Formel 1:Formel Zoff

Formel 1 - Chase Carey

Chase Carey (links) beim Saisonauftakt vor zwei Wochen in Melbourne. Der Formel-1-Geschäftsführer will die Formel 1 ausgeglichener machen, um sie besser vermarkten zu können.

(Foto: Asanka Brendon Ratnayake/dpa)
  • In der Formel 1 steht eine Umwälzung an, weil der Betreiber der Rennserie einen neuen "big deal" plant.
  • Die Veränderungen sehen unter anderem vor, dass es bei den Teams eine Deckelung des Renn-Etats geben soll.
  • Die großen Rennställe sind davon nicht begeistert.

Von Elmar Brümmer

Der Gebäudekomplex, in dem der Traum von einer besseren Formel 1 verwirklicht werden sollte, hört auf den vielversprechenden Namen "Oasis". Der Rechtebesitzer Liberty Media hatte die zehn Rennstallchefs vor dem Großen Preis von Bahrain einbestellt, um das zu präsentieren, was Chef-Vermarkter Chase Carey die "Vision 2021" nennt. Die Zahl bezieht sich darauf, dass alle derzeit gültigen Abkommen Ende 2020 auslaufen, aber die Nachfolger von Bernie Ecclestone wollen nicht einfach bloß eine Vertragsverlängerung, ihnen schwebt eine Revolution vor. Diese soll die Attraktivität der zuletzt etwas in die Jahre gekommenen Königsklasse des Motorsports stärken, aber auch die Position der Investoren.

Das 300-köpfige Team, das da am Piccadilly Circus in London das Erbe von Bernie Ecclestone neu ordnet, orientiert sich in vielem an den Gepflogenheiten im US-Sport und der Unterhaltungsindustrie. Die jetzt vorgelegten Änderungswünsche werden zum ersten richtigen Crashtest mit dem Renn-Establishment. Es ist der Auftakt zur Formel Zoff.

Der big deal gliedert sich in fünf wichtige Punkte, die - ganz entgegen der bisherigen Gepflogenheiten - umgehend auch veröffentlicht wurden. Über allem steht das budget cap, die Deckelung der Etats, an der sich die Formel 1 in ihrer Selbstverwaltung schon seit zwei Jahrzehnten versucht, aber stets scheitert. Denn für solch einschneidende Veränderungen braucht es die Einstimmigkeit, die in einem System, in dem sich jeder selbst der nächste ist, enorm schwierig zu erreichen ist. Im Zuge der Generalüberholung sollen die Budgets pro Jahr und Team künftig 150 Millionen Dollar nicht überschreiten.

Für die Änderungen soll eine Übergangsfrist von zwei Jahren gelten

Davon ist die obere Hälfte der Tabelle, gespeist von Konzernen oder Milliardären, direkt betroffen, auch wenn die Gehälter für Fahrer und Top-Manager ausgenommen und die Marketingausgaben nicht eingerechnet werden. Ein typisches kleines Team müsste also noch 30 Millionen Dollar Sponsorgeld finden, um finanziell und damit technisch mit den Großen auf Augenhöhe zu sein. Doch nicht nur das Fachmagazin "auto, motor und sport" ist sicher: "Das wird ein Erdbeben auslösen."

Im Fahrerlager von Sakhir bildeten sich schon entsprechende Fraktionen, die über das Wochenende hinweg Politik betreiben werden. "Die Teams müssen das jetzt erstmal verdauen, dann werden die sachlichen Debatten beginnen", hofft Sportdirektor Ross Brawn. Um die Gefahr eines offenen Aufstandes zu mindern, soll es für die Änderungen eine Übergangsfrist von zwei Jahren geben, in der der sukzessive, aber massive Personalabbau bei Mercedes, Ferrari, Red Bull und Renault überwacht wird.

Ferrari und Mercedes drohen mit Ausstieg

Denn die reichen Teams werden sich ihren Vorteil nicht nehmen lassen wollen. Mehr Geld heißt schließlich immer noch mehr Personal, mehr Simulationen, bessere Materialien. Ferrari und Mercedes haben mehr oder weniger unverhohlen mit einem Ausstieg gedroht, sie sind nur bis Ende 2020 an laufende Verträge gebunden. Schon wird über eine Piratenserie gesprochen. Carey hat jedoch in seiner Kalkulation den Motorenherstellern einen dicken Bonus für die Aggregate eingeräumt, schließlich sollen diese ja auch die kleinen Teams mit günstigen Leihmotoren beliefern.

Die Grundidee von Liberty Media klingt schlüssig: Die Formel 1 soll für alle Beteiligten ein Geschäft werden, und der zahlende Zuschauer soll wieder im Sinne des US-Sports einen ausgeglichen-spannenden Wettbewerb präsentiert bekommen. Auch wenn Ferrari angeblich wieder eine Treueprämie von 50 Millionen Dollar erhält, die aber nicht ins Renngeschäft gesteckt werden darf.

Ende April wird Liberty Media mit den Rennställen einzeln verhandeln, denn die Zeit drängt. Gravierende technische Änderungen benötigen mindestens zwei Jahre Vorlaufzeit. Der Erfolg der Mission wird von Kompromissen abhängen. Neben der großen Finanzfrage geht es um weitere Themenbereiche, die nicht leicht zu moderieren sein werden: Die Motoren sollen günstiger werden, die Autos sollen mehr Überholmanöver garantieren, "der Fahrer soll wieder der entscheidende Part des Pakets werden."

Und: "Es soll eine einfache und schnelle Entscheidungsstruktur zwischen Weltverband, dem Formel 1-Management und den Teams geben." In diesem Punkt manifestiert sich der Traum von einer besseren Formel 1, es wird aber wohl ein Wunschtraum bleiben. Denn Egoismus ist der wahre Antrieb im Renngeschäft.

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