allem, was sein MGP W02 hergab.

Das Renncabrio wurde breit wie ein Lastwagen, was Rosberg aber lustig fand ("Das war ein gutes Duell mit Michael"). Dauerhaft konnte der Routinier den Vorwärtsdrang des aufstrebenden Kollegen nicht stoppen. Nach 55 Runden wurde Rosberg, der seinen Vertrag vergangene Woche verlängerte und Hoffnungen hegt, die Teamführer-Rolle erobern zu können, als Sechster abgewunken. Schumacher kam rund 23 Sekunden später als Siebter über den Zielstrich.

"Guten Abend, Mister Mansell!"

Das Manöver zwischen den beiden war ein charakteristisches für das Rennen. Nachdem der Fahrertitel an Vettel und der Konstrukteurstitel an Red Bull vergeben sind, geht es für viele eigentlich nur noch darum, sich fürs nächste Jahr in eine gute Position zu bringen. Adrian Sutil, der bei Force-India um seine Zukunft bangt, wurde Achter vor seinem Teamkollegen Paul di Resta.

Rubens Barrichello, 39, der mehr Formel-1-Rennen bestritten hat als jeder andere und im kommenden Jahr gerne weiterfahren würde, schleppte sich immerhin noch als Zwölfter zwei Plätze vor seinem Teamkollegen Pastor Maldonado ins Ziel, nachdem der Samstag ein historisch schlechter für den Williams-Rennstall gewesen war: Zum ersten Mal seit seinem Bestehen standen die zwei Autos des Teams in der letzten Startreihe.

Sebastian Vettel kümmerte all das wenig. Für ihn ist es in diesem Jahr so gut gelaufen, dass er eigentlich nur noch gegen historische Vergleiche antritt. Am Samstag war ihm dabei ein weiterer Etappenerfolg geglückt. In der Qualifikation jagte er im letzten Umlauf den McLaren-Mannen Hamilton und Button die Pole-Position ab, weshalb er am Boxenfunk von Teamchef Christian Horner zu hören bekam: "Guten Abend, Mister Mansell!" Dem Briten war vor 19 Jahren mit dem Williams-Team das Kunststück geglückt, in einem Rennjahr 14 Mal den besten Startplatz zu erobern.

Einen Rekord, den Vettel in den Vereinigten Arabischen Emiraten einstellte - und den er beim Saisonfinale am 27. November in Saõ Paulo noch übertreffen könnte. Insgesamt kam er der Startampel nun 29 Mal am nächsten, womit er gleichauf mit Juan Manuel Fangio geführt wird.

Zwei andere historische Größen sind mit dem Ausfall am Sonntag allerdings außer Reichweite gerückt: Schumachers Bestmarke von 13 Siegen aus dem Jahr 2004 wird auch 2011 überdauern. Und: Die Ehre für die prozentual beste Ausbeute bleibt ebenfalls bei Schumacher. 2002 sammelte er 84,71 Prozent aller Punkte. Vettel kann bestenfalls noch auf 84,0 kommen. Perfektionist, der er ist, bereitete ihm die Erkenntnis kein Behagen. Als die Luft aus seinem Reifen wich, hieb er mit der Hand aufs Lenkrad.

Als feststand, dass die Radaufhängung verbogen war und er das Auto abstellen musste, zog er ein grimmiges Gesicht und stürzte sich sofort in die Datenauswertung. Selbst das Angebot von Formel-1-Chef Bernie Ecclestone, während des Rennens noch in seinen Privatflieger zu steigen, hellte Vettel nicht auf. Er lehnte ab. Stattdessen ging er zum Kommandostand an die Boxenmauer. "Ich wollte eigentlich nur fünf Runden bleiben", verriet er später, "aber das war auch mal eine interessante Perspektive."

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