Formel 1:Höhepunkt im Armenviertel

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Ungewohnt schüchtern präsentiert der kleine Formel-1-Rennstall Minardi sein neues Rennauto.

Von René Hofmann

Imola - Große Momente können so unterschiedlich aussehen. Für Patrick Friesacher ist der Freitagmorgen einer gewesen. Um kurz nach elf lenkte er den Minardi PS05 auf das Autodromo in Imola. Es war der erste Auftritt des Wagens. Das Debüt eines Formel-1-Autos ist immer eine spannende Angelegenheit, diese Premiere jedoch war etwas ganz Besonderes: Zum ersten Mal seit drei Jahren ist es dem Rennstall aus Faenza wieder einmal gelungen, eine Neuentwicklung zu präsentieren.

Vor einer Woche wurde sie fertig. 39 Runden durfte Friesachers Kollege Christijan Albers zum Ausprobieren in Mugello drehen. Friesachers Exemplar wurde erst am Freitag zusammengesetzt. Wenige Minuten vor dem ersten Training für den Großen Preis von San Marino (Sonntag, 14 Uhr/RTL) saß die letzte Schraube und die Pressesprecher zogen los, die Zettel mit der frohen Botschaft zu verteilen.

Ferraris Übermacht

Ihre Bulletins lesen sich zwischen all den Superlativen der anderen wie Berichte aus einer fremden Welt. BAR teilt mit, in fünf Tagen 6000 Testkilometer bewältigt zu haben. Renault ist stolz darauf, eine neue Aufhängung für die Trinkflasche konstruiert zu haben und feiert das als Technologietransfer zwischen Serien- und Formel-1-Technik. Minardi ist viel älter als BAR und Renault. Am Sonntag wird das Team seinen 325. Grand Prix bestreiten, seit 1985 ist es dabei. Lediglich Ferrari, McLaren und Williams sind älter. Die drei waren zigmal Meister, Minardi blieb davon weit entfernt.

Der beste Platz in der Konstrukteurswertung war Rang sieben, aber das ist auch schon 14 Jahre her. Zuletzt fielen die schwarzen Wagen nur bei Überrundungen auf. "Es ist schwierig, in Italien Sponsoren zu locken. Wer Geld für die Formel 1 ausgibt, geht zu Ferrari", sagt Firmengründer Giancarlo Minardi. 2001 musste er die Firma verkaufen. An Paul Stoddart, einen Australier, der mit 15 die Schule schmiss und es trotzdem zu Millionen gebracht hat - indem er Spieler aus Melbourne in die tasmanischen Casinos flog.

Seit vier Jahren sucht Stoddart nun selbst das Glück. Gefunden hat er bislang wenig. Der Höhepunkt war Mark Webbers fünfter Platz beim Saisonauftakt 2002, den Stoddart mit einer eigenen Siegerehrung feierte. Ansonsten hat er sich noch mit dem Vorschlag hervorgetan, eine Rennserie mit Prominenten in Doppelsitzern auszutragen. Zufälliger Weise besitzt er acht solcher Boliden, mit denen er gerne Vips chauffiert, und die im Gegensatz zu den eigentlichen Rennwagen seines Hauses penibel gepflegt werden.

Der PS04, mit dem Friesacher die jüngste Wettfahrt anging, bewältigte 54 Rennen oder 22000 Kilometer. Das ist Formel-1-Rekord. Mit dem PS05 steigen die Ansprüche. Stoddart sagt: "Unser Ziel ist es, Jordan zu bezwingen." Dann wäre er Vorletzter.

In ihrem Innersten erinnert die Formel 1 an Theater. Die Protagonisten agieren so überzogen, als spielten sie Rollen. McLaren-Chef Ron Dennis gibt den britischen Pedanten, Renault-Statthalter Flavio Briatore den feurigen Italiener, Red-Bull-Eigner Dietrich Mateschitz den vorlauten Österreicher. In Imola hat er einen dreistöckigen Tempel aufschlagen lassen. Demnächst will er im Fahrerlager ein Magazin herausgeben. Der Anspruch: "ein Mittelding zwischen New Yorker und Simplicissimus". Die mobile Druckmaschine ist schon besorgt. Bei McLaren perlt der Regen von einem Glasdach, das sich über ein Atrium im Stil einer römischen Villa spannt. Am Eingang zum Motorhome plätschern Springbrunnen.

Den Aluminium-Koloss zu errichten, dauert Tage. Neben den Prachtbauten wirken die Minardi-Busse, an denen morgens die Regenbeulen mit dem Besen aus dem Dach des Vorzeltes gedrückt werden, wie das Armenviertel der Formel 1. Dementsprechend gibt Stoddart gerne Robin Hood, den Kämpfer für die Mittellosen.

"Sonntags-Sermon" vom Chef

In Australien begehrte er eine Ausnahme von den neuen Aerodynamik-Vorschriften. Die Begründung: Die Regeln seien so spät erlassen worden, dass seinem armen Haus die Mittel fehlten, die Autos auf die Schnelle zu adaptieren. Sogar ein Gericht rief Stoddart an. Am Tag des Rennens lädt er regelmäßig zu einer Ansprache. Titel der Veranstaltung: "Stoddy's Sonntags-Sermon". Die Predigt zum Thema "Geld regiert die Welt" in Bahrain musste allerdings kurzfristig entfallen.

Aus Respekt vor dem Tod des Papstes. Einigen der anderen Teamchefs geht Stoddarts Wirken kräftig auf die Nerven. Ron Dennis, dessen Rennwagenschmiede von Lord Norman Foster entworfen und von der Queen eröffnet wurde, hat Stoddart bestellt: Wer die Hitze nicht aushält, sollte gefälligst die Küche verlassen.

Derlei Attacken kontert der 49-Jährige gerne mit dem Hinweis, damit sei niemandem geholfen. Schließlich profitierten alle von Minardi, weil sich dort leicht Techniker und Fahrer weglocken ließen. Giancarlo Fisichella, Fernando Alonso (heute beide Renault), Jarno Trulli (Toyota) und Mark Webber (BMW-Williams) haben so den Aufstieg geschafft. Für die aktuellen Minardi-Angestellten sieht es hingegen mäßig aus.

Patrick Friesacher und Christijan Albers blieben bei der ersten Fahrt im neuen Auto mehr als sechs Sekunden hinter den Besten. Um aufzufallen, hat sich Friesacher extra einen Lamborghini gekauft. Einen Namen aber muss er sich erst noch machen. Auf dem Schild an seinem Parkplatz steht: P. Freisacher.

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