Formel 1:Hamilton will raus aus dem Niemandsland

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Lewis Hamilton: In Baku motiviert, Sebastian Vettel zu besiegen. (Foto: Getty Images)
  • Beim Großen Preis von Aserbaidschan startet Lewis Hamilton hinter Qualifying-Sieger Sebastian Vettel.
  • Im Oktober hat der Brite zuletzt gewonnen, eine lange Durststrecke für einen verwöhnten Champion.
  • Doch er gibt sich zuversichtlich, bald wieder triumphieren zu können.
  • Das Rennen gibt es ab 14.10 Uhr hier im Liveticker.

Von Elmar Brümmer, Baku/München

Samstags werden in der Formel 1 die Machtansprüche formuliert, im einsamen Kampf der Fahrer um die schnellste Runde. Die Machtansprüche in der Formel 1, das galt in den vergangenen Jahren als eine Art Gesetz, formuliert allein Lewis Hamilton, der Weltmeister. Doch inzwischen ist er seit sechs Rennen ohne Sieg, seit letztem Oktober in Austin, eine ziemlich lange Durststrecke für einen verwöhnten Champion. Die Schlussrennen der vergangenen Saison zählen zwar nicht richtig, da stand er schon als Weltmeister fest. Aber die Ergebnisse der ersten drei Rennen in dieser Saison machen ihm tatsächlich etwas zu schaffen: Zweiter, Dritter, Vierter. Außerdem wurde er zweimal in der Qualifikation von seinem Teamkollegen Valtteri Bottas geschlagen. Und auf dem tückischen Stadtkurs in Baku am Samstag eroberte zum dritten Mal in Serie WM-Spitzenreiter Sebastian Vettel die Pole Position, einen Rang vor Hamilton.

Man könnte die Saison von Hamilton, 33, derzeit mit einem Abwärtstrend auf höchstem Niveau beschreiben, der zwar von den jeweiligen Umständen mehr bestimmt wird als durch seine eigene Leistung, und der nur eine Momentaufnahme ist. Man könnte aber auch anmerken, dass er vor drei Jahren einen ähnlich durchwachsenen Saisonstart hatte. Und am Ende wurde nicht er, sondern Nico Rosberg Weltmeister.

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Verstappen gegen Vettel, Verstappen gegen Hamilton - der junge Holländer teilt auf den Formel-1-Strecken ordentlich aus. Wenn er jede Woche einem Weltmeister ins Auto rumpelt, steht er sich selbst im Weg.

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Was die Panik etwas relativiert, bei noch 18 zu fahrenden Rennen: Hamilton ist vor dem Grand Prix in Baku WM-Zweiter, nur neun Zähler hinter Vettel. Aber kaum ein anderer Fahrer ist so getrieben von seinen Emotionen wie der Mercedes-Pilot, er braucht bedingungsloses Vertrauen in sein Umfeld und sein Auto - nur dann hat er es auch in sich selbst. Weshalb sich vor diesem Wochenende die Frage stellt: Wer ist die größere Diva, das Auto oder der Fahrer?

Hamilton strahlte in Baku Zuversicht aus

Eine gewisse Verunsicherung lässt sich an dem Fakt festmachen, dass seine Vertragsverlängerung um mindestens zwei Jahre schon vor dem Saisonstart über die Bühne hätte gehen sollen. Nur noch die Details seien offen, versicherten beide Seiten, reine Formalitäten. In Bahrain wurde neulich nachverhandelt, aber unterschrieben ist noch nichts. Hamilton pokert nicht nur um mehr Geld, er stellt sich auch immer wieder mal die Frage, ob und wie lange er überhaupt weiterfahren will. "Es wird der wichtigste Vertrag meiner Karriere", sagt er, weil es vermutlich auch der letzte sein wird. "Er scheint nicht mehr der Alte zu sein. Vielleicht hat Lewis einfach die Schnauze voll", mutmaßt der frühere Formel-1-Chef Bernie Ecclestone aus dem Ruhestand.

Danach sah es jedoch unmittelbar nach der knappen Niederlage gegen Vettel in Baku nicht aus. Die feuerfeste Kopfhaube noch halb über der neuen Flechtfrisur, lachte Hamilton nach seinem Rückstand von 0,179 Sekunden und strahlte Zuversicht aus: "Wir haben den besten Job gemacht, den wir machen konnten. Es war ziemlich eng." Auf dem Stadtkurs kann gut überholt werden, ein Safety-Car-Einsatz ist wahrscheinlich. Valtteri Bottas im zweiten Silberpfeil startet als Dritter, Vettels Adjudant Kimi Räikkönen nur als Sechster, dazwischen die Red-Bull-Hoffnungen Daniel Ricciardo und Max Verstappen. Und damit zur Diva Mercedes.

"Vor uns liegt ein harter Kampf", sagt Hamilton, "im Moment sind wir nur das zweit- oder drittschnellste Team. Wir müssen noch einiges verbessern." Es sind mal wieder die Reifen, die ihre Launen am Silberpfeil auslassen (oder umgekehrt) - schon im letzten Jahr brauchten die Ingenieure und Fahrer lange, um die richtigen Fahrzeugeinstellungen für eine optimale Betriebstemperatur zu finden. Dazu kamen ungeahnte technische Unzuverlässigkeiten wie der nötige Getriebewechsel bei beiden Fahrzeugen gleich im zweiten Rennen und eine erstmals wiederholt fehlerhafte geratene Strategieabteilung, die von Ferrari und Red Bull in Melbourne und Shanghai taktisch ausgetrickst wurde.

Die Fahrer bezweifeln die Entscheidungen inzwischen öffentlich. "Wir befinden uns noch in einem Lernprozess, was die Reifen, das Auto und die Stärke der Gegner angeht. Erst wenn wir alle Fragen beantwortet und verstanden haben, werden wir sehen, wie gut unser Auto ist", sagt Hamilton. Was aussieht wie eine Menge Kleinigkeiten, ergibt in der Summe nicht das Bild, das der Branchenführer abgeben will. Zumal mit Ferrari und Red Bull gleich zwei Rivalen gleichauf liegen - oder vorbeiziehen.

Doch am Ende ist die Situation auch eine Chance für Hamilton, sich erneut als Leader zu positionieren. "Alle stehen unter Volldampf. Wir müssen den konstruktiven Druck aufrechterhalten. In dieser Situation zählt jede Kleinigkeit. Ich genieße diese Situation. Weil jeder Sieg umso wertvoller wird." Hamilton, so viel ist sicher, will so schnell wie möglich raus aus dem "Niemandsland", in dem er sich nach dem Grand Prix in Shanghai vor zwei Wochen wähnte. Er scheint gewillt zu sein, zu kämpfen. "Wenn es bei ihm mal nicht so perfekt läuft, verliert Lewis an Motivation und gerät für ein Weilchen ins Straucheln", sagt sein ehemaliger Teamkollege Rosberg, "aber er kommt immer wieder zurück." Und meistens stärker: "Dann ist er praktisch unschlagbar."

© SZ vom 29.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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