Formel 1:Herr Tunku Tunku und die Trinkflasche

86 Rennen ist Nick Heidfeld schon gefahren, doch die Fahrt in Malaysia war sein "aufregendstes Rennen", sagt er. Kein Wunder: Heidfeld fuhr Schumacher davon auf den dritten Platz.

Von René Hofmann

Nick Heidfeld hat einiges erlebt, am Sonntag in Kuala Lumpur. Der Tag begann mit einem Patzer. Fürs zweite Qualifying hatte sich der BMW-Williams-Pilot viel vorgenommen; er wollte den Rückstand auf Teamkollegen Mark Webber verkürzen und in der Startaufstellung besser dastehen als Platz acht. Am Ende wurde es Startplatz zehn, weil Heidfeld die vierte Kurve zu schnell anging und in den Staub rutschte.

Nick Heidfeld in Champagnerlauner

Nick Heidfeld hat Spaß auf dem Siegerpodest.

(Foto: Foto: dpa)

Am Start dann das zweite Malheur: Dem Steuergerät für die Telemetrie wurde es zu heiß. Es streikte. Die Ingenieure wussten nicht, wie es dem Motor ging, und folglich wusste es der Pilot auch nicht, als er auf die 56 Runden startete.

Was könnte schlimmer sein, als ein Rennen mit Ungewissheit zu beginnen? 37 Grad, 57 Prozent Luftfeuchtigkeit - und nichts zu trinken. Als Heidfeld zum ersten Mal am Strohhalm saugte, wusste er, dass ihm genau das drohte. Der Halm war verstopft. Das war einfach nicht sein Nachmittag.

Schlupfloch genutzt

Er dümpelte im Mittelfeld herum. Siebter. Achter. Die Reifen klebten nicht richtig. Trotz der Hitze kamen sie nicht auf Temperatur. Heidfeld quälte sie, indem er spät bremste. Vielleicht würden die Pneus sich dafür gegen Ende rächen, aber so weit wollte er nicht denken. In einem Formel-1-Rennen lässt sich nicht alles planen. Oft spielt einem auch Glück in die Hände. Wie in Runde 33.

Auf der langen Gegengerade konnte Heidfeld sehen, wie es sein Teamkollege beim Bremsen mit Ralf Schumacher im Toyota zu tun bekam. Die Autos der beiden berührten sich und ließen den kürzesten Weg durch die Kurve frei. Heidfeld schlüpfte an Ralf Schumacher vorbei und attackierte in der nächsten Biegung Webber.

Beide bremsten spät. Zu spät. Plötzlich sah Heidfeld wieder Schumachers Heck vor sich. Doch der Rivale war nah. So nah, dass er ein Manöver aus dem Windschatten heraus wagen konnte. Das glückte. Jetzt war er Fünfter.

So gut wie noch nie

Fünf Runden später spielte ihm das Glück erneut in die Hände. Wieder am Ende der Gegengerade. Mit knapp 300 km/h jagte er dahin, als er vor sich ein blassblaues Auto auf ein dunkelblaues hüpfen sah. In dem hellen Renault saß Giancarlo Fisichella, der Dritte, im dunklen sein Williams-Kollege Webber, der Vierte.

Gelassen passierte Heidfeld die Unfallstelle. Jetzt war er Dritter, sein nächster Verfolger lag mehr als zehn Sekunden zurück. Plötzlich spielte der verstopfte Strohhalm keine Rolle mehr. Es sah gut aus für ihn. So gut wie noch nie.

In kontrollierter Gangart brachte er die restlichen 18 Umläufe hinter sich, dann durfte er zur Siegerehrung und aus den Händen von Tunku Mudzaffar Tunku Mustapha die Trophäe für Platz drei entgegennehmen. "Das", fand er, "war das aufregendste Rennen, das ich in der Formel 1 gefahren bin."

Farblos

Alle zusammengerechnet hat er bislang 86 absolviert. Fünf Jahre Anlauf für den zweiten Podiumsplatz - das ist keine grandiose Bilanz, doch sie lässt sich erklären. Heidfeld fehlte lange ein Gefährt, um sein Talent zu zeigen. Bei Prost, wo er im Jahr 2000 anfing, fuhr er hinterher.

Bei Sauber, wo er danach drei Jahre lang wirkte, fuhr er im Mittelfeld herum, und im vergangenen Jahr bei Jordan fuhr er eigentlich nur deshalb, weil er fast vollständig auf seine Gage verzichtete. Nick Heidfeld, so sah es lange aus, war stets zur falschen Zeit am falschen Ort.

Sein Fahrgefühl und seine Nationalität hatten ihm früh einen Vertrag mit Mercedes gebracht, doch als der Konzern Ende 2001 einen Nachfolger für Mika Häkkinen suchte, zahlte er lieber eine Millionen-Ablöse für den 22-jährigen Kimi Räikkönen, als dem begabten aber farblosen Heidfeld eine Chance zu geben. Seitdem hat der Mönchengladbacher, der auf der gleichen Kartbahn wie die Schumachers seine ersten Runden drehte, den Ruf, zweite Wahl zu sein.

"Blitzsaubere Vorstellung"

Den Platz bei BMW-Williams hat er nur ergatterte, weil der Rennstall das Gezerre mit BAR um Jenson Button verlor. Der steht weiterhin auf der Wunschliste von Teamchef Frank Williams, der Heidfeld vor Saisonbeginn gleich ausrichtete, er könne sich auch gut vorstellen, doch noch Testfahrer Antonio Pizzonia ins Auto zu setzen. Kaum ein anderer Pilot steht deshalb so sehr unter Beobachtung wie der 27-jährige Heidfeld.

(Beim Auftakt in Melbourne blieb er im ersten Training deutlich hinter seinem Teamkollegen, im Rennen sorgte er lediglich für Schlagzeilen, weil er sich mit Michael Schumacher anlegte. Umso wichtiger war deshalb der gelungene Auftritt am Sonntag. "Eine blitzsaubere Vorstellung" attestierte BMW-Sportchef Mario Theissen.

"Nick hat eindrucksvoll bewiesen, was für ein phantastischer Rennfahrer er ist", sagte Technikchef Sam Michael. Nicht einmal der Marcel Reich-Ranicki der Formel 1 hatte etwas zu meckern, so, wie Heidfeld Ralf Schumacher hinter sich gelassen hatte. "Ein super Manöver", lobte Niki Lauda.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: