Formel 1:Hallo, Monster

Formel 1: "Die Autos sehen ja jetzt aus wie richtige Monster!", findet Weltmeister Nico Rosberg.

"Die Autos sehen ja jetzt aus wie richtige Monster!", findet Weltmeister Nico Rosberg.

(Foto: AFP)
  • Am kommenden Wochenende beginnt in Melbourne die neue Formel-1-Saison.
  • Vieles ist neu in der Rennserie: zum Beispiel aggressiv gewordene Rennwagen und ein Führungstrio, das den alten Patriarchen Bernie Ecclestone aus dem Fahrerlager gedrängt hat.
  • Auch einen neuen Weltmeister wird es geben nach dem Rücktritt von Nico Rosberg - bei den ersten Tests überzeugte vor allem Ferrari.

Von Elmar Brümmer, Melbourne

Derjenige, der im Jahr des viel beschworenen Neuanfangs in der Formel 1 bisher die meisten Interviews gegeben hat, ist eigentlich gar nicht mehr dabei. Nico Rosberg, 31, der Weltmeister, der sich nach seinem Titelgewinn im Sommer in den sofortigen Ruhestand versetzt hat, ist wieder ein gefragter Mann. Er erzählt dann gern, dass er seinen Frieden mit Lewis Hamilton machen wolle, dem ewigen Rivalen. Das ist nett von ihm. Rosberg ist allerdings einer der wenigen, der so stark rückwärts denkt.

Denn ansonsten ist ja so ziemlich alles neu in der Formel 1: völlig veränderte, aggressiv gewordene Rennwagen; ein Führungstrio, das den alten Patriarchen Bernie Ecclestone aus dem Fahrerlager gedrängt hat - und einen neuen Weltmeister wird es auch geben. Die Hoffnung, dass alles anders wird, ist oft der stärkste Antrieb im Optionsgeschäft Motorsport. In der neuen Saison, die am kommenden Wochenende in Melbourne beginnt, stehen die Chancen dafür tatsächlich mal gut.

Das Reglement und die Macher haben sich gewandelt. Es könnte bunter werden im Rennen und in der zuletzt festgefahrenen Hackordnung. "Bunter" darf sogar wörtlich genommen werden, seit Force India Ende dieser Woche einen rosaroten Rennwagen enthüllt hat. Und der Countdown bis zum Großen Preis von Australien, er wird diesmal quasi hoch- statt runtergezählt: eins, zwei, drei, vier - fünf? Die Frage gilt den Sekunden, die die neue Rennwagen-Generation pro Runde schneller sein wird, weil die Aerodynamik komplett umgekrempelt und die Motorenentwicklung wieder freigegeben wurde.

Manche Kleinigkeit kündet vom Wandel

Es tut sich also was. Bei den Testfahrten in Barcelona stand dann aber plötzlich doch wieder der Frührentner Rosberg an der Boxenmauer. Zufällig sei er in der Stadt gewesen, beteuerte er, wohl auch, um den Eindruck zu widerlegen, dass er die Formel 1 schon jetzt mehr vermisst als diese ihn. Aber da kam schon Sehnsucht durch, als es aus ihm heraussprudelte: "Die Autos sehen ja jetzt aus wie richtige Monster! Genauso muss es sein, dann werden die Fahrer auch zu Gladiatoren. Und das braucht der Sport."

Auf die Autokratie der Ecclestone-Jahre folgt die Freiheit, das klingt zunächst wunderbar. Freiheit ist aber auch auf der Rennstrecke immer das, was man daraus macht. Immerhin gleicht kaum einer der zehn Neuwagen dem anderen, das zeugt - abgesehen von den meist überdimensionierten Haifischflossen am Heck - von Charakter. Auch manche Kleinigkeit kündet vom Wandel.

So ist das aufgehobene Videoverbot in den Boxen und an der Piste prima für einen Markenathleten wie Hamilton, dem im Vorjahr tatsächlich mal der Ausschluss gedroht hatte, weil er während einer offiziellen Podiumsrunde die Konkurrenten fotografiert und die Bilder dann für die sozialen Netzwerke auch noch mit Hasenohren verzierte. Sich öffnen und offenbleiben, das steht auf der Agenda der neuen Führungsmannschaft mit den Managern Chase Carey, Ross Brawn und Sean Bratches ganz oben.

