Formel 1:Heiße Luft

Die Formel 1 entdeckt die Kraft, die aus dem Auspuff kommt. Die neuen Motoren können sogar beim Bremsen Gase ausstoßen. Das macht die Boliden aerodynamischer, birgt allerdings Gefahren.

René Hofmann

Die Präsentation von Formel-1-Autos sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren. Früher tanzten zu dem Anlass die Spice Girls, oder es wurden extra Inselchen gemietet. Seit die Rennserie spart, läuft es spartanischer ab. Meist ziehen die Rennfahrer in ihrer Arbeitskluft nur eine Plane von der neuen Kreation - und ab geht es auf die Teststrecke.

Formula One training

Neuer Auspuff bei Renault: Die Konstrukteure lassen die Abgase ungewöhnlich weit vorne entweichen, auf Höhe des Cockpits hinter einem Luftleitblech.

(Foto: dpa)

Ein Fest sind solche Anlässe bloß für Technik-Freaks. Die allerdings bekamen Ende Januar in Valencia, als der Renault R31 präsentiert wurde, tatsächlich etwas zu staunen: Das Schwarz und Gold lackierte Auto hat keinen Auspuff. Zumindest ist dort, wo die heiße Luft bisher entwich, von einem Rohr nichts zu sehen. Erst nach Tagen enthüllten Detailaufnahmen: Die Konstrukteure ließen die Abgase ungewöhnlich weit vorne entweichen, auf Höhe des Cockpits hinter einem Luftleitblech. Und aus zwei Rohren, so dass ein Teil der Luft über dem Unterboden zum Heck strömt und der andere Teil darunter. So viel Mut zur Neuerung ist ungewöhnlich - und versetzt die Szene meist in Aufruhr.

Die Formel 1 ist nicht nur ein Wettbewerb der Fahrer. Es geht auch darum, wer die klügsten Köpfe im Konstruktionsbüro hat. Deren Wettstreit allerdings war jahrelang durch ein Reglement gezügelt, dessen Vorschriften sich jedes Jahr bloß um Millimeter änderten. Erst als der Automobilweltverband vor zwei Jahren beschloss, die Aerodynamik-Vorgaben grundlegend zu ändern, kam wieder Schwung in die Tüftler-Buden.

Dass Jenson Button 2009 den Titel gewann, hatte vor allem mit dem sagenumwobenen Doppeldiffusor zu tun, den sein Rennwagen des Teams Brawn GP im Heck mitführte. Das umstrittene Bauteil wandelte den Fahrtwind in Anpressung um - und wer davon viel hat, kann die Kurven besonders schnell nehmen.

Im vergangenen Jahr sorgte der Rennstall McLaren mit einem anderen Trick für Aufsehen: mit dem F-Schacht. Der Name des Bauteils ist sinnfrei. Es wurde nur so genannt, um die Konkurrenz zu verwirren. Im Prinzip war es ein Luftkanal, der durchs Auto führte und ein Loch hatte. War das Loch offen, strömte die Luft ins Cockpit. Dichtete der Fahrer das Loch mit einer Hand ab, strömte die Luft weiter zum Heckflügel und ließ dort die Strömung abreißen. Das Resultat: Auf Geraden fiel der Luftwiderstand - und die Geschwindigkeit stieg an. Hektisch mühten sich alle, den Trick zu kopieren. Nur wenigen glückte es wirklich

Weil F-Schacht und Doppeldiffusor jetzt verboten sind, mussten sich die Designer neue Spielwiesen suchen. Dass sie dabei auf den Auspuff stießen, ist nicht verwunderlich. Weil die Weiterentwicklung der Motoren aus Kostengründen seit Jahren nur noch in homöopathischen Dosen erlaubt ist und die Unterschiede zwischen den Aggregaten nicht mehr entscheidend sind, ist es die Aerodynamik, die inzwischen den größten Unterschied macht.

Das Problem an der heißen Luft war lange nur: Sie strömte nicht regelmäßig. Im Prinzip gilt nämlich für einen Formel-1-Motor, was auch für den Motor jedes Serienfahrzeugs gilt: Je mehr Gas der Fahrer gibt, desto mehr kommt hinten raus. Auch an schmutzigen Gasen. Die Formel-1-Aerodynamiker aber wünschen sich bei Luftströmen vor allem eines: Gleichmäßig sollen sie sein. Also auch, wenn der Fahrer vom Gas geht, soll heiße Luft aus dem Auspuff strömen.

Extra-Tage für die Konkurrenz

Die lässt sich dann wunderbar auf all die Flügelchen lenken, die den Wagen auf Kurs halten. In mühevoller Kleinarbeit wurde den Formel-1-Motoren deshalb beigebracht, dass sie auch ausatmen, wenn der Fahrer vom Gas geht oder bremst. Im Prinzip sind sie dann Luftpumpen.

Neben dem Renault beherrschte auch der vom gleichen Motor angetriebene Red Bull diese Übung von den ersten Testfahrten an ganz ordentlich. Nicht selten eilte Titelverteidiger Sebastian Vettel der Konkurrenz auf den Übungsrunden auf und davon. Hätte die Saison an diesem Sonntag wie geplant in Bahrain begonnen, wäre er aufgrund der beachtlichen Frühform einer der Favoriten gewesen.

Doch die Verschiebung des Saisonstarts wegen der Demokratiebewegung in dem Königreich hat der Konkurrenz ein paar Extra-Tage gebracht, die diese nutzte. Sowohl Ferrari wie auch Mercedes präsentierten in dieser Woche bei den Testfahrten in Barcelona eine neue Form der Abgasführung.

Auch an den roten und den silbernen Autos sind die Auspuff-Öffnungen nun kaum mehr zu finden. Die filigran geschwungenen Rohre bergen allerdings eine Gefahr: Ob sie möglicherweise zu heiß werden und die Karosserie Feuer fängt, zeigt sich womöglich erst über eine ganze Renndistanz in der Hitze. Und eine solche könnte am 27. März beim Saisonstart in Melbourne in Australien zum ersten Mal anstehen.

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