Formel 1:Fackel am Ende des Tunnels

Vier Jahre lang jagte das Red-Bull-Team dank der Kraft der Renault-Motoren von Erfolg zu Erfolg. Nun stottert es hinterher. Der jähe Formabfall hat einen Streit ausgelöst, der die Formel 1 verändern könnte.

Von Elmar Brümmer, Sepang

Dass Christian Horner, der Teamchef des abgestürzten Formel-1-Rennstalls Red Bull Racing, und Cyril Abiteboul, Manager der lahmenden Rennmotorenabteilung von Renault, Seite an Seite saßen, legt einen Schulterschluss nahe. Vermutlich aber war es beiden ganz angenehm, dass sie sich nicht ins Gesicht schauen mussten, als sie aller Welt vor dem Großen Preis von Malaysia einen Kuschelkurs weismachen wollten.

Da sind zwei Partner, die in den vergangenen fünf Jahren jeweils vier WM-Titel in der Fahrer- und Konstrukteurswertung einfahren konnten, nach einem desaströsen Saisonauftakt, in einer Zweckehe gefangen. Einer Scheidung steht momentan nur der Mangel nach plausiblen Alternativen entgegen. Doch die werden längst evaluiert, von beiden Seiten.

Formel 1: Lange verblasste Blütezeit: Renault war der Pionier der Turbo-Technik in der Formel 1. In der Saison 1981 schickte die Equipe Alain Prost - hier in Belgien - in die Rennen.

Lange verblasste Blütezeit: Renault war der Pionier der Turbo-Technik in der Formel 1. In der Saison 1981 schickte die Equipe Alain Prost - hier in Belgien - in die Rennen.

(Foto: Thomas Zimmermann/imago)

Nach den Anfeindungen bei der Saisonpremiere vor zwei Wochen in Melbourne - Daniel Ricciardo war flügellahm Sechster geworden, Daniel Kwiat gleich zu Rennbeginn ausgefallen -, lief der Schlagabtausch gemäßigter, aber die Spitzen waren doch zu hören. Paradox: Sowohl das Team wie sein Motorenlieferant stellten eine Ausstiegsdrohung in den Raum.

In der vergangenen Woche war der Streit eskaliert. Der Renault-Statthalter hatte sich im französischen Fachblatt Auto Hebdo heftig gegen die Alleinverantwortung für die schwachen Leistungen gewehrt. Zuvor hatte Adrian Newey noch einmal Öl ins Feuer gegossen. Der angeblich geniale Rennwagenkonstrukteur hatte geunkt, das von Renault in Aussicht gestellte Licht am Ende des Tunnels sehe er nicht. "Es ist hart, einen Partner zu haben, der lügt", erwiderte Abiteboul, "Adrian ist ein charmanter Gentleman und ein herausragender Ingenieur, aber er hat sein Leben damit verbracht, Motorenhersteller zu kritisieren - und er ist zu alt, sich zu ändern."

Vier Anbieter

Formel-1-Teams und Motorenlieferanten 2015

Mercedes (Team) / Mercedes (Motor) / 43 (Punkte)

Ferrari / Ferrari / 15

Sauber / Ferrari / 14

Williams / Mercedes / 12

Red Bull / Renault / 8

Force India / Mercedes / 7

Toro Rosso / Renault / 2

McLaren / Honda / 0

Lotus / Mercedes / 0

Manor / Ferrari / 0

Das saß. Und bei dem einen Konter blieb es nicht: Red Bull habe doch selbst einige Probleme mit seinem Rennwagen-Chassis, vor allem bei der Stabilität des Hecks. Das sei auch alles andere als hilfreich, giftete der Motorenmann weiter.

Red Bull hat von 2010 bis 2013 in Serie gewonnen. Nun wird das Team verhöhnt. Das aktuelle Titelbild des einflussreichen Branchenblatts Autosport trägt die auf den Rennstall bezogene Schlagzeile "Der Fall des Empires". Ausgerechnet der sonst so wohlerzogen wirkende Christian Horner hatte sich in Melbourne als schlechter Verlierer präsentiert. Angesichts der Überlegenheit wollte er Mercedes tatsächlich per Gleichstellungsparagraf (den es tatsächlich im Reglement gibt) vom Automobilweltverband zwangsbremsen lassen. Als ihm dafür im Fahrerlager nichts als Schadenfreude entgegenschlug, zog der 41-Jährige die Idee aber schnell wieder zurück.

Aber er war nicht der einzige Red-Bull-Gewaltige gewesen, der sich zu Wort gemeldet hatte. Auch Helmut Marko, 71, als Motorsport-Konsulent der Verbindungsmann zur Konzernzentrale von Red Bull, echauffierte sich über den großen Vorsprung von Mercedes (angeblich 100 PS). Er drohte gar mit einer Kosten-/Nutzenrechnung im Sommer, bei der möglicherweise ein Ausstieg herauskommen könnte - sollten sich die Rahmenbedingungen nicht ändern.

Weil sich Red Bull vertraglich verpflichtet hat, mindestens bis 2020 Runden zu drehen, dürfte das nicht so sehr darauf gerichtet sein, dass Renault seinen Motor schnell verbessern darf. Die Stoßrichtung ist wohl eher eine andere: Es lassen sich Bestrebungen erkennen, dass Red Bull bei der Gesamtvermarktung der Serie mitmischen will. Angeblich verhandelt Konzernchef Dietrich Mateschitz unter Vermittlung von Formel-1-Vermarkter Bernie Ecclestone über den Kauf von 35 Prozent der Anteile des Rechteinhabers CVC.

Red Bull könnte die kränkelnde Königsklasse dann nach dem Schema anderer Action-Events des Hauses moderner, aufregender, jugendlicher machen. Aber wer die Regeln bestimmt, kann schlecht noch selbst unabhängiger Rennstall bleiben. Am liebsten wäre Red Bull wohl eine Partnerschaft mit Audi gewesen, wo der ehemalige Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali bereits ein Einstiegspapier vorgelegt hat, vom Volkswagen-Vorstand aber bislang kein grünes Licht bekommt. Die Option, dass Red Bull selbst Motorenhersteller werden will, wird trotz der Installation von hochmodernen Prüfständen in der Steiermark bestritten, man wolle damit nur Renault unterstützen.

Aber es ist eine geschickte Drohung gegenüber dem ungeliebten Partner. Die Franzosen sprechen ihrerseits davon, alle Optionen zu prüfen. Der viermalige Weltmeister Alain Prost, Markenbotschafter des Staatskonzerns, hat eine Inspektionsreise durch die Welt der kleineren Formel-1-Rennställe absolviert. Er sollte den idealen Übernahmekandidaten auswählen, denn am liebsten würde Renault wieder wie früher Auto und Motor unter einem Dach entstehen lassen, wie es Mercedes und Ferrari vormachen. Lotus und Sauber waren im Rennen, aber Favorit scheint Toro Rosso zu sein - das zweite Team, das Mateschitz gehört. Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost würde ein solches Bündnis lieber heute als morgen eingehen. "Von einem Hersteller übernommen zu werden, wäre exakt der Schritt, der dem Team noch fehlt, um sich unter den ersten Fünf der Formel 1 zu etablieren."

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