Der Einfluss dieser eiligen drei Könige ist zunächst vorrangig auf die Vermarktung beschränkt. Zwar ein wichtiger, aber doch nur ein Teil der ersehnten Runderneuerung. Die finanziellen Abmachungen aus der Ecclestone-Ära gelten noch bis 2020. Die eigentliche Macht bleibt damit erst mal bei den großen Konzernen Mercedes, Fiat/Ferrari und Red Bull.

Die schnellsten Testrunden drehte Ferrari

Trotzdem werden von den neuen Chefs, vor allem von Sportdirektor Brawn, umgehend allerlei Wunder erwartet, weit über die bereits beschlossenen Änderungen hinaus. Alles soll attraktiver werden, dazu aber auch deutlich billiger - für die Rennställe wie für die Zuschauer. Neu sind solche Forderungen nicht, aber bislang haben sich die beiden Wunschvorstellungen in den meisten Bereichen ausgeschlossen.

Erst seit acht Wochen ist die neue Spitze im Amt, und so schnell der Sport geworden ist, so langsam mahlen seine Mühlen. Brawn als Branchenkenner muss Verbündete suchen, Kompromisse schmieden. Und er darf dabei nicht dem Kommerz in die Quere kommen. Der Brite war lange genug Taktiker und Politiker in Rennställen, um zu wissen, dass er ein paar quick wins braucht. Die Dachgesellschaft Liberty Media tritt nicht als Samariter auf, sondern als Investor. Gemessen wird der Erfolg der Formel-1-Zukunft deshalb auch den Zahlen der Ecclestone-Ära. Die Einnahmen lagen bei 1,9 Milliarden Dollar, 965 Millionen wurden an Prämien an die Teams ausgeschüttet.

Alles nicht so einfach also. Aber es gibt ja schon mal die guten Nachrichten von den zweimal vier Testtagen auf dem Circuit de Catalunya: Tatsächlich haben die Autos in den Kurven bis zu 40 Prozent an Tempo zugelegt. Sie sind schwieriger zu fahren, zicken beim Bremsen und Beschleunigen. Das nährt die Hoffnung, dass es wieder mehr auf den Sportler als auf das vierrädrige Sportgerät ankommt.

"Wer glaubt, dass wir die Favoriten sind, ist naiv"

Das verspricht Spektakel, auch wenn das Duell Hamilton gegen Rosberg ausfällt, und keiner bei Mercedes weiß, welche Rolle der Rosberg-Nachfolger Valtteri Bottas spielen kann. Überhaupt, Mercedes: Das eigene Auto mag zuletzt noch so sehr am Schnürchen gelaufen sein - die schnellsten Testrunden hat Ferrari gedreht. Das nährt beim Team-Aufsichtsrat Niki Lauda die Erkenntnis, dass die Italiener wieder da sind: "Wer glaubt, dass wir die Favoriten sind, ist naiv", sagt Lauda. Schön die Favoritenrolle weiterreichen.

Ferrari selbst kommentiert die Interpretationen des gelungenen Aufgalopps selten bis gar nicht, Sebastian Vettels Gesichtszüge aber sind weit entspannter als vor Jahresfrist. Der Heppenheimer steht ja doppelt unter Druck: Als Kapitän soll er im Auftrag von Firmenchef Sergio Marchionne ("Wir müssen wieder unschlagbar werden wie in der Schumacher-Ära") die Ferrari-Truppe endlich nach vorn führen, und zum Jahresende läuft sein Vertrag aus. Vettel muss also auch in eigener Sache siegen.

Mündigere Athleten, das ist auch so ein Wunsch an die neue Formel 1. Verbunden wird damit zwar auch die größere Entscheidungsfreiheit im Cockpit, vor allem aber der Ausbruch aus den politisch viel zu korrekten Phrasen, die viele Teams und Sponsoren immer noch so gern hören. Authentisch ist das Zauberwort, und dahin hat es ausgerechnet das Team mit der größten Marketingmaschinerie geschafft: Red Bull. Was allerdings mehr mit den beiden Typen Max Verstappen und Daniel Ricciardo zu tun hat, die zudem als beste Fahrerpaarung gelten.

Der Niederländer, 19, und der Australier, 27, waren zuletzt die einzigen, die den Siegeszug von Mercedes gelegentlich unterbrechen konnten - und sie sorgten für die beste Show auf und neben der Piste. Entscheidend für einen Überholvorgang von Red Bull aber muss der dritte Mann im Bunde werden: Konstrukteur Adrian Newey, dem die Fähigkeit nachgesagt wird, sich die Luftströmung zum Verbündeten zu machen. So einfach ist das komplizierte neue technische Reglement zu interpretieren: als frischer Wind.

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